lemer Meeres wurden nur spärliche Schiffstrümmer aber keine menschlichen Gebeine gefunden, obgleich doch auf diesem ehe- maligen Golfe Fahrzeuge verunglückten und Seeschlachten ge- schlagen wurden. Nach der scharfsinnigen Vermuthung von Prest- wich können wir uns vorstellen, dass in der Gletscherzeit am Schluss des Tertiäralters die Bewohner der Picardie wie die heutigen Es- kimo das Eis der Somme aufgehauen und an den freigehaltnen Oeffnungen Fische mit ihren Geschossen harpunirt haben. Die Steinklingen, die bei einem misglückten Wurfe auf das Bett des Flusses fielen, wurden dann von Diluvialschutt eingehüllt und sie sind es, die jetzt die Museen schmücken und das Herz der Alter- thumskenner erfreuen. Wirklich gibt es unter diesen Kostbar- keiten einige von so regelmässigen Umrissen und solcher genauer Zuschärfung, dass an ihrem künstlichen Ursprung nicht gezweifelt werden darf. Wichtig wäre es nur zu erfahren, ob sie aus Hun- derten oder Tausenden ähnlicher, aber roher Geschiebe in ihrer Nachbarschaft herausgesucht worden wären. In Ländern, wo Feuer- steinknollen an der Oberfläche gefunden werden und wo sie unter starker Besonnung leicht bersten, zerspringen sie gern zu Spänen und Klingen, aus denen sich um die Mühe des Aufhebens eine artige Sammlung von Steingeräthen zusammenstellen liesse. Unter den Steinwerkzeugen, die Boucher de Perthes dem Museum von St. Germain einverleibt hatte, bemerkte Virchow sehr viele Dinge, die ihm aus seiner pommerschen Heimath als Naturspiele ganz geläufig waren 1).
Glücklicherweise gibt es eine Fülle unverdächtiger Zeugnisse, die genau das nämliche bestätigen, wie jene Kieselgeräthe des Sommethales. Schon in den Jahren 1833--40 wurden von Dr. Schmerling Funde menschlicher Ueberreste vereinigt mit den Knochen diluvialer Säugethiere in belgischen Höhlen entdeckt, blieben aber lange Zeit misachtet aus Scheu vor dem Ansehen Cuviers, der den Menschen nicht vor den Thieren der heutigen Schöpfung hatte auftreten lassen. Jene Funde wurden gewaltsam misdeutet, indem man annahm, die menschlichen Gebeine
1) Vgl. Virchow in der Zeitschr. für Ethnologie 1871, S. 51 in Bezug auf Pommern, dessen Angaben Wetzstein für das südliche Syrien ergänzen konnte, wo auf der drei Tagereise langen Strecke 'Ardh e'- Saman der Boden mit Feuersteinsplittern bedeckt ist.
Das Alter des Menschengeschlechtes.
lemer Meeres wurden nur spärliche Schiffstrümmer aber keine menschlichen Gebeine gefunden, obgleich doch auf diesem ehe- maligen Golfe Fahrzeuge verunglückten und Seeschlachten ge- schlagen wurden. Nach der scharfsinnigen Vermuthung von Prest- wich können wir uns vorstellen, dass in der Gletscherzeit am Schluss des Tertiäralters die Bewohner der Picardie wie die heutigen Es- kimo das Eis der Somme aufgehauen und an den freigehaltnen Oeffnungen Fische mit ihren Geschossen harpunirt haben. Die Steinklingen, die bei einem misglückten Wurfe auf das Bett des Flusses fielen, wurden dann von Diluvialschutt eingehüllt und sie sind es, die jetzt die Museen schmücken und das Herz der Alter- thumskenner erfreuen. Wirklich gibt es unter diesen Kostbar- keiten einige von so regelmässigen Umrissen und solcher genauer Zuschärfung, dass an ihrem künstlichen Ursprung nicht gezweifelt werden darf. Wichtig wäre es nur zu erfahren, ob sie aus Hun- derten oder Tausenden ähnlicher, aber roher Geschiebe in ihrer Nachbarschaft herausgesucht worden wären. In Ländern, wo Feuer- steinknollen an der Oberfläche gefunden werden und wo sie unter starker Besonnung leicht bersten, zerspringen sie gern zu Spänen und Klingen, aus denen sich um die Mühe des Aufhebens eine artige Sammlung von Steingeräthen zusammenstellen liesse. Unter den Steinwerkzeugen, die Boucher de Perthes dem Museum von St. Germain einverleibt hatte, bemerkte Virchow sehr viele Dinge, die ihm aus seiner pommerschen Heimath als Naturspiele ganz geläufig waren 1).
