Der Wüst aber fieng wieder an, und sagte: Herr Pfarrer! ich habe noch etwas anzubringen.
Pfarrer. Was denn?
Wüst. Ich bin seit dem Handel dem Vogt noch acht Gulden schuldig. Er sagte zwar vorge- stern, er wolle die Handschrift zerreissen; aber ich will nicht, daß er mir etwas schenke, ich will ihn bezahlen.
Pfarrer. Du hast Recht; das muß unum- gänglich seyn, und noch ehe du Arnern die Sache entdeckest.
Wüst. Ich habe unten im Haus einen Bün- del; es ist mein Sonntagsrock und noch etwas da- rinnen, das zusammen wohl die acht Gulden werth ist. Ich muß in Gottes Namen die acht Gulden entlehnen, und ich habe gedacht, ihr zürnet es nicht, wenn ich euch bitte, daß ihr mir sie gegen dieses Pfand vorstrecket.
Pfarrer. Ich nehme nie keine Sicherheit von Jemand, und oft muß ich so etwas abschlagen, so weh es mir auch thut; aber in deinem Fall schlage ich es nicht ab. Sogleich giebt er ihm das Geld, und sagt: Trag es alsobald zum Vogt hin, und deinen Bündel, den nimm nur wieder mit dir heim.
§. 65.
S 4
Der Wuͤſt aber fieng wieder an, und ſagte: Herr Pfarrer! ich habe noch etwas anzubringen.
Pfarrer. Was denn?
Wuͤſt. Ich bin ſeit dem Handel dem Vogt noch acht Gulden ſchuldig. Er ſagte zwar vorge- ſtern, er wolle die Handſchrift zerreiſſen; aber ich will nicht, daß er mir etwas ſchenke, ich will ihn bezahlen.
Pfarrer. Du haſt Recht; das muß unum- gaͤnglich ſeyn, und noch ehe du Arnern die Sache entdeckeſt.
Wuͤſt. Ich habe unten im Haus einen Buͤn- del; es iſt mein Sonntagsrock und noch etwas da- rinnen, das zuſammen wohl die acht Gulden werth iſt. Ich muß in Gottes Namen die acht Gulden entlehnen, und ich habe gedacht, ihr zuͤrnet es nicht, wenn ich euch bitte, daß ihr mir ſie gegen dieſes Pfand vorſtrecket.
Pfarrer. Ich nehme nie keine Sicherheit von Jemand, und oft muß ich ſo etwas abſchlagen, ſo weh es mir auch thut; aber in deinem Fall ſchlage ich es nicht ab. Sogleich giebt er ihm das Geld, und ſagt: Trag es alſobald zum Vogt hin, und deinen Buͤndel, den nimm nur wieder mit dir heim.
§. 65.
S 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0304"n="279"/><p>Der Wuͤſt aber fieng wieder an, und ſagte:<lb/>
Herr Pfarrer! ich habe noch etwas anzubringen.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Pfarrer.</hi> Was denn?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Wuͤſt.</hi> Ich bin ſeit dem Handel dem Vogt<lb/>
noch acht Gulden ſchuldig. Er ſagte zwar vorge-<lb/>ſtern, er wolle die Handſchrift zerreiſſen; aber ich<lb/>
will nicht, daß er mir etwas ſchenke, ich will ihn<lb/>
bezahlen.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Pfarrer.</hi> Du haſt Recht; das muß unum-<lb/>
gaͤnglich ſeyn, und noch ehe du Arnern die Sache<lb/>
entdeckeſt.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Wuͤſt.</hi> Ich habe unten im Haus einen Buͤn-<lb/>
del; es iſt mein Sonntagsrock und noch etwas da-<lb/>
rinnen, das zuſammen wohl die acht Gulden werth<lb/>
iſt. Ich muß in Gottes Namen die acht Gulden<lb/>
entlehnen, und ich habe gedacht, ihr zuͤrnet es nicht,<lb/>
wenn ich euch bitte, daß ihr mir ſie gegen dieſes<lb/>
Pfand vorſtrecket.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Pfarrer.</hi> Ich nehme nie keine Sicherheit von<lb/>
Jemand, und oft muß ich ſo etwas abſchlagen, ſo<lb/>
weh es mir auch thut; aber in deinem Fall ſchlage<lb/>
ich es nicht ab. Sogleich giebt er ihm das Geld,<lb/>
und ſagt: Trag es alſobald zum Vogt hin, und<lb/>
deinen Buͤndel, den nimm nur wieder mit dir<lb/>
heim.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="sig">S 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">§. 65.</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[279/0304]
Der Wuͤſt aber fieng wieder an, und ſagte:
Herr Pfarrer! ich habe noch etwas anzubringen.
Pfarrer. Was denn?
Wuͤſt. Ich bin ſeit dem Handel dem Vogt
noch acht Gulden ſchuldig. Er ſagte zwar vorge-
ſtern, er wolle die Handſchrift zerreiſſen; aber ich
will nicht, daß er mir etwas ſchenke, ich will ihn
bezahlen.
Pfarrer. Du haſt Recht; das muß unum-
gaͤnglich ſeyn, und noch ehe du Arnern die Sache
entdeckeſt.
Wuͤſt. Ich habe unten im Haus einen Buͤn-
del; es iſt mein Sonntagsrock und noch etwas da-
rinnen, das zuſammen wohl die acht Gulden werth
iſt. Ich muß in Gottes Namen die acht Gulden
entlehnen, und ich habe gedacht, ihr zuͤrnet es nicht,
wenn ich euch bitte, daß ihr mir ſie gegen dieſes
Pfand vorſtrecket.
Pfarrer. Ich nehme nie keine Sicherheit von
Jemand, und oft muß ich ſo etwas abſchlagen, ſo
weh es mir auch thut; aber in deinem Fall ſchlage
ich es nicht ab. Sogleich giebt er ihm das Geld,
und ſagt: Trag es alſobald zum Vogt hin, und
deinen Buͤndel, den nimm nur wieder mit dir
heim.
§. 65.
S 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/304>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.