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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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und mehr, wenn er etwas verfehlt; er lasse
sich nicht so behandeln.

Die jungen Pursche antworteten ihm,
der Junker thue das nur, ihm zu schonen,
weil er gehört, daß er krank sey, und im
Bett liege.

Der Flink aber sagte, er solle Vernunft
brauchen, und gutwillig thun, was sich nicht
ändern lasse.

Aber der Treufaug war wie wüthend,
fluchte forthin, daß er nicht so mit sich um-
gehen, und sich nicht tragen lasse.

Zulezt ward der Flink müde, und sagte,
wenn er nicht gutwillig kommen wolle, so
müsse er ihn binden.

Bey Gott, sagte der Treufaug, probier
es einer, und rühr mich an, er wird erfah-
ren, was ihm begegnet. Ohne ein Wort
zu antworten, faßte ihn izt der Flink tüch-
tig beym Arm.

Jesus, Jesus -- der Arm thut mir weh,
ich will ja kommen, sagte nun der Doktor,
saß schluchzend und heulend auf die Trag-
bahre, und ließ geduldig seine Bettdeke über
sich legen, und sich forttragen.



§. 57.

und mehr, wenn er etwas verfehlt; er laſſe
ſich nicht ſo behandeln.

Die jungen Purſche antworteten ihm,
der Junker thue das nur, ihm zu ſchonen,
weil er gehoͤrt, daß er krank ſey, und im
Bett liege.

Der Flink aber ſagte, er ſolle Vernunft
brauchen, und gutwillig thun, was ſich nicht
aͤndern laſſe.

Aber der Treufaug war wie wuͤthend,
fluchte forthin, daß er nicht ſo mit ſich um-
gehen, und ſich nicht tragen laſſe.

Zulezt ward der Flink muͤde, und ſagte,
wenn er nicht gutwillig kommen wolle, ſo
muͤſſe er ihn binden.

Bey Gott, ſagte der Treufaug, probier
es einer, und ruͤhr mich an, er wird erfah-
ren, was ihm begegnet. Ohne ein Wort
zu antworten, faßte ihn izt der Flink tuͤch-
tig beym Arm.

Jeſus, Jeſus — der Arm thut mir weh,
ich will ja kommen, ſagte nun der Doktor,
ſaß ſchluchzend und heulend auf die Trag-
bahre, und ließ geduldig ſeine Bettdeke uͤber
ſich legen, und ſich forttragen.



§. 57.
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[208/0226] und mehr, wenn er etwas verfehlt; er laſſe ſich nicht ſo behandeln. Die jungen Purſche antworteten ihm, der Junker thue das nur, ihm zu ſchonen, weil er gehoͤrt, daß er krank ſey, und im Bett liege. Der Flink aber ſagte, er ſolle Vernunft brauchen, und gutwillig thun, was ſich nicht aͤndern laſſe. Aber der Treufaug war wie wuͤthend, fluchte forthin, daß er nicht ſo mit ſich um- gehen, und ſich nicht tragen laſſe. Zulezt ward der Flink muͤde, und ſagte, wenn er nicht gutwillig kommen wolle, ſo muͤſſe er ihn binden. Bey Gott, ſagte der Treufaug, probier es einer, und ruͤhr mich an, er wird erfah- ren, was ihm begegnet. Ohne ein Wort zu antworten, faßte ihn izt der Flink tuͤch- tig beym Arm. Jeſus, Jeſus — der Arm thut mir weh, ich will ja kommen, ſagte nun der Doktor, ſaß ſchluchzend und heulend auf die Trag- bahre, und ließ geduldig ſeine Bettdeke uͤber ſich legen, und ſich forttragen. §. 57.

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/226>, abgerufen am 06.05.2024.