§. 46. Selbstgespräch eines Manns, der mit seinem Nachdenken unglücklich weit kömmt.
Mehr als Recht hat die Frau; aber was will ich machen? Ich kann nicht helfen; unmöglich kann ich mir aus allem, worinn ich stecke, heraus helfen. So sagt er; flucht dann wieder auf Arner, als ob dieser ihm alles auf den Hals gezogen; und dann auf den Pfarrer, daß er ihn auch noch in der Kirche rasend gemacht hätte; dann kam er wie- der auf den Markstein, und sprach: Ich versetze ihn nicht, den verwünschten Stein; aber wenn's jemand thäte, so würde der Junker um den dritten Theil seiner Waldung kommen.
Sodann wieder: Das ist ganz richtig, der achte und neunte obrigkeitliche Markstein würden ihm das Stück in gerader Linie wegschneiden; aber behüte mich Gott davor, ich versetze keinen Markstein.
Dann wieder: Wenn's auch kein rechter Mark- stein wäre? er liegt da, wie seit der Sündfluth; er hat keine Numer und kein Zeichen.
Dann gieng er in die Stube, nahm sein Haus- buch -- rechnete -- schrieb -- blätterte -- that Pa- piere von einander -- legte sie wieder zusammen --
ver-
§. 46. Selbſtgeſpraͤch eines Manns, der mit ſeinem Nachdenken ungluͤcklich weit koͤmmt.
Mehr als Recht hat die Frau; aber was will ich machen? Ich kann nicht helfen; unmoͤglich kann ich mir aus allem, worinn ich ſtecke, heraus helfen. So ſagt er; flucht dann wieder auf Arner, als ob dieſer ihm alles auf den Hals gezogen; und dann auf den Pfarrer, daß er ihn auch noch in der Kirche raſend gemacht haͤtte; dann kam er wie- der auf den Markſtein, und ſprach: Ich verſetze ihn nicht, den verwuͤnſchten Stein; aber wenn’s jemand thaͤte, ſo wuͤrde der Junker um den dritten Theil ſeiner Waldung kommen.
Sodann wieder: Das iſt ganz richtig, der achte und neunte obrigkeitliche Markſtein wuͤrden ihm das Stuͤck in gerader Linie wegſchneiden; aber behuͤte mich Gott davor, ich verſetze keinen Markſtein.
Dann wieder: Wenn’s auch kein rechter Mark- ſtein waͤre? er liegt da, wie ſeit der Suͤndfluth; er hat keine Numer und kein Zeichen.
Dann gieng er in die Stube, nahm ſein Haus- buch — rechnete — ſchrieb — blaͤtterte — that Pa- piere von einander — legte ſie wieder zuſammen —
ver-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0253"n="228"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>§. 46.<lb/><hirendition="#b">Selbſtgeſpraͤch eines Manns, der mit<lb/>ſeinem Nachdenken ungluͤcklich weit<lb/>
koͤmmt.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">M</hi>ehr als Recht hat die Frau; aber was will<lb/>
ich machen? Ich kann nicht helfen; unmoͤglich<lb/>
kann ich mir aus allem, worinn ich ſtecke, heraus<lb/>
helfen. So ſagt er; flucht dann wieder auf Arner,<lb/>
als ob dieſer ihm alles auf den Hals gezogen; und<lb/>
dann auf den Pfarrer, daß er ihn auch noch in<lb/>
der Kirche raſend gemacht haͤtte; dann kam er wie-<lb/>
der auf den Markſtein, und ſprach: Ich verſetze ihn<lb/>
nicht, den verwuͤnſchten Stein; aber wenn’s jemand<lb/>
thaͤte, ſo wuͤrde der Junker um den dritten Theil<lb/>ſeiner Waldung kommen.</p><lb/><p>Sodann wieder: Das iſt ganz richtig, der achte<lb/>
und neunte obrigkeitliche Markſtein wuͤrden ihm das<lb/>
Stuͤck in gerader Linie wegſchneiden; aber behuͤte<lb/>
mich Gott davor, ich verſetze keinen Markſtein.</p><lb/><p>Dann wieder: Wenn’s auch kein rechter Mark-<lb/>ſtein waͤre? er liegt da, wie ſeit der Suͤndfluth; er<lb/>
hat keine Numer und kein Zeichen.</p><lb/><p>Dann gieng er in die Stube, nahm ſein Haus-<lb/>
buch — rechnete —ſchrieb — blaͤtterte — that Pa-<lb/>
piere von einander — legte ſie wieder zuſammen —<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ver-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[228/0253]
§. 46.
Selbſtgeſpraͤch eines Manns, der mit
ſeinem Nachdenken ungluͤcklich weit
koͤmmt.
Mehr als Recht hat die Frau; aber was will
ich machen? Ich kann nicht helfen; unmoͤglich
kann ich mir aus allem, worinn ich ſtecke, heraus
helfen. So ſagt er; flucht dann wieder auf Arner,
als ob dieſer ihm alles auf den Hals gezogen; und
dann auf den Pfarrer, daß er ihn auch noch in
der Kirche raſend gemacht haͤtte; dann kam er wie-
der auf den Markſtein, und ſprach: Ich verſetze ihn
nicht, den verwuͤnſchten Stein; aber wenn’s jemand
thaͤte, ſo wuͤrde der Junker um den dritten Theil
ſeiner Waldung kommen.
Sodann wieder: Das iſt ganz richtig, der achte
und neunte obrigkeitliche Markſtein wuͤrden ihm das
Stuͤck in gerader Linie wegſchneiden; aber behuͤte
mich Gott davor, ich verſetze keinen Markſtein.
Dann wieder: Wenn’s auch kein rechter Mark-
ſtein waͤre? er liegt da, wie ſeit der Suͤndfluth; er
hat keine Numer und kein Zeichen.
Dann gieng er in die Stube, nahm ſein Haus-
buch — rechnete — ſchrieb — blaͤtterte — that Pa-
piere von einander — legte ſie wieder zuſammen —
ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/253>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.