§. 51. Es war seine Speise, daß er höre und thue den Willen seines Vaters im Himmel.
Beym Mittagessen ließ Arner den Renold zu sich ins Pfarrhaus kommen, und bath ihn, ihm die Geschichte des Bamber- gers weitläuftig zu erzählen.
Es entfiel dem Renold eine Thräne, da der Junker dieses foderte; denn der Bam- berger war ihm von Jugend auf lieb, und er konnte ihm dieses Opfer der Wehmuth nicht vorenthalten. Dann erzählte er, wie der Bamberger von Kindsbeinen auf so ge- rade und treu gewesen, daß er um deßwillen hundertmal für einen Narren gehalten wor- den -- daß er aber doch bis in sein fünf und dreyßigstes Jahr still, ruhig und unge- kränkt gelebt, in welchem Jahr ihn der al- te Junker sel. zum Vorgesezten gemacht. -- Von dieser Zeit an habe er keinen Augenblik mehr in Fried und Ruhe leben können, und sey immer mit allen Mitvorgesezten im Streit gewesen, weil er nie zu nichts, das nicht den geraden Weg war, Hand biethen, und Ja sagen wollte; besonders sey der Hum- mel wie wüthend hinter ihm gewesen, habe
ihm
§. 51. Es war ſeine Speiſe, daß er hoͤre und thue den Willen ſeines Vaters im Himmel.
Beym Mittageſſen ließ Arner den Renold zu ſich ins Pfarrhaus kommen, und bath ihn, ihm die Geſchichte des Bamber- gers weitlaͤuftig zu erzaͤhlen.
Es entfiel dem Renold eine Thraͤne, da der Junker dieſes foderte; denn der Bam- berger war ihm von Jugend auf lieb, und er konnte ihm dieſes Opfer der Wehmuth nicht vorenthalten. Dann erzaͤhlte er, wie der Bamberger von Kindsbeinen auf ſo ge- rade und treu geweſen, daß er um deßwillen hundertmal fuͤr einen Narren gehalten wor- den — daß er aber doch bis in ſein fuͤnf und dreyßigſtes Jahr ſtill, ruhig und unge- kraͤnkt gelebt, in welchem Jahr ihn der al- te Junker ſel. zum Vorgeſezten gemacht. — Von dieſer Zeit an habe er keinen Augenblik mehr in Fried und Ruhe leben koͤnnen, und ſey immer mit allen Mitvorgeſezten im Streit geweſen, weil er nie zu nichts, das nicht den geraden Weg war, Hand biethen, und Ja ſagen wollte; beſonders ſey der Hum- mel wie wuͤthend hinter ihm geweſen, habe
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§. 51.
Es war ſeine Speiſe, daß er hoͤre
und thue den Willen ſeines
Vaters im Himmel.
Beym Mittageſſen ließ Arner den Renold
zu ſich ins Pfarrhaus kommen, und
bath ihn, ihm die Geſchichte des Bamber-
gers weitlaͤuftig zu erzaͤhlen.
Es entfiel dem Renold eine Thraͤne, da
der Junker dieſes foderte; denn der Bam-
berger war ihm von Jugend auf lieb, und
er konnte ihm dieſes Opfer der Wehmuth
nicht vorenthalten. Dann erzaͤhlte er, wie
der Bamberger von Kindsbeinen auf ſo ge-
rade und treu geweſen, daß er um deßwillen
hundertmal fuͤr einen Narren gehalten wor-
den — daß er aber doch bis in ſein fuͤnf
und dreyßigſtes Jahr ſtill, ruhig und unge-
kraͤnkt gelebt, in welchem Jahr ihn der al-
te Junker ſel. zum Vorgeſezten gemacht. —
Von dieſer Zeit an habe er keinen Augenblik
mehr in Fried und Ruhe leben koͤnnen, und
ſey immer mit allen Mitvorgeſezten im Streit
geweſen, weil er nie zu nichts, das nicht
den geraden Weg war, Hand biethen, und
Ja ſagen wollte; beſonders ſey der Hum-
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/208>, abgerufen am 23.11.2024.
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