fihlt dann der Herr Vogt -- Es ist ganz sonderbar, daß er einem so schlechten Haus näher, als ans Fenster kommt --
Hummel verbarg seinen Zorn, lächelte, und sagte: Es ist wahr, ich hätte eine so gute Küche hier nicht erwartet; sonst hätte ich vielleicht mehr zugesprochen.
Das erbitterte Gertrud. Vogt! antwortete sie ihm, du riechst unser Nachtessen, und miß- gönst es uns; du solltest dich schämen, einem armen Mann ein Nachtessen, das er liebt und vielleicht im Jahr nicht dreymal hat, zu verbittern. -- Es ist nicht so bös gemeynt, antwortete der Vogt, im- mer noch lächelnd. Eine Weile darauf aber setzte er etwas ernsthafter hinzu: Du bist gar zu trotzig, Gertrud; das steht armen Leuten nicht wohl an. Du solltest wol denken, ihr gienget mich vielleicht auch etwas an; -- doch ich will jezt nicht hievon anfangen. Ich bin deinem Mann immer gut; und wenn ich ihm dienen kann, so thue ich's; darvon kann ich Proben geben.
Gertrud. Vogt! -- Mein Mann wird alle Tage in deinem Wirthshaus zum Spiel und zum Trunke verführt -- und denn muß ich daheim mit meinen Kindern alles mögliche Elend erdulden; das ist der Dienst, den wir von dir zu rühmen haben.
Hum-
B 2
fihlt dann der Herr Vogt — Es iſt ganz ſonderbar, daß er einem ſo ſchlechten Haus naͤher, als ans Fenſter kommt —
Hummel verbarg ſeinen Zorn, laͤchelte, und ſagte: Es iſt wahr, ich haͤtte eine ſo gute Kuͤche hier nicht erwartet; ſonſt haͤtte ich vielleicht mehr zugeſprochen.
Das erbitterte Gertrud. Vogt! antwortete ſie ihm, du riechſt unſer Nachteſſen, und miß- goͤnſt es uns; du ſollteſt dich ſchaͤmen, einem armen Mann ein Nachteſſen, das er liebt und vielleicht im Jahr nicht dreymal hat, zu verbittern. — Es iſt nicht ſo boͤs gemeynt, antwortete der Vogt, im- mer noch laͤchelnd. Eine Weile darauf aber ſetzte er etwas ernſthafter hinzu: Du biſt gar zu trotzig, Gertrud; das ſteht armen Leuten nicht wohl an. Du ſollteſt wol denken, ihr gienget mich vielleicht auch etwas an; — doch ich will jezt nicht hievon anfangen. Ich bin deinem Mann immer gut; und wenn ich ihm dienen kann, ſo thue ich’s; darvon kann ich Proben geben.
Gertrud. Vogt! — Mein Mann wird alle Tage in deinem Wirthshaus zum Spiel und zum Trunke verfuͤhrt — und denn muß ich daheim mit meinen Kindern alles moͤgliche Elend erdulden; das iſt der Dienſt, den wir von dir zu ruͤhmen haben.
Hum-
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fihlt dann der Herr Vogt — Es iſt ganz ſonderbar,
daß er einem ſo ſchlechten Haus naͤher, als ans
Fenſter kommt —
Hummel verbarg ſeinen Zorn, laͤchelte, und
ſagte: Es iſt wahr, ich haͤtte eine ſo gute Kuͤche
hier nicht erwartet; ſonſt haͤtte ich vielleicht mehr
zugeſprochen.
Das erbitterte Gertrud. Vogt! antwortete ſie
ihm, du riechſt unſer Nachteſſen, und miß-
goͤnſt es uns; du ſollteſt dich ſchaͤmen, einem armen
Mann ein Nachteſſen, das er liebt und vielleicht im
Jahr nicht dreymal hat, zu verbittern. — Es iſt
nicht ſo boͤs gemeynt, antwortete der Vogt, im-
mer noch laͤchelnd. Eine Weile darauf aber ſetzte
er etwas ernſthafter hinzu: Du biſt gar zu trotzig,
Gertrud; das ſteht armen Leuten nicht wohl an.
Du ſollteſt wol denken, ihr gienget mich vielleicht
auch etwas an; — doch ich will jezt nicht hievon
anfangen. Ich bin deinem Mann immer gut;
und wenn ich ihm dienen kann, ſo thue ich’s;
darvon kann ich Proben geben.
Gertrud. Vogt! — Mein Mann wird alle
Tage in deinem Wirthshaus zum Spiel und zum
Trunke verfuͤhrt — und denn muß ich daheim mit
meinen Kindern alles moͤgliche Elend erdulden;
das iſt der Dienſt, den wir von dir zu ruͤhmen
haben.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/42>, abgerufen am 21.11.2024.
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