Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

hattest ja mit ein Paaren öffentlich Händel, daß
das Geld nicht wieder zurück kommen wollte.

Vogt. Du Narr, du weißst auch gar noch
alles!

Nickel. Noch viel mehr, als das, weiß ich
noch. Ich weiß noch, wie du mit des Rudis
Vater gedrölt -- und wie ich dich da neben dem
Hundstall unter den Strohwellen auf dem Bauch
liegend vor des Rudis Fenstern antraf. Sein An-
wald war eben bey ihm; bis um zwey Uhr am
Morgen horchtest du auf deinem Bauch, was in der
Stube geredt wurde. Ich hatte eben die Nacht-
wache -- und eine ganze Woche war mir der Wein
frey bey dir, daß ich schwiege.

Vogt. Du bist ein Ketzer; daß du das sagst,
es ist kein Wort wahr, und du würdest schön ste-
hen, wenn du's beweisen müßtest.

Nickel. Vom beweisen ist jezt nicht die Rede,
aber ob's wahr sey, weißst du wohl.

Vogt. Es ist gut, daß du's einsteckst *) --

Nickel. Der Teufel gab dir das in Sinn,
unter dem Stroh in tiefer Nacht zu horchen;
du hörtest alle Worte, und hattest da gut mit dem
Schreiber deine eigene Aussage zu verdrehen.

Vogt. Was du auch redest?

Nickel. Was ich auch rede? Hätte der Schrei-
ber nicht vor der Audienz deine Aussage verändert,

so
*) zurücknimmst --

hatteſt ja mit ein Paaren oͤffentlich Haͤndel, daß
das Geld nicht wieder zuruͤck kommen wollte.

Vogt. Du Narr, du weißſt auch gar noch
alles!

Nickel. Noch viel mehr, als das, weiß ich
noch. Ich weiß noch, wie du mit des Rudis
Vater gedroͤlt — und wie ich dich da neben dem
Hundſtall unter den Strohwellen auf dem Bauch
liegend vor des Rudis Fenſtern antraf. Sein An-
wald war eben bey ihm; bis um zwey Uhr am
Morgen horchteſt du auf deinem Bauch, was in der
Stube geredt wurde. Ich hatte eben die Nacht-
wache — und eine ganze Woche war mir der Wein
frey bey dir, daß ich ſchwiege.

Vogt. Du biſt ein Ketzer; daß du das ſagſt,
es iſt kein Wort wahr, und du wuͤrdeſt ſchoͤn ſte-
hen, wenn du’s beweiſen muͤßteſt.

Nickel. Vom beweiſen iſt jezt nicht die Rede,
aber ob’s wahr ſey, weißſt du wohl.

Vogt. Es iſt gut, daß du’s einſteckſt *)

Nickel. Der Teufel gab dir das in Sinn,
unter dem Stroh in tiefer Nacht zu horchen;
du hoͤrteſt alle Worte, und hatteſt da gut mit dem
Schreiber deine eigene Ausſage zu verdrehen.

Vogt. Was du auch redeſt?

Nickel. Was ich auch rede? Haͤtte der Schrei-
ber nicht vor der Audienz deine Ausſage veraͤndert,

ſo
*) zuruͤcknimmſt —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0063" n="40"/>
hatte&#x017F;t ja mit ein Paaren o&#x0364;ffentlich Ha&#x0364;ndel, daß<lb/>
das Geld nicht wieder zuru&#x0364;ck kommen wollte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vogt.</hi> Du Narr, du weiß&#x017F;t auch gar noch<lb/>
alles!</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Nickel.</hi> Noch viel mehr, als das, weiß ich<lb/>
noch. Ich weiß noch, wie du mit des Rudis<lb/>
Vater gedro&#x0364;lt &#x2014; und wie ich dich da neben dem<lb/>
Hund&#x017F;tall unter den Strohwellen auf dem Bauch<lb/>
liegend vor des Rudis Fen&#x017F;tern antraf. Sein An-<lb/>
wald war eben bey ihm; bis um zwey Uhr am<lb/>
Morgen horchte&#x017F;t du auf deinem Bauch, was in der<lb/>
Stube geredt wurde. Ich hatte eben die Nacht-<lb/>
wache &#x2014; und eine ganze Woche war mir der Wein<lb/>
frey bey dir, daß ich &#x017F;chwiege.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vogt.</hi> Du bi&#x017F;t ein Ketzer; daß du das &#x017F;ag&#x017F;t,<lb/>
es i&#x017F;t kein Wort wahr, und du wu&#x0364;rde&#x017F;t &#x017F;cho&#x0364;n &#x017F;te-<lb/>
hen, wenn du&#x2019;s bewei&#x017F;en mu&#x0364;ßte&#x017F;t.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Nickel.</hi> Vom bewei&#x017F;en i&#x017F;t jezt nicht die Rede,<lb/>
aber ob&#x2019;s wahr &#x017F;ey, weiß&#x017F;t du wohl.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vogt.</hi> Es i&#x017F;t gut, daß du&#x2019;s ein&#x017F;teck&#x017F;t <note place="foot" n="*)">zuru&#x0364;cknimm&#x017F;t &#x2014;</note> &#x2014;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Nickel.</hi> Der Teufel gab dir das in Sinn,<lb/>
unter dem Stroh in tiefer Nacht zu horchen;<lb/>
du ho&#x0364;rte&#x017F;t alle Worte, und hatte&#x017F;t da gut mit dem<lb/>
Schreiber deine eigene Aus&#x017F;age zu verdrehen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vogt.</hi> Was du auch rede&#x017F;t?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Nickel.</hi> Was ich auch rede? Ha&#x0364;tte der Schrei-<lb/>
ber nicht vor der Audienz deine Aus&#x017F;age vera&#x0364;ndert,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0063] hatteſt ja mit ein Paaren oͤffentlich Haͤndel, daß das Geld nicht wieder zuruͤck kommen wollte. Vogt. Du Narr, du weißſt auch gar noch alles! Nickel. Noch viel mehr, als das, weiß ich noch. Ich weiß noch, wie du mit des Rudis Vater gedroͤlt — und wie ich dich da neben dem Hundſtall unter den Strohwellen auf dem Bauch liegend vor des Rudis Fenſtern antraf. Sein An- wald war eben bey ihm; bis um zwey Uhr am Morgen horchteſt du auf deinem Bauch, was in der Stube geredt wurde. Ich hatte eben die Nacht- wache — und eine ganze Woche war mir der Wein frey bey dir, daß ich ſchwiege. Vogt. Du biſt ein Ketzer; daß du das ſagſt, es iſt kein Wort wahr, und du wuͤrdeſt ſchoͤn ſte- hen, wenn du’s beweiſen muͤßteſt. Nickel. Vom beweiſen iſt jezt nicht die Rede, aber ob’s wahr ſey, weißſt du wohl. Vogt. Es iſt gut, daß du’s einſteckſt *) — Nickel. Der Teufel gab dir das in Sinn, unter dem Stroh in tiefer Nacht zu horchen; du hoͤrteſt alle Worte, und hatteſt da gut mit dem Schreiber deine eigene Ausſage zu verdrehen. Vogt. Was du auch redeſt? Nickel. Was ich auch rede? Haͤtte der Schrei- ber nicht vor der Audienz deine Ausſage veraͤndert, ſo *) zuruͤcknimmſt —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/63
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/63>, abgerufen am 27.11.2024.