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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Die Kalberlederin brachte just ihren
Schweinen das Mittagessen. Die guten
Thiere strekten wie gewohnlich, als sie kam,
ihr und dem Fressen die Köpfe so weit aus
dem Trog entgegen, als sie nur konnten:
aber die Frau schlug ihnen mit der Kellen
auf die Schnorren, daß sie bluteten. --

Und die Morlauerin warff den Hut ihres
Manns, den der Bettelmann Niggeli heute
aufgesezt hatte, den geraden Weg ins Feuer.
Sie wollte zwar nicht, daß es jemand wis-
sen sollte; aber der Hut stank so sehr, daß,
wer immer nahe beym Hause war, hinzu
kam und fragte, was so röche? -- Hinter
dem Haus sagte das Elseli dem Hans Löli
gerade zu die Wahrheit. Vor dem Haus
fragten ihrer drey oder vier. -- "Jhr Nar-
ren, ein Bein, das man ins Feuer geworf-
fen," antworteten der Mann und die Frau.
Aber der Löli kam eben dazu, und sagte:
"Ja -- ich weiß es besser, dein Hut riecht
so, deine Frau hat ihn dir verbrannt." --
Wer sagt das? schrye die Morlauerin. "Euer
Elseli" -- antwortete Löli. Und die Frau
schmiß das Fenster vor Zorn zu, u. schlug
dem Elseli die Hand fürs Maul, daß es
noch stärker blutete, als der Kalberlederin
ihre Sau. Eine Weile darauf aber besann
sie sich, der Mann brauche um drey Uhr

wie-

Die Kalberlederin brachte juſt ihren
Schweinen das Mittageſſen. Die guten
Thiere ſtrekten wie gewohnlich, als ſie kam,
ihr und dem Freſſen die Koͤpfe ſo weit aus
dem Trog entgegen, als ſie nur konnten:
aber die Frau ſchlug ihnen mit der Kellen
auf die Schnorren, daß ſie bluteten. —

Und die Morlauerin warff den Hut ihres
Manns, den der Bettelmann Niggeli heute
aufgeſezt hatte, den geraden Weg ins Feuer.
Sie wollte zwar nicht, daß es jemand wiſ-
ſen ſollte; aber der Hut ſtank ſo ſehr, daß,
wer immer nahe beym Hauſe war, hinzu
kam und fragte, was ſo roͤche? — Hinter
dem Haus ſagte das Elſeli dem Hans Loͤli
gerade zu die Wahrheit. Vor dem Haus
fragten ihrer drey oder vier. — „Jhr Nar-
ren, ein Bein, das man ins Feuer geworf-
fen,“ antworteten der Mann und die Frau.
Aber der Loͤli kam eben dazu, und ſagte:
„Ja — ich weiß es beſſer, dein Hut riecht
ſo, deine Frau hat ihn dir verbrannt.“ —
Wer ſagt das? ſchrye die Morlauerin. „Euer
Elſeli“ — antwortete Loͤli. Und die Frau
ſchmiß das Fenſter vor Zorn zu, u. ſchlug
dem Elſeli die Hand fuͤrs Maul, daß es
noch ſtaͤrker blutete, als der Kalberlederin
ihre Sau. Eine Weile darauf aber beſann
ſie ſich, der Mann brauche um drey Uhr

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[196/0214] Die Kalberlederin brachte juſt ihren Schweinen das Mittageſſen. Die guten Thiere ſtrekten wie gewohnlich, als ſie kam, ihr und dem Freſſen die Koͤpfe ſo weit aus dem Trog entgegen, als ſie nur konnten: aber die Frau ſchlug ihnen mit der Kellen auf die Schnorren, daß ſie bluteten. — Und die Morlauerin warff den Hut ihres Manns, den der Bettelmann Niggeli heute aufgeſezt hatte, den geraden Weg ins Feuer. Sie wollte zwar nicht, daß es jemand wiſ- ſen ſollte; aber der Hut ſtank ſo ſehr, daß, wer immer nahe beym Hauſe war, hinzu kam und fragte, was ſo roͤche? — Hinter dem Haus ſagte das Elſeli dem Hans Loͤli gerade zu die Wahrheit. Vor dem Haus fragten ihrer drey oder vier. — „Jhr Nar- ren, ein Bein, das man ins Feuer geworf- fen,“ antworteten der Mann und die Frau. Aber der Loͤli kam eben dazu, und ſagte: „Ja — ich weiß es beſſer, dein Hut riecht ſo, deine Frau hat ihn dir verbrannt.“ — Wer ſagt das? ſchrye die Morlauerin. „Euer Elſeli“ — antwortete Loͤli. Und die Frau ſchmiß das Fenſter vor Zorn zu, u. ſchlug dem Elſeli die Hand fuͤrs Maul, daß es noch ſtaͤrker blutete, als der Kalberlederin ihre Sau. Eine Weile darauf aber beſann ſie ſich, der Mann brauche um drey Uhr wie-

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/214>, abgerufen am 23.11.2024.