Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Rudeli aber nimmt seinen Vater beym Arm,
und sagt ihm in's Ohr: Vater! ich bring doch der
Gertrud auch etwas -- Ja, sagt der Rudi; aber
wart nur.

Arner hatte das Wort Gertrud gehört, und fragte
den Rudi: Was sagt der Kleine von Gertrud?

Da erzählte der Rudi dem Arner von den ge-
stohlenen Erdäpfeln -- von dem Todbett seiner Mut-
ter -- von der Güte des Lienhards und der Ger-
trud; und wie selbst die Schuhe und Strümpfe, die
er trage, von ihnen seyn.

Dann setzte er hinzu: Gnädiger Herr! der Tag
ist mir so gesegnet; aber ich könnte mit Freuden
keinen Mund voll essen, wenn ich diese Leute nicht
einladen dürfte.

Wie das Arner gelobt -- wie dann die Frauen
die stillen Thaten einer armen Mäurerinn -- wie sie
das erhabene Todbett der Cathrine mit Thränen be-
wunderten -- Wie dann der Rudeli mit klopfendem
Herzen zu Lienhard und Gertrud gelaufen, sie ein-
zuladen -- und wie diese mit ihren Kindern beschämt
mit niedergeschlagenen Augen, nicht auf des Ru-
delis Bericht, sondern auf Arners Befehl, der sei-
nen Claus nachgeschickt hatte, endlich kamen --
auch wie Carl für den Rudeli vom Papa, und
Emilie für Gritte und Lise von der Mama Schuh
und Strümpfe und abgelegte Kleider erbaten -- auch

wie

Der Rudeli aber nimmt ſeinen Vater beym Arm,
und ſagt ihm in’s Ohr: Vater! ich bring doch der
Gertrud auch etwas — Ja, ſagt der Rudi; aber
wart nur.

Arner hatte das Wort Gertrud gehoͤrt, und fragte
den Rudi: Was ſagt der Kleine von Gertrud?

Da erzaͤhlte der Rudi dem Arner von den ge-
ſtohlenen Erdaͤpfeln — von dem Todbett ſeiner Mut-
ter — von der Guͤte des Lienhards und der Ger-
trud; und wie ſelbſt die Schuhe und Struͤmpfe, die
er trage, von ihnen ſeyn.

Dann ſetzte er hinzu: Gnaͤdiger Herr! der Tag
iſt mir ſo geſegnet; aber ich koͤnnte mit Freuden
keinen Mund voll eſſen, wenn ich dieſe Leute nicht
einladen duͤrfte.

Wie das Arner gelobt — wie dann die Frauen
die ſtillen Thaten einer armen Maͤurerinn — wie ſie
das erhabene Todbett der Cathrine mit Thraͤnen be-
wunderten — Wie dann der Rudeli mit klopfendem
Herzen zu Lienhard und Gertrud gelaufen, ſie ein-
zuladen — und wie dieſe mit ihren Kindern beſchaͤmt
mit niedergeſchlagenen Augen, nicht auf des Ru-
delis Bericht, ſondern auf Arners Befehl, der ſei-
nen Claus nachgeſchickt hatte, endlich kamen —
auch wie Carl fuͤr den Rudeli vom Papa, und
Emilie fuͤr Gritte und Liſe von der Mama Schuh
und Struͤmpfe und abgelegte Kleider erbaten — auch

