Nickel. Nein! ich weiß wohl, daß du den Handel gewonnen hast; aber auch wie!
Vogt. Vielleicht, vielleicht nicht.
Nickel. Behüte Gott alle Menschen, die arm sind vor der Feder.
Vogt. Du hast recht. Es sollten nur Ehren- leute und wohlhabende Männer schreiben dürfen, vor Audienz. Das wär gewiß gut; aber es wäre noch mehr gut, Nickel! Was machen? man muß eben mit allem zufrieden seyn, wie es ist.
Nickel. Vogt; dein weiser Spruch da mah- net mich an eine Fabel die ich von einem Pilgrim hörte. Es war einer aus dem Elsaß. Er er- zählte vor einem ganzen Tisch Leute: Es habe ein Einsiedler in einem Fabelbuch die ganze Welt abgemahlt, und er könne das Buch fast aus- wendig. Da baten wir ihn, er solle uns auch ei- ne von diesen Fabeln erzählen, und da erzählte er uns eben die, an die du mich mahnest.
Vogt. Nun was ist sie denn, du Plauderer? --
Nickel. Sie heißt -- ich kann sie zum Glück noch --
"Es klagte und jammerte das Schaf, daß "der Wolf, der Fuchs, der Hund und der Metz- "ger es so schrecklich quälten -- Ein Fuchs, der "eben vor dem Stall stuhnd, hörte die Klage -- "und sagte zum Schaf: Man muß immer zufrie- "den seyn mit der weisen Ordnung, die in der Welt
"ist --
Nickel. Nein! ich weiß wohl, daß du den Handel gewonnen haſt; aber auch wie!
Vogt. Vielleicht, vielleicht nicht.
Nickel. Behuͤte Gott alle Menſchen, die arm ſind vor der Feder.
Vogt. Du haſt recht. Es ſollten nur Ehren- leute und wohlhabende Maͤnner ſchreiben duͤrfen, vor Audienz. Das waͤr gewiß gut; aber es waͤre noch mehr gut, Nickel! Was machen? man muß eben mit allem zufrieden ſeyn, wie es iſt.
Nickel. Vogt; dein weiſer Spruch da mah- net mich an eine Fabel die ich von einem Pilgrim hoͤrte. Es war einer aus dem Elſaß. Er er- zaͤhlte vor einem ganzen Tiſch Leute: Es habe ein Einſiedler in einem Fabelbuch die ganze Welt abgemahlt, und er koͤnne das Buch faſt aus- wendig. Da baten wir ihn, er ſolle uns auch ei- ne von dieſen Fabeln erzaͤhlen, und da erzaͤhlte er uns eben die, an die du mich mahneſt.
Vogt. Nun was iſt ſie denn, du Plauderer? —
Nickel. Sie heißt — ich kann ſie zum Gluͤck noch —
“Es klagte und jammerte das Schaf, daß „der Wolf, der Fuchs, der Hund und der Metz- „ger es ſo ſchrecklich quaͤlten — Ein Fuchs, der „eben vor dem Stall ſtuhnd, hoͤrte die Klage — „und ſagte zum Schaf: Man muß immer zufrie- „den ſeyn mit der weiſen Ordnung, die in der Welt
„iſt —
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Nickel. Nein! ich weiß wohl, daß du den
Handel gewonnen haſt; aber auch wie!
Vogt. Vielleicht, vielleicht nicht.
Nickel. Behuͤte Gott alle Menſchen, die arm
ſind vor der Feder.
Vogt. Du haſt recht. Es ſollten nur Ehren-
leute und wohlhabende Maͤnner ſchreiben duͤrfen,
vor Audienz. Das waͤr gewiß gut; aber es waͤre
noch mehr gut, Nickel! Was machen? man muß
eben mit allem zufrieden ſeyn, wie es iſt.
Nickel. Vogt; dein weiſer Spruch da mah-
net mich an eine Fabel die ich von einem Pilgrim
hoͤrte. Es war einer aus dem Elſaß. Er er-
zaͤhlte vor einem ganzen Tiſch Leute: Es habe
ein Einſiedler in einem Fabelbuch die ganze Welt
abgemahlt, und er koͤnne das Buch faſt aus-
wendig. Da baten wir ihn, er ſolle uns auch ei-
ne von dieſen Fabeln erzaͤhlen, und da erzaͤhlte
er uns eben die, an die du mich mahneſt.
Vogt. Nun was iſt ſie denn, du Plauderer? —
Nickel. Sie heißt — ich kann ſie zum Gluͤck
noch —
“Es klagte und jammerte das Schaf, daß
„der Wolf, der Fuchs, der Hund und der Metz-
„ger es ſo ſchrecklich quaͤlten — Ein Fuchs, der
„eben vor dem Stall ſtuhnd, hoͤrte die Klage —
„und ſagte zum Schaf: Man muß immer zufrie-
„den ſeyn mit der weiſen Ordnung, die in der Welt
„iſt —
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/65>, abgerufen am 06.05.2024.
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