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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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Gertrud. O, du erzählest nicht recht, Lien-
hard! ich weiß, er hat nicht so angefangen.

Lienhard. Warum das nicht, du Schnabel!
wie denn anders?

Gertrud. Du hast ihn zu erst gegrüßt, und
er hat dann gedankt. Wie habt ihr das gemacht?

Lienhard. Du Hexli! du hast doch recht; ich
habe nicht von vornen angefangen.

Gertrud. Gelt, Lienj!

Lienhard. Nun, er frug mich, so bald er
mich sah, ob ich ihn nicht mehr fürchtete? Ich bückte
mich so tief und so gut ich konnte, und sagte: Ver-
zeih er mir, Gnädiger Herr! Er lachte, und ließ
mir gleich einen Krug Wein vorsetzen.

Gertrud. Nun, das ist doch wirklich ein ganz
andrer Anfang. Warst du fein bald fertig mit
dem Krug? Ohne Zweifel.

Lienhard. Nein, Frau. Ich that so züchtig,
wie eine Braut, und ich wollte ihn nicht anrühren;
Aber er verstuhnd's anders. Ich weiß wohl, daß
du den Wein auch kennest, schenk dir nur ein, sagte
er. Ich that sachte, was er sagte, trank eins
auf sein Wohlseyn; Aber er sah mich so steif an,
daß mir das Glas am Mund zitterte.

Gertrud. Das gute Gewissen, Lienj! das
kam dir eben jezt in die Finger; aber du hast dich
doch wieder vom Schrecken erholt?

Lien-

Gertrud. O, du erzaͤhleſt nicht recht, Lien-
hard! ich weiß, er hat nicht ſo angefangen.

Lienhard. Warum das nicht, du Schnabel!
wie denn anders?

Gertrud. Du haſt ihn zu erſt gegruͤßt, und
er hat dann gedankt. Wie habt ihr das gemacht?

Lienhard. Du Hexli! du haſt doch recht; ich
habe nicht von vornen angefangen.

Gertrud. Gelt, Lienj!

Lienhard. Nun, er frug mich, ſo bald er
mich ſah, ob ich ihn nicht mehr fuͤrchtete? Ich buͤckte
mich ſo tief und ſo gut ich konnte, und ſagte: Ver-
zeih er mir, Gnaͤdiger Herr! Er lachte, und ließ
mir gleich einen Krug Wein vorſetzen.

Gertrud. Nun, das iſt doch wirklich ein ganz
andrer Anfang. Warſt du fein bald fertig mit
dem Krug? Ohne Zweifel.

Lienhard. Nein, Frau. Ich that ſo zuͤchtig,
wie eine Braut, und ich wollte ihn nicht anruͤhren;
Aber er verſtuhnd’s anders. Ich weiß wohl, daß
du den Wein auch kenneſt, ſchenk dir nur ein, ſagte
er. Ich that ſachte, was er ſagte, trank eins
auf ſein Wohlſeyn; Aber er ſah mich ſo ſteif an,
daß mir das Glas am Mund zitterte.

Gertrud. Das gute Gewiſſen, Lienj! das
kam dir eben jezt in die Finger; aber du haſt dich
doch wieder vom Schrecken erholt?

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[74/0099] Gertrud. O, du erzaͤhleſt nicht recht, Lien- hard! ich weiß, er hat nicht ſo angefangen. Lienhard. Warum das nicht, du Schnabel! wie denn anders? Gertrud. Du haſt ihn zu erſt gegruͤßt, und er hat dann gedankt. Wie habt ihr das gemacht? Lienhard. Du Hexli! du haſt doch recht; ich habe nicht von vornen angefangen. Gertrud. Gelt, Lienj! Lienhard. Nun, er frug mich, ſo bald er mich ſah, ob ich ihn nicht mehr fuͤrchtete? Ich buͤckte mich ſo tief und ſo gut ich konnte, und ſagte: Ver- zeih er mir, Gnaͤdiger Herr! Er lachte, und ließ mir gleich einen Krug Wein vorſetzen. Gertrud. Nun, das iſt doch wirklich ein ganz andrer Anfang. Warſt du fein bald fertig mit dem Krug? Ohne Zweifel. Lienhard. Nein, Frau. Ich that ſo zuͤchtig, wie eine Braut, und ich wollte ihn nicht anruͤhren; Aber er verſtuhnd’s anders. Ich weiß wohl, daß du den Wein auch kenneſt, ſchenk dir nur ein, ſagte er. Ich that ſachte, was er ſagte, trank eins auf ſein Wohlſeyn; Aber er ſah mich ſo ſteif an, daß mir das Glas am Mund zitterte. Gertrud. Das gute Gewiſſen, Lienj! das kam dir eben jezt in die Finger; aber du haſt dich doch wieder vom Schrecken erholt? Lien-

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/99>, abgerufen am 27.11.2024.