wie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <pb facs="#f0401" n="376"/>
        <p>Der Rudeli aber nimmt &#x017F;einen Vater beym Arm,<lb/>
und &#x017F;agt ihm in&#x2019;s Ohr: Vater! ich bring doch der<lb/>
Gertrud auch etwas &#x2014; Ja, &#x017F;agt der Rudi; aber<lb/>
wart nur.</p><lb/>
        <p>Arner hatte das Wort Gertrud geho&#x0364;rt, und fragte<lb/>
den Rudi: Was &#x017F;agt der Kleine von Gertrud?</p><lb/>
        <p>Da erza&#x0364;hlte der Rudi dem Arner von den ge-<lb/>
&#x017F;tohlenen Erda&#x0364;pfeln &#x2014; von dem Todbett &#x017F;einer Mut-<lb/>
ter &#x2014; von der Gu&#x0364;te des Lienhards und der Ger-<lb/>
trud; und wie &#x017F;elb&#x017F;t die Schuhe und Stru&#x0364;mpfe, die<lb/>
er trage, von ihnen &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>Dann &#x017F;etzte er hinzu: Gna&#x0364;diger Herr! der Tag<lb/>
i&#x017F;t mir &#x017F;o ge&#x017F;egnet; aber ich ko&#x0364;nnte mit Freuden<lb/>
keinen Mund voll e&#x017F;&#x017F;en, wenn ich die&#x017F;e Leute nicht<lb/>
einladen du&#x0364;rfte.</p><lb/>
        <p>Wie das Arner gelobt &#x2014; wie dann die Frauen<lb/>
die &#x017F;tillen Thaten einer armen Ma&#x0364;urerinn &#x2014; wie &#x017F;ie<lb/>
das erhabene Todbett der Cathrine mit Thra&#x0364;nen be-<lb/>
wunderten &#x2014; Wie dann der Rudeli mit klopfendem<lb/>
Herzen zu Lienhard und Gertrud gelaufen, &#x017F;ie ein-<lb/>
zuladen &#x2014; und wie die&#x017F;e mit ihren Kindern be&#x017F;cha&#x0364;mt<lb/>
mit niederge&#x017F;chlagenen Augen, nicht auf des Ru-<lb/>
delis Bericht, &#x017F;ondern auf Arners Befehl, der &#x017F;ei-<lb/>
nen Claus nachge&#x017F;chickt hatte, endlich kamen &#x2014;<lb/>
auch wie Carl fu&#x0364;r den Rudeli vom Papa, und<lb/>
Emilie fu&#x0364;r Gritte und Li&#x017F;e von der Mama Schuh<lb/>
und Stru&#x0364;mpfe und abgelegte Kleider erbaten &#x2014; auch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wie</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[376/0401] Der Rudeli aber nimmt ſeinen Vater beym Arm, und ſagt ihm in’s Ohr: Vater! ich bring doch der Gertrud auch etwas — Ja, ſagt der Rudi; aber wart nur. Arner hatte das Wort Gertrud gehoͤrt, und fragte den Rudi: Was ſagt der Kleine von Gertrud? Da erzaͤhlte der Rudi dem Arner von den ge- ſtohlenen Erdaͤpfeln — von dem Todbett ſeiner Mut- ter — von der Guͤte des Lienhards und der Ger- trud; und wie ſelbſt die Schuhe und Struͤmpfe, die er trage, von ihnen ſeyn. Dann ſetzte er hinzu: Gnaͤdiger Herr! der Tag iſt mir ſo geſegnet; aber ich koͤnnte mit Freuden keinen Mund voll eſſen, wenn ich dieſe Leute nicht einladen duͤrfte. Wie das Arner gelobt — wie dann die Frauen die ſtillen Thaten einer armen Maͤurerinn — wie ſie das erhabene Todbett der Cathrine mit Thraͤnen be- wunderten — Wie dann der Rudeli mit klopfendem Herzen zu Lienhard und Gertrud gelaufen, ſie ein- zuladen — und wie dieſe mit ihren Kindern beſchaͤmt mit niedergeſchlagenen Augen, nicht auf des Ru- delis Bericht, ſondern auf Arners Befehl, der ſei- nen Claus nachgeſchickt hatte, endlich kamen — auch wie Carl fuͤr den Rudeli vom Papa, und Emilie fuͤr Gritte und Liſe von der Mama Schuh und Struͤmpfe und abgelegte Kleider erbaten — auch wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/401
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/401>, abgerufen am 03.05.2024.