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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Neger.
theils arabisch, theils barabrisch gesprochen, während über die
linguistische Stellung der Landbewohner nichts bekannt ist. Im
Gebiet des weissen Nils sitzen die niedrigsten aller Negerstämme.
Vom 11. Breitegrade angefangen gegen Süden finden wir die
Schilluk, die Nuehr, die Dinka, weiter westwärts von diesen die
Luoh (Djur), die Bongo (Dohr), die Sandeh (Niamniam) 1). Auf
Sprachverwandtschaft ist noch nicht geprüft worden, nur soviel
weiss man, dass die Luoh (Djur) und die Bellanda ausgeschwärmte
Schillukstämme sind 2). Die Bongo- (Dohr-) Sprache endlich soll
einestheils Verwandtschaft mit dem Maba in Wadai und dem Bag-
rimma andererseits mit dem Nuba zeigen 3). Unclassifizirt sind
die Sprachen der Elliab-, Bohr- und Baristämme, sowie der merk-
würdigen Monbuttu 4), die, auf eine Million Köpfe geschätzt, sehr
dicht ein Gebiet von 250 Qu.-Meilen am Uelle bewohnen.

Die Dinka- und Schillukneger gleichen ihren körperlichen
Merkmalen nach völlig den Fundjnegern am blauen Nil, die im
16. Jahrhundert das Reich Sennar stifteten, welches eine drei-
hundertjährige Dauer genoss. Die Fundj sind Mesocephalen, aber
stark prognath, ihr Haar erreicht die Länge etlicher Zolle und
kräuselt sich, die stark riechende Haut ist braun bis bläulich
schwarz mit Ausnahme der fleischrothen Hand- und Fussteller,
auch erscheinen die Fingernägel achatbraun. Die Lippen sind nur
fleischig, nicht wulstig, die Nase gerade oder leicht gebogen wie
bei vielen Negern West- und Südafrika's 5).

Man hat die Fundj als eigne Race von den Negern absondern
wollen und zwar als nubische Race. Unglücklicher konnte ein
Name wohl nicht gewählt werden, denn Nuba oder Nobah heissen
die Bewohner der Gebirgsgegenden und des flachen Landes in
Kordofan, die sich in allen obigen Merkmalen den Fundj an-

1) Wir folgen der Sprachenkarte von G. Schweinfurth und seinen
Bemerkungen im Globus 1872. Bd. XXII. Nr. 5. S. 75. Die eingeklammer-
ten Namen sind der Dinkasprache entlehnt.
2) G. Schweinfurth, Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1872. Bd. 4.
Supplement S. 61.
3) Hartmann, Nilländer. S. 210.
4) Nach der Ansicht von Reinisch soll ihre Sprache der nubisch-liby-
schen Gruppe angehören. Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1873. Bd. 5. S. 16.
5) Hartmann, Nilländer. S. 273.

Die Neger.
theils arabisch, theils barabrisch gesprochen, während über die
linguistische Stellung der Landbewohner nichts bekannt ist. Im
Gebiet des weissen Nils sitzen die niedrigsten aller Negerstämme.
Vom 11. Breitegrade angefangen gegen Süden finden wir die
Schilluk, die Nuehr, die Dinka, weiter westwärts von diesen die
Luoh (Djur), die Bongo (Dohr), die Sandeh (Niamniam) 1). Auf
Sprachverwandtschaft ist noch nicht geprüft worden, nur soviel
weiss man, dass die Luoh (Djur) und die Bellanda ausgeschwärmte
Schillukstämme sind 2). Die Bongo- (Dohr-) Sprache endlich soll
einestheils Verwandtschaft mit dem Maba in Wadai und dem Bag-
rimma andererseits mit dem Nuba zeigen 3). Unclassifizirt sind
die Sprachen der Elliab-, Bohr- und Baristämme, sowie der merk-
würdigen Monbuttu 4), die, auf eine Million Köpfe geschätzt, sehr
dicht ein Gebiet von 250 Qu.-Meilen am Uëlle bewohnen.

