und beyde hefteten eine Weile ihr Antlitz auf den schönen Himmel. Sie sahn mit wonnevollen Thrä- nen den hellleuchtenden Mond an, und noch won- nevollere innere Zufriedenheit versicherte sie, daß Gott im Himmel die reinen und unschuldigen Gefühle ih- rer Herzen guthiesse.
Nach dieser kleinen Verweilung giengen sie in ihre Hütte.
Alsobald suchte Gertrud Schuhe und Strüm- pfe für den Rudi, und Lienhard brachte sie ihm noch am gleichen Abend.
Da er wieder zurück war, beteten sie noch ein Vorbereitungsgebet zum heiligen Nachtmahl, und entschliefen in gottseligen Gedanken.
Am Morgen stuhnden fiel früh auf, und freu- ten sich des Herrn, lasen die Leidensgeschichte des Heilands und die Einsetzung des heiligen Abend- mahls, und lobten Gott in der frühen Stunde vor dem Aufgange der Sonne am heiligen Tage.
Dann weckten sie ihre Kinder, warteten noch ihr Morgengebet ab, und giengen zur Kirche.
Eine Viertelstunde vor dem Zusammenläuten stuhnd auch der Vogt auf. Er konnte den Schlüs- sel zum Kleiderkasten nicht finden, fluchte Entsetzen und Gräuel, stieß den Kasten auf mit dem Schuh, kleidete sich an, gieng zur Kirche, setzte sich in den ersten Stuhl des Chors, nahm den Hut vor den Mund, blickte mit den Augen in alle
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und beyde hefteten eine Weile ihr Antlitz auf den ſchoͤnen Himmel. Sie ſahn mit wonnevollen Thraͤ- nen den hellleuchtenden Mond an, und noch won- nevollere innere Zufriedenheit verſicherte ſie, daß Gott im Himmel die reinen und unſchuldigen Gefuͤhle ih- rer Herzen guthieſſe.
Nach dieſer kleinen Verweilung giengen ſie in ihre Huͤtte.
Alſobald ſuchte Gertrud Schuhe und Struͤm- pfe fuͤr den Rudi, und Lienhard brachte ſie ihm noch am gleichen Abend.
Da er wieder zuruͤck war, beteten ſie noch ein Vorbereitungsgebet zum heiligen Nachtmahl, und entſchliefen in gottſeligen Gedanken.
Am Morgen ſtuhnden fiel fruͤh auf, und freu- ten ſich des Herrn, laſen die Leidensgeſchichte des Heilands und die Einſetzung des heiligen Abend- mahls, und lobten Gott in der fruͤhen Stunde vor dem Aufgange der Sonne am heiligen Tage.
Dann weckten ſie ihre Kinder, warteten noch ihr Morgengebet ab, und giengen zur Kirche.
Eine Viertelſtunde vor dem Zuſammenlaͤuten ſtuhnd auch der Vogt auf. Er konnte den Schluͤſ- ſel zum Kleiderkaſten nicht finden, fluchte Entſetzen und Graͤuel, ſtieß den Kaſten auf mit dem Schuh, kleidete ſich an, gieng zur Kirche, ſetzte ſich in den erſten Stuhl des Chors, nahm den Hut vor den Mund, blickte mit den Augen in alle
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und beyde hefteten eine Weile ihr Antlitz auf den
ſchoͤnen Himmel. Sie ſahn mit wonnevollen Thraͤ-
nen den hellleuchtenden Mond an, und noch won-
nevollere innere Zufriedenheit verſicherte ſie, daß Gott
im Himmel die reinen und unſchuldigen Gefuͤhle ih-
rer Herzen guthieſſe.
Nach dieſer kleinen Verweilung giengen ſie in
ihre Huͤtte.
Alſobald ſuchte Gertrud Schuhe und Struͤm-
pfe fuͤr den Rudi, und Lienhard brachte ſie ihm
noch am gleichen Abend.
Da er wieder zuruͤck war, beteten ſie noch
ein Vorbereitungsgebet zum heiligen Nachtmahl,
und entſchliefen in gottſeligen Gedanken.
Am Morgen ſtuhnden fiel fruͤh auf, und freu-
ten ſich des Herrn, laſen die Leidensgeſchichte des
Heilands und die Einſetzung des heiligen Abend-
mahls, und lobten Gott in der fruͤhen Stunde vor
dem Aufgange der Sonne am heiligen Tage.
Dann weckten ſie ihre Kinder, warteten noch
ihr Morgengebet ab, und giengen zur Kirche.
Eine Viertelſtunde vor dem Zuſammenlaͤuten
ſtuhnd auch der Vogt auf. Er konnte den Schluͤſ-
ſel zum Kleiderkaſten nicht finden, fluchte Entſetzen
und Graͤuel, ſtieß den Kaſten auf mit dem Schuh,
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/218>, abgerufen am 16.02.2025.
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