Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

Die mittelländische Race.
zu 9 Zoll auf die engl. Meile vermindert daher selbst auf dieser
Strecke nur wenig grober Sand noch vorwärts geschoben wird1).
Von der geringen Geschwindigkeit2) hängt es aber ab, dass nur
noch die kleinsten schwebenden Bestandtheile also Feinerden weiter
getragen werden. Bedenken wir jedoch dass, wenn die Geschwindig-
keit des Stromes bis auf 0,5 Fuss in der Secunde sich mindern sollte,
auch die feinsten Bestandtheile zu Boden sinken müssten, so würde
der Nil, wenn er jemals bis zu diesem Betrage ermattete, Unter-
ägypten nicht mehr chocoladebraun, sondern als klares Gewässer
erreichen. Einen solchen Zustand aber kann die Wissenschaft
voraussehen. Mit der Minderung des Gefälles auf der letzten
Strecke muss auch die Geschwindigkeit sinken. Bestände nun
das Nilbett bei den Cataracten nicht aus hartem Syenit, sondern
aus weichem Sandstein, so würde der Nil längst schon sein Bett
vertieft und sein Gefälle bis auf das äusserste Minimum einge-
schränkt haben. Die Härte der Felsarten auf der Cataracten-
strecke hat den Eintritt dieses Uebelstandes verzögert. Oberhalb
Philä sieht man auch wirklich einen Nilstand 28--38' (feet) über
dem jetzigen Spiegel und unter Amenemha III3) aus der XII.
Dynastie floss der Strom wirklich in einem um 25' höherem Bette4).
Die Zeit der Nilwunder ist also jedenfalls eine begrenzte.

Noch heutigen Tages wirft der Fellah vom Boot aus ohne
vorherige Arbeit die Saat in den nassen Schlamm, wenn das Was-
ser sich streifenweise von seinen Fluren zurückzieht5), doch wur-
den schon in der Pyramidenzeit die Felder gepflügt oder mit der
Hacke gelockert6), die Saat selbst aber eingetreten. Wohl wird
in neuerer Zeit beim Bau von Handelsgewächsen stark gedüngt,
aber im Alterthum geschah es sicherlich nicht. Gegenwärtig erntet
man vom Waizen das 8. bis 20., von der Gerste das 4. bis 18.,

1) Leonh. Horner. l. c. p. 117.
2) Die mittlere Geschwindigkeit des Nils, die freilich weniger in Betrach
kommt, als die höchste, beträgt eine halbe deutsche Meile in der Stunde
Sir John Herschel, Physical Geography § 196.
3) Nach Brugsch (Histoire d'Egypte, p. 289), regierte er von 2653--2611
v. Chr.
4) Lauth, Aegyptische Reisebriefe. Allgem. Ztg. 1873. S. 1334.
5) Leonh. Horner, Philosophical Transactions for 1858. vol. 148. S. 67.
A. v. Kremer, Aegypten. Leipzig 1863. Bd. 1. S. 180--181.
6) G. Ebers, Durch Gosen zum Sinai. S. 468.
Peschel, Völkerkunde. 34

Die mittelländische Race.
zu 9 Zoll auf die engl. Meile vermindert daher selbst auf dieser
Strecke nur wenig grober Sand noch vorwärts geschoben wird1).
Von der geringen Geschwindigkeit2) hängt es aber ab, dass nur
noch die kleinsten schwebenden Bestandtheile also Feinerden weiter
getragen werden. Bedenken wir jedoch dass, wenn die Geschwindig-
keit des Stromes bis auf 0,5 Fuss in der Secunde sich mindern sollte,
auch die feinsten Bestandtheile zu Boden sinken müssten, so würde
der Nil, wenn er jemals bis zu diesem Betrage ermattete, Unter-
ägypten nicht mehr chocoladebraun, sondern als klares Gewässer
erreichen. Einen solchen Zustand aber kann die Wissenschaft
voraussehen. Mit der Minderung des Gefälles auf der letzten
Strecke muss auch die Geschwindigkeit sinken. Bestände nun
das Nilbett bei den Cataracten nicht aus hartem Syenit, sondern
aus weichem Sandstein, so würde der Nil längst schon sein Bett
vertieft und sein Gefälle bis auf das äusserste Minimum einge-
schränkt haben. Die Härte der Felsarten auf der Cataracten-
strecke hat den Eintritt dieses Uebelstandes verzögert. Oberhalb
Philä sieht man auch wirklich einen Nilstand 28—38′ (feet) über
dem jetzigen Spiegel und unter Amenemha III3) aus der XII.
Dynastie floss der Strom wirklich in einem um 25′ höherem Bette4).
Die Zeit der Nilwunder ist also jedenfalls eine begrenzte.

