men dafür zu arbeiten. Verzeih's uns! der Knabe hat's aus dringendem Hunger gethan.
Gertrud. Schweig einmal hievon, Rudi! -- Und du, lieber Kleiner! komm, versprich mir, daß du Niemand nichts mehr nehmen willst. Sie küßt ihn, und sagt: Du hast eine brave Großmutter, werde doch auch so fromm und brav wie sie.
Rudeli. Verzeih' mir, Frau! Ich will, weiß Gott! nicht mehr stehlen.
Gertrud. Nein, Kind! thue es nicht mehr; du weissest jezt noch nicht, wie elend und unglücklich alle Dieben werden. Thue es doch nicht mehr! Und wenn dich hungert, komm lieber zu mir und sag' es mir. Wenn ich kann, ich will dir etwas geben.
Rudi. Ich danke Gott, daß ich jezt bey der Kirche zu verdienen habe, und hoffe, der Hun- ger werde ihn nun auch nicht mehr so bald zu so etwas verleiten.
Gertrud. Es hat mich und meinen Mann ge- freut, daß der Junker mit dem Verdienst auch an dich gedacht hat.
Rudi. Ach! es freuet mich, daß die Mutter noch den Trost erlebt hat. Sage doch deinem Mann, ich wolle ihm ehrlich und treu arbeiten, und früh und spät seyn; und ich wolle mir die Erdäpfel doch auch herzlich gern am Lohn abziehen lassen.
Ger-
men dafuͤr zu arbeiten. Verzeih’s uns! der Knabe hat’s aus dringendem Hunger gethan.
Gertrud. Schweig einmal hievon, Rudi! — Und du, lieber Kleiner! komm, verſprich mir, daß du Niemand nichts mehr nehmen willſt. Sie kuͤßt ihn, und ſagt: Du haſt eine brave Großmutter, werde doch auch ſo fromm und brav wie ſie.
Rudeli. Verzeih’ mir, Frau! Ich will, weiß Gott! nicht mehr ſtehlen.
Gertrud. Nein, Kind! thue es nicht mehr; du weiſſeſt jezt noch nicht, wie elend und ungluͤcklich alle Dieben werden. Thue es doch nicht mehr! Und wenn dich hungert, komm lieber zu mir und ſag’ es mir. Wenn ich kann, ich will dir etwas geben.
Rudi. Ich danke Gott, daß ich jezt bey der Kirche zu verdienen habe, und hoffe, der Hun- ger werde ihn nun auch nicht mehr ſo bald zu ſo etwas verleiten.
Gertrud. Es hat mich und meinen Mann ge- freut, daß der Junker mit dem Verdienſt auch an dich gedacht hat.
Rudi. Ach! es freuet mich, daß die Mutter noch den Troſt erlebt hat. Sage doch deinem Mann, ich wolle ihm ehrlich und treu arbeiten, und fruͤh und ſpaͤt ſeyn; und ich wolle mir die Erdaͤpfel doch auch herzlich gern am Lohn abziehen laſſen.
Ger-
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men dafuͤr zu arbeiten. Verzeih’s uns! der Knabe
hat’s aus dringendem Hunger gethan.
Gertrud. Schweig einmal hievon, Rudi! —
Und du, lieber Kleiner! komm, verſprich mir, daß
du Niemand nichts mehr nehmen willſt. Sie kuͤßt
ihn, und ſagt: Du haſt eine brave Großmutter,
werde doch auch ſo fromm und brav wie ſie.
Rudeli. Verzeih’ mir, Frau! Ich will, weiß
Gott! nicht mehr ſtehlen.
Gertrud. Nein, Kind! thue es nicht mehr;
du weiſſeſt jezt noch nicht, wie elend und ungluͤcklich
alle Dieben werden. Thue es doch nicht mehr!
Und wenn dich hungert, komm lieber zu mir und
ſag’ es mir. Wenn ich kann, ich will dir etwas
geben.
Rudi. Ich danke Gott, daß ich jezt bey der
Kirche zu verdienen habe, und hoffe, der Hun-
ger werde ihn nun auch nicht mehr ſo bald zu ſo
etwas verleiten.
Gertrud. Es hat mich und meinen Mann ge-
freut, daß der Junker mit dem Verdienſt auch an
dich gedacht hat.
Rudi. Ach! es freuet mich, daß die Mutter
noch den Troſt erlebt hat. Sage doch deinem
Mann, ich wolle ihm ehrlich und treu arbeiten,
und fruͤh und ſpaͤt ſeyn; und ich wolle mir die
Erdaͤpfel doch auch herzlich gern am Lohn abziehen
laſſen.
Ger-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/131>, abgerufen am 24.11.2024.
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