an Leib und Seel alles Gute angewünscht" -- sagte izt der Pfarrer.
Der Vogt sah ihn mit offenen steiffen Au- gen an, und zeigte ohne zu reden aus seinem starren Blik, daß er das nicht glaube, was der Pfarrer sagte.
Dieser sah es, und sagte dann wieder: "Vogt, du must an dem, was ich sage, nicht zweifeln -- Der Rudi ist völlig um deßwillen da, dir es zu sagen, was sie ihm deinetwegen auf dem Todbett befohlen." --
Da wandte sich der Vogt an den Rudi, und sagte mit Wehmuth und Aengstlichkeit: "Hat sie dir auf ihrem Todbett meinetwegen etwas befohlen?
Rudi. Ja, Vogt, und es wird dich ge- wiß freuen, ich will dirs mit ihren Worten sagen.
Vogt. Sags doch -- sags doch!
Rudi. Sie sagte: Wenn ich todt bin, und begraben, so gehe zum Vogt hin, und sag ihm, daß ich mit versöhntem Herzen ge- gen ihn gestorben, und Gott bethe, daß es ihm wohl gehe, und er noch zur Erkenntniß seiner selbst komme, eh denn er von hinnen scheide.
Der Vogt stand eine Weile sprachlos -- Thränen fielen von seinen Augen -- dann sagte er:
"Lohn's
G
an Leib und Seel alles Gute angewuͤnſcht“ — ſagte izt der Pfarrer.
Der Vogt ſah ihn mit offenen ſteiffen Au- gen an, und zeigte ohne zu reden aus ſeinem ſtarren Blik, daß er das nicht glaube, was der Pfarrer ſagte.
Dieſer ſah es, und ſagte dann wieder: „Vogt, du muſt an dem, was ich ſage, nicht zweifeln — Der Rudi iſt voͤllig um deßwillen da, dir es zu ſagen, was ſie ihm deinetwegen auf dem Todbett befohlen.“ —
Da wandte ſich der Vogt an den Rudi, und ſagte mit Wehmuth und Aengſtlichkeit: „Hat ſie dir auf ihrem Todbett meinetwegen etwas befohlen?
Rudi. Ja, Vogt, und es wird dich ge- wiß freuen, ich will dirs mit ihren Worten ſagen.
Vogt. Sags doch — ſags doch!
Rudi. Sie ſagte: Wenn ich todt bin, und begraben, ſo gehe zum Vogt hin, und ſag ihm, daß ich mit verſoͤhntem Herzen ge- gen ihn geſtorben, und Gott bethe, daß es ihm wohl gehe, und er noch zur Erkenntniß ſeiner ſelbſt komme, eh denn er von hinnen ſcheide.
Der Vogt ſtand eine Weile ſprachlos — Thraͤnen fielen von ſeinen Augen — dann ſagte er:
„Lohn's
G
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an Leib und Seel alles Gute angewuͤnſcht“
— ſagte izt der Pfarrer.
Der Vogt ſah ihn mit offenen ſteiffen Au-
gen an, und zeigte ohne zu reden aus ſeinem
ſtarren Blik, daß er das nicht glaube, was
der Pfarrer ſagte.
Dieſer ſah es, und ſagte dann wieder:
„Vogt, du muſt an dem, was ich ſage,
nicht zweifeln — Der Rudi iſt voͤllig um
deßwillen da, dir es zu ſagen, was ſie ihm
deinetwegen auf dem Todbett befohlen.“ —
Da wandte ſich der Vogt an den Rudi,
und ſagte mit Wehmuth und Aengſtlichkeit:
„Hat ſie dir auf ihrem Todbett meinetwegen
etwas befohlen?
Rudi. Ja, Vogt, und es wird dich ge-
wiß freuen, ich will dirs mit ihren Worten
ſagen.
Vogt. Sags doch — ſags doch!
Rudi. Sie ſagte: Wenn ich todt bin,
und begraben, ſo gehe zum Vogt hin, und
ſag ihm, daß ich mit verſoͤhntem Herzen ge-
gen ihn geſtorben, und Gott bethe, daß es
ihm wohl gehe, und er noch zur Erkenntniß
ſeiner ſelbſt komme, eh denn er von hinnen
ſcheide.
Der Vogt ſtand eine Weile ſprachlos —
Thraͤnen fielen von ſeinen Augen — dann
ſagte er:
„Lohn's
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/115>, abgerufen am 26.06.2024.
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