Rudeli. Ich will mit dir sterben, Großmut- ter, wenn du stirbst.
Die Mutter. Nein, Rudeli! du wirst nicht mit mir sterben, du wirst, will's Gott, noch lang leben und brav werden; und wenn einst dein Vater alt und schwach seyn wird, seine Hülfe und sein Trost seyn. Gelt Rudeli! du willst ihm folgen, und brav werden und recht thun. Versprich mir's, du Lieber!
Rudeli. Ja, Großmutter! ich will gewiß recht thun und ihm folgen.
Die Mutter. Rudelj! Der Vater im Him- mel, zu dem ich jezt bald kommen werde, sieht und hört alles, was wir thun und was wir ver- sprechen! Gelt Rudelj, du weißst das? und du glaubst es.
Rudeli. Ja, Großmutter! ich weiß es, und glaube es.
Die Mutter. Aber warum hast du denn doch gestern hinter meinem Bette verstohlen Erdäpfel ge- gessen?
Rudeli. Verzeih mir's doch, Großmutter! ich will's nicht mehr thun. Verzeih mir's doch, ich will's gewiß nicht mehr thun. Großmutter!
Die Mutter. Hast du sie gestohlen?
Rudeli. (Schluchzend) j. j. ja, Großmutter!
Die Mutter. Wem hast du sie gestohlen?
Rudeli. Dem Mäu-Mäu-Mäurer.
Die
Rudeli. Ich will mit dir ſterben, Großmut- ter, wenn du ſtirbſt.
Die Mutter. Nein, Rudeli! du wirſt nicht mit mir ſterben, du wirſt, will’s Gott, noch lang leben und brav werden; und wenn einſt dein Vater alt und ſchwach ſeyn wird, ſeine Huͤlfe und ſein Troſt ſeyn. Gelt Rudeli! du willſt ihm folgen, und brav werden und recht thun. Verſprich mir’s, du Lieber!
Rudeli. Ja, Großmutter! ich will gewiß recht thun und ihm folgen.
Die Mutter. Rudelj! Der Vater im Him- mel, zu dem ich jezt bald kommen werde, ſieht und hoͤrt alles, was wir thun und was wir ver- ſprechen! Gelt Rudelj, du weißſt das? und du glaubſt es.
Rudeli. Ja, Großmutter! ich weiß es, und glaube es.
Die Mutter. Aber warum haſt du denn doch geſtern hinter meinem Bette verſtohlen Erdaͤpfel ge- geſſen?
Rudeli. Verzeih mir’s doch, Großmutter! ich will’s nicht mehr thun. Verzeih mir’s doch, ich will’s gewiß nicht mehr thun. Großmutter!
Die Mutter. Haſt du ſie geſtohlen?
Rudeli. (Schluchzend) j. j. ja, Großmutter!
Die Mutter. Wem haſt du ſie geſtohlen?
Rudeli. Dem Maͤu-Maͤu-Maͤurer.
Die
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Rudeli. Ich will mit dir ſterben, Großmut-
ter, wenn du ſtirbſt.
Die Mutter. Nein, Rudeli! du wirſt nicht
mit mir ſterben, du wirſt, will’s Gott, noch lang
leben und brav werden; und wenn einſt dein Vater
alt und ſchwach ſeyn wird, ſeine Huͤlfe und ſein
Troſt ſeyn. Gelt Rudeli! du willſt ihm folgen,
und brav werden und recht thun. Verſprich mir’s,
du Lieber!
Rudeli. Ja, Großmutter! ich will gewiß recht
thun und ihm folgen.
Die Mutter. Rudelj! Der Vater im Him-
mel, zu dem ich jezt bald kommen werde, ſieht
und hoͤrt alles, was wir thun und was wir ver-
ſprechen! Gelt Rudelj, du weißſt das? und du
glaubſt es.
Rudeli. Ja, Großmutter! ich weiß es, und
glaube es.
Die Mutter. Aber warum haſt du denn doch
geſtern hinter meinem Bette verſtohlen Erdaͤpfel ge-
geſſen?
Rudeli. Verzeih mir’s doch, Großmutter!
ich will’s nicht mehr thun. Verzeih mir’s doch,
ich will’s gewiß nicht mehr thun. Großmutter!
Die Mutter. Haſt du ſie geſtohlen?
Rudeli. (Schluchzend) j. j. ja, Großmutter!
Die Mutter. Wem haſt du ſie geſtohlen?
Rudeli. Dem Maͤu-Maͤu-Maͤurer.
Die
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/120>, abgerufen am 15.08.2024.
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