Noch heutigen Tages wirft der Fellah vom Boot aus ohne
vorherige Arbeit die Saat in den nassen Schlamm, wenn das Was-
ser sich streifenweise von seinen Fluren zurückzieht5), doch wur-
den schon in der Pyramidenzeit die Felder gepflügt oder mit der
Hacke gelockert6), die Saat selbst aber eingetreten. Wohl wird
in neuerer Zeit beim Bau von Handelsgewächsen stark gedüngt,
aber im Alterthum geschah es sicherlich nicht. Gegenwärtig erntet
man vom Waizen das 8. bis 20., von der Gerste das 4. bis 18.,

1) Leonh. Horner. l. c. p. 117.
2) Die mittlere Geschwindigkeit des Nils, die freilich weniger in Betrach
kommt, als die höchste, beträgt eine halbe deutsche Meile in der Stunde
Sir John Herschel, Physical Geography § 196.
3) Nach Brugsch (Histoire d’Égypte, p. 289), regierte er von 2653—2611
v. Chr.
4) Lauth, Aegyptische Reisebriefe. Allgem. Ztg. 1873. S. 1334.
5) Leonh. Horner, Philosophical Transactions for 1858. vol. 148. S. 67.
A. v. Kremer, Aegypten. Leipzig 1863. Bd. 1. S. 180—181.
6) G. Ebers, Durch Gosen zum Sinai. S. 468.
Peschel, Völkerkunde. 34
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0547" n="529"/><fw place="top" type="header">Die mittelländische Race.</fw><lb/>
zu 9 Zoll auf die engl. Meile vermindert daher selbst auf dieser<lb/>
Strecke nur wenig grober Sand noch vorwärts geschoben wird<note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Leonh. Horner</hi>. l. c. p. 117.</note>.<lb/>
Von der geringen Geschwindigkeit<note place="foot" n="2)">Die mittlere Geschwindigkeit des Nils, die freilich weniger in Betrach<lb/>
kommt, als die höchste, beträgt eine halbe deutsche Meile in der Stunde<lb/>
Sir <hi rendition="#g">John Herschel</hi>, Physical Geography § 196.</note> hängt es aber ab, dass nur<lb/>
noch die kleinsten schwebenden Bestandtheile also Feinerden weiter<lb/>
getragen werden. Bedenken wir jedoch dass, wenn die Geschwindig-<lb/>
keit des Stromes bis auf 0,<hi rendition="#sup">5</hi> Fuss in der Secunde sich mindern sollte,<lb/>
auch die feinsten Bestandtheile zu Boden sinken müssten, so würde<lb/>
der Nil, wenn er jemals bis zu diesem Betrage ermattete, Unter-<lb/>
ägypten nicht mehr chocoladebraun, sondern als klares Gewässer<lb/>
erreichen. Einen solchen Zustand aber kann die Wissenschaft<lb/>
voraussehen. Mit der Minderung des Gefälles auf der letzten<lb/>
Strecke muss auch die Geschwindigkeit sinken. Bestände nun<lb/>
das Nilbett bei den Cataracten nicht aus hartem Syenit, sondern<lb/>
aus weichem Sandstein, so würde der Nil längst schon sein Bett<lb/>
vertieft und sein Gefälle bis auf das äusserste Minimum einge-<lb/>
schränkt haben. Die Härte der Felsarten auf der Cataracten-<lb/>
strecke hat den Eintritt dieses Uebelstandes verzögert. Oberhalb<lb/>
Philä sieht man auch wirklich einen Nilstand 28&#x2014;38&#x2032; <hi rendition="#i">(feet)</hi> über<lb/>
dem jetzigen Spiegel und unter Amenemha III<note place="foot" n="3)">Nach <hi rendition="#g">Brugsch</hi> (Histoire d&#x2019;Égypte, p. 289), regierte er von 2653&#x2014;2611<lb/>
v. Chr.</note> aus der XII.<lb/>
Dynastie floss der Strom wirklich in einem um 25&#x2032; höherem Bette<note place="foot" n="4)"><hi rendition="#g">Lauth</hi>, Aegyptische Reisebriefe. Allgem. Ztg. 1873. S. 1334.</note>.<lb/>
Die Zeit der Nilwunder ist also jedenfalls eine begrenzte.</p><lb/>
            <p>Noch heutigen Tages wirft der Fellah vom Boot aus ohne<lb/>
vorherige Arbeit die Saat in den nassen Schlamm, wenn das Was-<lb/>