Glücklicherweise gibt es eine Fülle unverdächtiger Zeugnisse, die genau das nämliche bestätigen, wie jene Kieselgeräthe des Sommethales. Schon in den Jahren 1833—40 wurden von Dr. Schmerling Funde menschlicher Ueberreste vereinigt mit den Knochen diluvialer Säugethiere in belgischen Höhlen entdeckt, blieben aber lange Zeit misachtet aus Scheu vor dem Ansehen Cuviers, der den Menschen nicht vor den Thieren der heutigen Schöpfung hatte auftreten lassen. Jene Funde wurden gewaltsam misdeutet, indem man annahm, die menschlichen Gebeine
1) Vgl. Virchow in der Zeitschr. für Ethnologie 1871, S. 51 in Bezug auf Pommern, dessen Angaben Wetzstein für das südliche Syrien ergänzen konnte, wo auf der drei Tagereise langen Strecke ’Ardh e’- Samân der Boden mit Feuersteinsplittern bedeckt ist.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0056"n="38"/><fwplace="top"type="header">Das Alter des Menschengeschlechtes.</fw><lb/>
lemer Meeres wurden nur spärliche Schiffstrümmer aber keine<lb/>
menschlichen Gebeine gefunden, obgleich doch auf diesem ehe-<lb/>
maligen Golfe Fahrzeuge verunglückten und Seeschlachten ge-<lb/>
schlagen wurden. Nach der scharfsinnigen Vermuthung von Prest-<lb/>
wich können wir uns vorstellen, dass in der Gletscherzeit am Schluss<lb/>
des Tertiäralters die Bewohner der Picardie wie die heutigen Es-<lb/>
kimo das Eis der Somme aufgehauen und an den freigehaltnen<lb/>
Oeffnungen Fische mit ihren Geschossen harpunirt haben. Die<lb/>
Steinklingen, die bei einem misglückten Wurfe auf das Bett des<lb/>
Flusses fielen, wurden dann von Diluvialschutt eingehüllt und sie<lb/>
sind es, die jetzt die Museen schmücken und das Herz der Alter-<lb/>
thumskenner erfreuen. Wirklich gibt es unter diesen Kostbar-<lb/>
keiten einige von so regelmässigen Umrissen und solcher genauer<lb/>
Zuschärfung, dass an ihrem künstlichen Ursprung nicht gezweifelt<lb/>
werden darf. Wichtig wäre es nur zu erfahren, ob sie aus Hun-<lb/>
derten oder Tausenden ähnlicher, aber roher Geschiebe in ihrer<lb/>
Nachbarschaft herausgesucht worden wären. In Ländern, wo Feuer-<lb/>
steinknollen an der Oberfläche gefunden werden und wo sie unter<lb/>
starker Besonnung leicht bersten, zerspringen sie gern zu Spänen<lb/>
und Klingen, aus denen sich um die Mühe des Aufhebens eine<lb/>
artige Sammlung von Steingeräthen zusammenstellen liesse. Unter<lb/>
den Steinwerkzeugen, die Boucher de Perthes dem Museum von<lb/>
St. Germain einverleibt hatte, bemerkte Virchow sehr viele Dinge,<lb/>
die ihm aus seiner pommerschen Heimath als Naturspiele ganz<lb/>
geläufig waren <noteplace="foot"n="1)">Vgl. Virchow in der Zeitschr. für Ethnologie 1871, S. 51 in Bezug auf<lb/>
Pommern, dessen Angaben Wetzstein für das südliche Syrien ergänzen konnte,<lb/>
wo auf der drei Tagereise langen Strecke ’Ardh e’- Samân der Boden mit<lb/>
Feuersteinsplittern bedeckt ist.</note>.</p><lb/><p>Glücklicherweise gibt es eine Fülle unverdächtiger Zeugnisse,<lb/>
die genau das nämliche bestätigen, wie jene Kieselgeräthe<lb/>
des Sommethales. Schon in den Jahren 1833—40 wurden<lb/>
von Dr. Schmerling Funde menschlicher Ueberreste vereinigt<lb/>
mit den Knochen diluvialer Säugethiere in belgischen Höhlen<lb/>
entdeckt, blieben aber lange Zeit misachtet aus Scheu vor dem<lb/>
Ansehen Cuviers, der den Menschen nicht vor den Thieren der<lb/>
heutigen Schöpfung hatte auftreten lassen. Jene Funde wurden<lb/>
gewaltsam misdeutet, indem man annahm, die menschlichen Gebeine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[38/0056]
Das Alter des Menschengeschlechtes.
