das Laub fällt und in einen mediterraneischen Küstensaum mit immergrünenden Sträuchern und Gewächsen, der eine bewohnt von Völkern, die Bier brauen und Butter bereiten, der andere von Völkern, welche die Trauben keltern und die Früchte des Oel- baumes pressen. Erst in den östlichen Fernen des Welttheiles, an den Gestaden des Pontus und des kaspischen Meeres ent- wickelt sich ein dritter Gürtel mit andern Lebensbedingungen, nämlich die Steppe, anfangs eine schmale Zunge, später an Raum- grösse rasch anwachsend. Solche scharfe Uebergänge zu klima- tischen Gegensätzen mussten frühzeitig einen Völkerverkehr er- wecken, weil die Bewohner des Nordens wie des Südens Erzeug- nisse zu bieten hatten, welche die Begierde schon durch den Reiz des Fremdartigen erweckten.
Die Vortheile höherer Gliederung äussern sich aber einfach darin, dass verschieden begabte Völker bequemer das beste aus- tauschen können, was sie erworben haben. Die besten Erzeug- nisse des Menschen sind aber seine glücklichen und beglückenden Gedanken, die, einmal gedacht, befruchtend oder tröstend fort- wirken von Geschlecht zu Geschlecht durch Jahrtausende. Zu den beglückenden Gedanken gehören die Religionsschöpfungen, zu den glücklichen unter andern solche Erfindungen, die über unsern Haushalt und unsere Tagesgewohnheiten eine strenge Herr- schaft behaupten. Was wir unter Civilisation, Cultur, Gesittung verstehen, ist nichts anderes als eine Summe heller Gedanken, gröstentheils von uns ererbt und asiatischen Ursprungs. Kein Culturvolk steht hoch genug, dass es nicht irgend etwas neues selbst von sogenannten wilden Völkern sich aneignen könnte, oder schon angeeignet hätte. Der Gebrauch der Gabeln beim Genuss der Speisen hat sich beispielsweise in Nordeuropa erst im 17. Jahr- hundert verbreitet1), und wurde anfangs als eine sittenverderbliche Neuerung angesehen. Hätten uns dieses Tischgeräth nicht schon die Völker des Alterthums hinterlassen, oder würden wir, wie die Chinesen, noch heutiges Tages uns der Essstäbchen bedienen, so hätten unsere Seefahrer von den anthropophagen Fidschi-Insulanern die Gabel als eine Neuigkeit nach Europa bringen können. Durch den Umgang mit den Kelten Galliens war gar mancherlei für die
1)Lubbock, Prehistoric Times 2d ed. 1869. p. 443.
Die mittelländische Race.
das Laub fällt und in einen mediterraneischen Küstensaum mit immergrünenden Sträuchern und Gewächsen, der eine bewohnt von Völkern, die Bier brauen und Butter bereiten, der andere von Völkern, welche die Trauben keltern und die Früchte des Oel- baumes pressen. Erst in den östlichen Fernen des Welttheiles, an den Gestaden des Pontus und des kaspischen Meeres ent- wickelt sich ein dritter Gürtel mit andern Lebensbedingungen, nämlich die Steppe, anfangs eine schmale Zunge, später an Raum- grösse rasch anwachsend. Solche scharfe Uebergänge zu klima- tischen Gegensätzen mussten frühzeitig einen Völkerverkehr er- wecken, weil die Bewohner des Nordens wie des Südens Erzeug- nisse zu bieten hatten, welche die Begierde schon durch den Reiz des Fremdartigen erweckten.