ser sich streifenweise von seinen Fluren zurückzieht<note place="foot" n="5)"><hi rendition="#g">Leonh. Horner</hi>, Philosophical Transactions for 1858. vol. 148. S. 67.<lb/>
A. v. <hi rendition="#g">Kremer</hi>, Aegypten. Leipzig 1863. Bd. 1. S. 180&#x2014;181.</note>, doch wur-<lb/>
den schon in der Pyramidenzeit die Felder gepflügt oder mit der<lb/>
Hacke gelockert<note place="foot" n="6)">G. <hi rendition="#g">Ebers</hi>, Durch Gosen zum Sinai. S. 468.</note>, die Saat selbst aber eingetreten. Wohl wird<lb/>
in neuerer Zeit beim Bau von Handelsgewächsen stark gedüngt,<lb/>
aber im Alterthum geschah es sicherlich nicht. Gegenwärtig erntet<lb/>
man vom Waizen das 8. bis 20., von der Gerste das 4. bis 18.,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#i">Peschel</hi>, Völkerkunde. 34</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[529/0547] Die mittelländische Race. zu 9 Zoll auf die engl. Meile vermindert daher selbst auf dieser Strecke nur wenig grober Sand noch vorwärts geschoben wird 1). Von der geringen Geschwindigkeit 2) hängt es aber ab, dass nur noch die kleinsten schwebenden Bestandtheile also Feinerden weiter getragen werden. Bedenken wir jedoch dass, wenn die Geschwindig- keit des Stromes bis auf 0,5 Fuss in der Secunde sich mindern sollte, auch die feinsten Bestandtheile zu Boden sinken müssten, so würde der Nil, wenn er jemals bis zu diesem Betrage ermattete, Unter- ägypten nicht mehr chocoladebraun, sondern als klares Gewässer erreichen. Einen solchen Zustand aber kann die Wissenschaft voraussehen. Mit der Minderung des Gefälles auf der letzten Strecke muss auch die Geschwindigkeit sinken. Bestände nun das Nilbett bei den Cataracten nicht aus hartem Syenit, sondern aus weichem Sandstein, so würde der Nil längst schon sein Bett vertieft und sein Gefälle bis auf das äusserste Minimum einge- schränkt haben. Die Härte der Felsarten auf der Cataracten- strecke hat den Eintritt dieses Uebelstandes verzögert. Oberhalb Philä sieht man auch wirklich einen Nilstand 28—38′ (feet) über dem jetzigen Spiegel und unter Amenemha III 3) aus der XII. Dynastie floss der Strom wirklich in einem um 25′ höherem Bette 4). Die Zeit der Nilwunder ist also jedenfalls eine begrenzte. Noch heutigen Tages wirft der Fellah vom Boot aus ohne vorherige Arbeit die Saat in den nassen Schlamm, wenn das Was- ser sich streifenweise von seinen Fluren zurückzieht 5), doch wur- den schon in der Pyramidenzeit die Felder gepflügt oder mit der Hacke gelockert 6), die Saat selbst aber eingetreten. Wohl wird in neuerer Zeit beim Bau von Handelsgewächsen stark gedüngt, aber im Alterthum geschah es sicherlich nicht. Gegenwärtig erntet man vom Waizen das 8. bis 20., von der Gerste das 4. bis 18., 1) Leonh. Horner. l. c. p. 117. 2) Die mittlere Geschwindigkeit des Nils, die freilich weniger in Betrach kommt, als die höchste, beträgt eine halbe deutsche Meile in der Stunde Sir John Herschel, Physical Geography § 196. 3) Nach Brugsch (Histoire d’Égypte, p. 289), regierte er von 2653—2611 v. Chr. 4) Lauth, Aegyptische Reisebriefe. Allgem. Ztg. 1873. S. 1334. 5) Leonh. Horner, Philosophical Transactions for 1858. vol. 148. S. 67. A. v. Kremer, Aegypten. Leipzig 1863. Bd. 1. S. 180—181. 6) G. Ebers, Durch Gosen zum Sinai. S. 468. Peschel, Völkerkunde. 34

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/547
Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/547>, abgerufen am 22.12.2024.