Wüst. Ich dachte lang auch so: aber es ist aus; ich kann mein Herz nicht mehr bedöhren. Der arme Rudi! wo ich gehe und stehe, sehe ich ihn vor mir. Der arme Rudi! wie er im Elend und Hunger und Mangel gegen mich zu Gott seufzet. O! o seine Kinder, sie serben, sind gelb, krumm und schwarz, wie Zigeuner. Sie waren schön und blüheten wie Engel, und mein Eid brachte sie um ihre Matte.
Vogt. Ich hatte Recht, es war, wie ich sagte: und jezt hat der Rudi Arbeit am Kirchbau, daß er auch wieder zurecht kommt.
Wüst. Was geht das mich an: hätte ich nicht geschworen, mir würde gleich viel seyn, ob der Rudi reich wäre, oder ein Bettler.
Vogt. Laß dich doch das nicht anfechten! ich hatte Recht.
Wüst. Nicht anfechten? -- Ja, Vogt! Hätte ich ihm sein Haus erbrochen, und all sein Gut gestohlen, es würde mir noch besser zu Muthe seyn. O, Vogt! daß ich das gethan habe. O, o! Es ist wieder bald heilige Zeit! O, wär ich doch tausend Klafter unter dem Boden!
Vogt. Um Gottes willen, Wüst! thue doch nicht so auf der offenen Strasse vor den Leuten, wenn's auch jemand hörte! Du plagest dich mit deiner Dummheit: Alles, was du schwurst, ist wahr!
Wüst.
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Wuͤſt. Ich dachte lang auch ſo: aber es iſt aus; ich kann mein Herz nicht mehr bedoͤhren. Der arme Rudi! wo ich gehe und ſtehe, ſehe ich ihn vor mir. Der arme Rudi! wie er im Elend und Hunger und Mangel gegen mich zu Gott ſeufzet. O! o ſeine Kinder, ſie ſerben, ſind gelb, krumm und ſchwarz, wie Zigeuner. Sie waren ſchoͤn und bluͤheten wie Engel, und mein Eid brachte ſie um ihre Matte.
Vogt. Ich hatte Recht, es war, wie ich ſagte: und jezt hat der Rudi Arbeit am Kirchbau, daß er auch wieder zurecht kommt.
Wuͤſt. Was geht das mich an: haͤtte ich nicht geſchworen, mir wuͤrde gleich viel ſeyn, ob der Rudi reich waͤre, oder ein Bettler.
Vogt. Laß dich doch das nicht anfechten! ich hatte Recht.
Wuͤſt. Nicht anfechten? — Ja, Vogt! Haͤtte ich ihm ſein Haus erbrochen, und all ſein Gut geſtohlen, es wuͤrde mir noch beſſer zu Muthe ſeyn. O, Vogt! daß ich das gethan habe. O, o! Es iſt wieder bald heilige Zeit! O, waͤr ich doch tauſend Klafter unter dem Boden!
Vogt. Um Gottes willen, Wuͤſt! thue doch nicht ſo auf der offenen Straſſe vor den Leuten, wenn’s auch jemand hoͤrte! Du plageſt dich mit deiner Dummheit: Alles, was du ſchwurſt, iſt wahr!
Wuͤſt.
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Wuͤſt. Ich dachte lang auch ſo: aber es iſt
aus; ich kann mein Herz nicht mehr bedoͤhren.
Der arme Rudi! wo ich gehe und ſtehe, ſehe ich
ihn vor mir. Der arme Rudi! wie er im Elend
und Hunger und Mangel gegen mich zu Gott
ſeufzet. O! o ſeine Kinder, ſie ſerben, ſind gelb,
krumm und ſchwarz, wie Zigeuner. Sie waren
ſchoͤn und bluͤheten wie Engel, und mein Eid
brachte ſie um ihre Matte.
Vogt. Ich hatte Recht, es war, wie ich ſagte:
und jezt hat der Rudi Arbeit am Kirchbau, daß er
auch wieder zurecht kommt.
Wuͤſt. Was geht das mich an: haͤtte ich nicht
geſchworen, mir wuͤrde gleich viel ſeyn, ob der Rudi
reich waͤre, oder ein Bettler.
Vogt. Laß dich doch das nicht anfechten!
ich hatte Recht.
Wuͤſt. Nicht anfechten? — Ja, Vogt! Haͤtte
ich ihm ſein Haus erbrochen, und all ſein Gut
geſtohlen, es wuͤrde mir noch beſſer zu Muthe ſeyn.
O, Vogt! daß ich das gethan habe. O, o! Es iſt
wieder bald heilige Zeit! O, waͤr ich doch tauſend
Klafter unter dem Boden!
Vogt. Um Gottes willen, Wuͤſt! thue doch
nicht ſo auf der offenen Straſſe vor den Leuten,
wenn’s auch jemand hoͤrte! Du plageſt dich mit
deiner Dummheit: Alles, was du ſchwurſt, iſt
wahr!
Wuͤſt.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/146>, abgerufen am 21.11.2024.
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