Die Vortheile höherer Gliederung äussern sich aber einfach darin, dass verschieden begabte Völker bequemer das beste aus- tauschen können, was sie erworben haben. Die besten Erzeug- nisse des Menschen sind aber seine glücklichen und beglückenden Gedanken, die, einmal gedacht, befruchtend oder tröstend fort- wirken von Geschlecht zu Geschlecht durch Jahrtausende. Zu den beglückenden Gedanken gehören die Religionsschöpfungen, zu den glücklichen unter andern solche Erfindungen, die über unsern Haushalt und unsere Tagesgewohnheiten eine strenge Herr- schaft behaupten. Was wir unter Civilisation, Cultur, Gesittung verstehen, ist nichts anderes als eine Summe heller Gedanken, gröstentheils von uns ererbt und asiatischen Ursprungs. Kein Culturvolk steht hoch genug, dass es nicht irgend etwas neues selbst von sogenannten wilden Völkern sich aneignen könnte, oder schon angeeignet hätte. Der Gebrauch der Gabeln beim Genuss der Speisen hat sich beispielsweise in Nordeuropa erst im 17. Jahr- hundert verbreitet1), und wurde anfangs als eine sittenverderbliche Neuerung angesehen. Hätten uns dieses Tischgeräth nicht schon die Völker des Alterthums hinterlassen, oder würden wir, wie die Chinesen, noch heutiges Tages uns der Essstäbchen bedienen, so hätten unsere Seefahrer von den anthropophagen Fidschi-Insulanern die Gabel als eine Neuigkeit nach Europa bringen können. Durch den Umgang mit den Kelten Galliens war gar mancherlei für die
1)Lubbock, Prehistoric Times 2d ed. 1869. p. 443.
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Die mittelländische Race.
das Laub fällt und in einen mediterraneischen Küstensaum mit
immergrünenden Sträuchern und Gewächsen, der eine bewohnt
von Völkern, die Bier brauen und Butter bereiten, der andere von
Völkern, welche die Trauben keltern und die Früchte des Oel-
baumes pressen. Erst in den östlichen Fernen des Welttheiles,
an den Gestaden des Pontus und des kaspischen Meeres ent-
wickelt sich ein dritter Gürtel mit andern Lebensbedingungen,
nämlich die Steppe, anfangs eine schmale Zunge, später an Raum-
grösse rasch anwachsend. Solche scharfe Uebergänge zu klima-
tischen Gegensätzen mussten frühzeitig einen Völkerverkehr er-
wecken, weil die Bewohner des Nordens wie des Südens Erzeug-
nisse zu bieten hatten, welche die Begierde schon durch den
Reiz des Fremdartigen erweckten.
Die Vortheile höherer Gliederung äussern sich aber einfach
darin, dass verschieden begabte Völker bequemer das beste aus-
tauschen können, was sie erworben haben. Die besten Erzeug-
nisse des Menschen sind aber seine glücklichen und beglückenden
Gedanken, die, einmal gedacht, befruchtend oder tröstend fort-
wirken von Geschlecht zu Geschlecht durch Jahrtausende. Zu
den beglückenden Gedanken gehören die Religionsschöpfungen,
zu den glücklichen unter andern solche Erfindungen, die über
unsern Haushalt und unsere Tagesgewohnheiten eine strenge Herr-
schaft behaupten. Was wir unter Civilisation, Cultur, Gesittung
verstehen, ist nichts anderes als eine Summe heller Gedanken,
gröstentheils von uns ererbt und asiatischen Ursprungs. Kein
Culturvolk steht hoch genug, dass es nicht irgend etwas neues
selbst von sogenannten wilden Völkern sich aneignen könnte, oder
schon angeeignet hätte. Der Gebrauch der Gabeln beim Genuss
der Speisen hat sich beispielsweise in Nordeuropa erst im 17. Jahr-
hundert verbreitet 1), und wurde anfangs als eine sittenverderbliche
Neuerung angesehen. Hätten uns dieses Tischgeräth nicht schon
die Völker des Alterthums hinterlassen, oder würden wir, wie die
Chinesen, noch heutiges Tages uns der Essstäbchen bedienen, so
hätten unsere Seefahrer von den anthropophagen Fidschi-Insulanern
die Gabel als eine Neuigkeit nach Europa bringen können. Durch
den Umgang mit den Kelten Galliens war gar mancherlei für die
1) Lubbock, Prehistoric Times 2d ed. 1869. p. 443.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/567>, abgerufen am 22.12.2024.
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