Die Dinka- und Schillukneger gleichen ihren körperlichen
Merkmalen nach völlig den Fundjnegern am blauen Nil, die im
16. Jahrhundert das Reich Sennâr stifteten, welches eine drei-
hundertjährige Dauer genoss. Die Fundj sind Mesocephalen, aber
stark prognath, ihr Haar erreicht die Länge etlicher Zolle und
kräuselt sich, die stark riechende Haut ist braun bis bläulich
schwarz mit Ausnahme der fleischrothen Hand- und Fussteller,
auch erscheinen die Fingernägel achatbraun. Die Lippen sind nur
fleischig, nicht wulstig, die Nase gerade oder leicht gebogen wie
bei vielen Negern West- und Südafrika’s 5).

Man hat die Fundj als eigne Race von den Negern absondern
wollen und zwar als nubische Race. Unglücklicher konnte ein
Name wohl nicht gewählt werden, denn Nuba oder Nôbah heissen
die Bewohner der Gebirgsgegenden und des flachen Landes in
Kordofan, die sich in allen obigen Merkmalen den Fundj an-

1) Wir folgen der Sprachenkarte von G. Schweinfurth und seinen
Bemerkungen im Globus 1872. Bd. XXII. Nr. 5. S. 75. Die eingeklammer-
ten Namen sind der Dinkasprache entlehnt.
2) G. Schweinfurth, Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1872. Bd. 4.
Supplement S. 61.
3) Hartmann, Nilländer. S. 210.
4) Nach der Ansicht von Reinisch soll ihre Sprache der nubisch-liby-
schen Gruppe angehören. Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1873. Bd. 5. S. 16.
5) Hartmann, Nilländer. S. 273.
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[504/0522] Die Neger. theils arabisch, theils barabrisch gesprochen, während über die linguistische Stellung der Landbewohner nichts bekannt ist. Im Gebiet des weissen Nils sitzen die niedrigsten aller Negerstämme. Vom 11. Breitegrade angefangen gegen Süden finden wir die Schilluk, die Nuehr, die Dinka, weiter westwärts von diesen die Luoh (Djur), die Bongo (Dohr), die Sandeh (Niamniam) 1). Auf Sprachverwandtschaft ist noch nicht geprüft worden, nur soviel weiss man, dass die Luoh (Djur) und die Bellanda ausgeschwärmte Schillukstämme sind 2). Die Bongo- (Dohr-) Sprache endlich soll einestheils Verwandtschaft mit dem Maba in Wadai und dem Bag- rimma andererseits mit dem Nuba zeigen 3). Unclassifizirt sind die Sprachen der Elliab-, Bohr- und Baristämme, sowie der merk- würdigen Monbuttu 4), die, auf eine Million Köpfe geschätzt, sehr dicht ein Gebiet von 250 Qu.-Meilen am Uëlle bewohnen. Die Dinka- und Schillukneger gleichen ihren körperlichen Merkmalen nach völlig den Fundjnegern am blauen Nil, die im 16. Jahrhundert das Reich Sennâr stifteten, welches eine drei- hundertjährige Dauer genoss. Die Fundj sind Mesocephalen, aber stark prognath, ihr Haar erreicht die Länge etlicher Zolle und kräuselt sich, die stark riechende Haut ist braun bis bläulich schwarz mit Ausnahme der fleischrothen Hand- und Fussteller, auch erscheinen die Fingernägel achatbraun. Die Lippen sind nur fleischig, nicht wulstig, die Nase gerade oder leicht gebogen wie bei vielen Negern West- und Südafrika’s 5). Man hat die Fundj als eigne Race von den Negern absondern wollen und zwar als nubische Race. Unglücklicher konnte ein Name wohl nicht gewählt werden, denn Nuba oder Nôbah heissen die Bewohner der Gebirgsgegenden und des flachen Landes in Kordofan, die sich in allen obigen Merkmalen den Fundj an- 1) Wir folgen der Sprachenkarte von G. Schweinfurth und seinen Bemerkungen im Globus 1872. Bd. XXII. Nr. 5. S. 75. Die eingeklammer- ten Namen sind der Dinkasprache entlehnt. 2) G. Schweinfurth, Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1872. Bd. 4. Supplement S. 61. 3) Hartmann, Nilländer. S. 210. 4) Nach der Ansicht von Reinisch soll ihre Sprache der nubisch-liby- schen Gruppe angehören. Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1873. Bd. 5. S. 16. 5) Hartmann, Nilländer. S. 273.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/522>, abgerufen am 07.05.2024.