Die Kalberlederin brachte just ihren Schweinen das Mittagessen. Die guten Thiere strekten wie gewohnlich, als sie kam, ihr und dem Fressen die Köpfe so weit aus dem Trog entgegen, als sie nur konnten: aber die Frau schlug ihnen mit der Kellen auf die Schnorren, daß sie bluteten. --
Und die Morlauerin warff den Hut ihres Manns, den der Bettelmann Niggeli heute aufgesezt hatte, den geraden Weg ins Feuer. Sie wollte zwar nicht, daß es jemand wis- sen sollte; aber der Hut stank so sehr, daß, wer immer nahe beym Hause war, hinzu kam und fragte, was so röche? -- Hinter dem Haus sagte das Elseli dem Hans Löli gerade zu die Wahrheit. Vor dem Haus fragten ihrer drey oder vier. -- "Jhr Nar- ren, ein Bein, das man ins Feuer geworf- fen," antworteten der Mann und die Frau. Aber der Löli kam eben dazu, und sagte: "Ja -- ich weiß es besser, dein Hut riecht so, deine Frau hat ihn dir verbrannt." -- Wer sagt das? schrye die Morlauerin. "Euer Elseli" -- antwortete Löli. Und die Frau schmiß das Fenster vor Zorn zu, u. schlug dem Elseli die Hand fürs Maul, daß es noch stärker blutete, als der Kalberlederin ihre Sau. Eine Weile darauf aber besann sie sich, der Mann brauche um drey Uhr
wie-
Die Kalberlederin brachte juſt ihren Schweinen das Mittageſſen. Die guten Thiere ſtrekten wie gewohnlich, als ſie kam, ihr und dem Freſſen die Koͤpfe ſo weit aus dem Trog entgegen, als ſie nur konnten: aber die Frau ſchlug ihnen mit der Kellen auf die Schnorren, daß ſie bluteten. —
Und die Morlauerin warff den Hut ihres Manns, den der Bettelmann Niggeli heute aufgeſezt hatte, den geraden Weg ins Feuer. Sie wollte zwar nicht, daß es jemand wiſ- ſen ſollte; aber der Hut ſtank ſo ſehr, daß, wer immer nahe beym Hauſe war, hinzu kam und fragte, was ſo roͤche? — Hinter dem Haus ſagte das Elſeli dem Hans Loͤli gerade zu die Wahrheit. Vor dem Haus fragten ihrer drey oder vier. — „Jhr Nar- ren, ein Bein, das man ins Feuer geworf- fen,“ antworteten der Mann und die Frau. Aber der Loͤli kam eben dazu, und ſagte: „Ja — ich weiß es beſſer, dein Hut riecht ſo, deine Frau hat ihn dir verbrannt.“ — Wer ſagt das? ſchrye die Morlauerin. „Euer Elſeli“ — antwortete Loͤli. Und die Frau ſchmiß das Fenſter vor Zorn zu, u. ſchlug dem Elſeli die Hand fuͤrs Maul, daß es noch ſtaͤrker blutete, als der Kalberlederin ihre Sau. Eine Weile darauf aber beſann ſie ſich, der Mann brauche um drey Uhr
wie-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0214"n="196"/><p>Die Kalberlederin brachte juſt ihren<lb/>
Schweinen das Mittageſſen. Die guten<lb/>
Thiere ſtrekten wie gewohnlich, als ſie kam,<lb/>
ihr und dem Freſſen die Koͤpfe ſo weit aus<lb/>
dem Trog entgegen, als ſie nur konnten:<lb/>
aber die Frau ſchlug ihnen mit der Kellen<lb/>
auf die Schnorren, daß ſie bluteten. —</p><lb/><p>Und die Morlauerin warff den Hut ihres<lb/>
Manns, den der Bettelmann Niggeli heute<lb/>
aufgeſezt hatte, den geraden Weg ins Feuer.<lb/>
Sie wollte zwar nicht, daß es jemand wiſ-<lb/>ſen ſollte; aber der Hut ſtank ſo ſehr, daß,<lb/>
wer immer nahe beym Hauſe war, hinzu<lb/>
kam und fragte, was ſo roͤche? — Hinter<lb/>
dem Haus ſagte das Elſeli dem Hans Loͤli<lb/>
gerade zu die Wahrheit. Vor dem Haus<lb/>
fragten ihrer drey oder vier. —„Jhr Nar-<lb/>
ren, ein Bein, das man ins Feuer geworf-<lb/>
fen,“ antworteten der Mann und die Frau.<lb/>
Aber der Loͤli kam eben dazu, und ſagte:<lb/>„Ja — ich weiß es beſſer, dein Hut riecht<lb/>ſo, deine Frau hat ihn dir verbrannt.“—<lb/>
Wer ſagt das? ſchrye die Morlauerin. „Euer<lb/>
Elſeli“— antwortete Loͤli. Und die Frau<lb/>ſchmiß das Fenſter vor Zorn zu, u. ſchlug<lb/>
dem Elſeli die Hand fuͤrs Maul, daß es<lb/>
noch ſtaͤrker blutete, als der Kalberlederin<lb/>
ihre Sau. Eine Weile darauf aber beſann<lb/>ſie ſich, der Mann brauche um drey Uhr<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wie-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[196/0214]
Die Kalberlederin brachte juſt ihren
Schweinen das Mittageſſen. Die guten
Thiere ſtrekten wie gewohnlich, als ſie kam,
ihr und dem Freſſen die Koͤpfe ſo weit aus
dem Trog entgegen, als ſie nur konnten:
aber die Frau ſchlug ihnen mit der Kellen
auf die Schnorren, daß ſie bluteten. —
Und die Morlauerin warff den Hut ihres
Manns, den der Bettelmann Niggeli heute
aufgeſezt hatte, den geraden Weg ins Feuer.
Sie wollte zwar nicht, daß es jemand wiſ-
ſen ſollte; aber der Hut ſtank ſo ſehr, daß,
wer immer nahe beym Hauſe war, hinzu
kam und fragte, was ſo roͤche? — Hinter
dem Haus ſagte das Elſeli dem Hans Loͤli
gerade zu die Wahrheit. Vor dem Haus
fragten ihrer drey oder vier. — „Jhr Nar-
ren, ein Bein, das man ins Feuer geworf-
fen,“ antworteten der Mann und die Frau.
Aber der Loͤli kam eben dazu, und ſagte:
„Ja — ich weiß es beſſer, dein Hut riecht
ſo, deine Frau hat ihn dir verbrannt.“ —
Wer ſagt das? ſchrye die Morlauerin. „Euer
Elſeli“ — antwortete Loͤli. Und die Frau
ſchmiß das Fenſter vor Zorn zu, u. ſchlug
dem Elſeli die Hand fuͤrs Maul, daß es
noch ſtaͤrker blutete, als der Kalberlederin
ihre Sau. Eine Weile darauf aber beſann
ſie ſich, der Mann brauche um drey Uhr
wie-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/214>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.