lemer Meeres wurden nur spärliche Schiffstrümmer aber keine
menschlichen Gebeine gefunden, obgleich doch auf diesem ehe-
maligen Golfe Fahrzeuge verunglückten und Seeschlachten ge-
schlagen wurden. Nach der scharfsinnigen Vermuthung von Prest-
wich können wir uns vorstellen, dass in der Gletscherzeit am Schluss
des Tertiäralters die Bewohner der Picardie wie die heutigen Es-
kimo das Eis der Somme aufgehauen und an den freigehaltnen
Oeffnungen Fische mit ihren Geschossen harpunirt haben. Die
Steinklingen, die bei einem misglückten Wurfe auf das Bett des
Flusses fielen, wurden dann von Diluvialschutt eingehüllt und sie
sind es, die jetzt die Museen schmücken und das Herz der Alter-
thumskenner erfreuen. Wirklich gibt es unter diesen Kostbar-
keiten einige von so regelmässigen Umrissen und solcher genauer
Zuschärfung, dass an ihrem künstlichen Ursprung nicht gezweifelt
werden darf. Wichtig wäre es nur zu erfahren, ob sie aus Hun-
derten oder Tausenden ähnlicher, aber roher Geschiebe in ihrer
Nachbarschaft herausgesucht worden wären. In Ländern, wo Feuer-
steinknollen an der Oberfläche gefunden werden und wo sie unter
starker Besonnung leicht bersten, zerspringen sie gern zu Spänen
und Klingen, aus denen sich um die Mühe des Aufhebens eine
artige Sammlung von Steingeräthen zusammenstellen liesse. Unter
den Steinwerkzeugen, die Boucher de Perthes dem Museum von
St. Germain einverleibt hatte, bemerkte Virchow sehr viele Dinge,
die ihm aus seiner pommerschen Heimath als Naturspiele ganz
geläufig waren 1).
Glücklicherweise gibt es eine Fülle unverdächtiger Zeugnisse,
die genau das nämliche bestätigen, wie jene Kieselgeräthe
des Sommethales. Schon in den Jahren 1833—40 wurden
von Dr. Schmerling Funde menschlicher Ueberreste vereinigt
mit den Knochen diluvialer Säugethiere in belgischen Höhlen
entdeckt, blieben aber lange Zeit misachtet aus Scheu vor dem
Ansehen Cuviers, der den Menschen nicht vor den Thieren der
heutigen Schöpfung hatte auftreten lassen. Jene Funde wurden
gewaltsam misdeutet, indem man annahm, die menschlichen Gebeine
1) Vgl. Virchow in der Zeitschr. für Ethnologie 1871, S. 51 in Bezug auf
Pommern, dessen Angaben Wetzstein für das südliche Syrien ergänzen konnte,
wo auf der drei Tagereise langen Strecke ’Ardh e’- Samân der Boden mit
Feuersteinsplittern bedeckt ist.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/56>, abgerufen am 03.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.