Vogt. Freylich! Oft und viel muß ichs lei- der; aber besser ist's, man halte sich, daß ich's gern thue.
Michel. Kann man das, Herr Untervogt?
Vogt. Wir wollen sehn. (Er winkt ihm.)
Sie gehn mit einander an's kleine Tischlein am Ecken beym Ofen.
Und der Vogt sagt: Es ist gut, daß du da dist, es kann dein Glück seyn.
Michel. Ich habe Glück nöthig.
Vogt. Ich glaub es; aber wenn du dich an- schickst, so fehlt's nicht, du machst Geld auf dei- nem Posten.
Michel. Aber wie muß ich das anstellen?
Vogt. Du mußst dich bey dem Mäurer ein- schmeicheln, und recht hungrig und arm thun.
Michel. Das kann ich ohne Lügen.
Vogt. Du mußst dann viel und oft deinen Kindern dein Abendbrod geben, damit sie glauben, du habest ein Herz so weich, wie zerlassene But- ter, und die Kinder müssen dir baarfuß und zer- lumpt nachlaufen.
Michel. Auch das ist nicht schwer.
Vogt. Und dann, wenn du unter allen zehen der Liebste seyn wirst, erst dann wird deine rechte Arbeit angehn.
Michel. Und was ist denn die?
Vogt.
K 4
Michel. Suͤnden aus deinem Buche?
Vogt. Freylich! Oft und viel muß ichs lei- der; aber beſſer iſt’s, man halte ſich, daß ich’s gern thue.
Michel. Kann man das, Herr Untervogt?
Vogt. Wir wollen ſehn. (Er winkt ihm.)
Sie gehn mit einander an’s kleine Tiſchlein am Ecken beym Ofen.
Und der Vogt ſagt: Es iſt gut, daß du da diſt, es kann dein Gluͤck ſeyn.
Michel. Ich habe Gluͤck noͤthig.
Vogt. Ich glaub es; aber wenn du dich an- ſchickſt, ſo fehlt’s nicht, du machſt Geld auf dei- nem Poſten.
Michel. Aber wie muß ich das anſtellen?
Vogt. Du mußſt dich bey dem Maͤurer ein- ſchmeicheln, und recht hungrig und arm thun.
Michel. Das kann ich ohne Luͤgen.
Vogt. Du mußſt dann viel und oft deinen Kindern dein Abendbrod geben, damit ſie glauben, du habeſt ein Herz ſo weich, wie zerlaſſene But- ter, und die Kinder muͤſſen dir baarfuß und zer- lumpt nachlaufen.
Michel. Auch das iſt nicht ſchwer.
Vogt. Und dann, wenn du unter allen zehen der Liebſte ſeyn wirſt, erſt dann wird deine rechte Arbeit angehn.
Michel. Und was iſt denn die?
Vogt.
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Michel. Suͤnden aus deinem Buche?
Vogt. Freylich! Oft und viel muß ichs lei-
der; aber beſſer iſt’s, man halte ſich, daß ich’s
gern thue.
Michel. Kann man das, Herr Untervogt?
Vogt. Wir wollen ſehn. (Er winkt ihm.)
Sie gehn mit einander an’s kleine Tiſchlein am
Ecken beym Ofen.
Und der Vogt ſagt: Es iſt gut, daß du da
diſt, es kann dein Gluͤck ſeyn.
Michel. Ich habe Gluͤck noͤthig.
Vogt. Ich glaub es; aber wenn du dich an-
ſchickſt, ſo fehlt’s nicht, du machſt Geld auf dei-
nem Poſten.
Michel. Aber wie muß ich das anſtellen?
Vogt. Du mußſt dich bey dem Maͤurer ein-
ſchmeicheln, und recht hungrig und arm thun.
Michel. Das kann ich ohne Luͤgen.
Vogt. Du mußſt dann viel und oft deinen
Kindern dein Abendbrod geben, damit ſie glauben,
du habeſt ein Herz ſo weich, wie zerlaſſene But-
ter, und die Kinder muͤſſen dir baarfuß und zer-
lumpt nachlaufen.
Michel. Auch das iſt nicht ſchwer.
Vogt. Und dann, wenn du unter allen zehen
der Liebſte ſeyn wirſt, erſt dann wird deine rechte
Arbeit angehn.
Michel. Und was iſt denn die?
Vogt.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/176>, abgerufen am 16.02.2025.
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