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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die amerikanische Urbevölkerung.
legen, dass das Lederzelt auf beiden Festlanden wiederkehrt, weil
zu einer solchen Erfindung wenig Nachdenken gehört. Auch dass
der sibirische Schamane dem nordamerikanischen Medicinmann in
allen Zügen gleicht, hat wenig Gewicht, weil auch die Schamanen
andrer Welttheile ihnen ähnlich sind. Ernster stimmt uns schon
der Umstand, dass die Waffentänze und Schamanenbräuche der
Ostjaken sich bis auf die kleinsten Besonderheiten bei den Kolu-
schen wiederholen 1). An Märchen der alten Welt, die sich nach
der neuen verirrt haben ist kein Mangel. Unter andern tritt die
Erzählung von einem Abenteurer der an einem hohen Baum bis
in den Himmel klettert und sich wiederum bald an einem Riemen,
bald an einem Strohseil, bald an Haarflechten, wohl auch an der
Rauchsäule einer Hütte auf die Erde niederlässt, bei ugrischen
Volksstämmen2) und bei den athabaskischen Hundsrippen-Indianern
im äussersten Norden der neuen Welt auf3). Märchen werden
indessen wie geflügelte Samen oft über weite Strecken verweht
und zählen wenig wenn es sich um Beweise gemeinsamer Abkunft
handelt. Immerhin deuten sie auf einen alten Verkehr. Weit
weniger wahrscheinlich ist es aber, dass abergläubische Vorschriften
eingetauscht worden seien. Nun halten es die Itelmen Kamtschatkas
für eine grosse Sünde ein brennendes Holzscheit anders anzu-
fassen, als mit den Fingern, namentlich nicht mit der Messer-
spitze4) und ebenso ist den Sioux richtiger den Dacota verboten
glühende Brände oder Kohlen mit einer Ahle oder einem Messer
aus der Gluth zu nehmen5). Die Stämme an der Hudsonsbai,
berichtet Charlevoix6), erweisen den Bären grosse Ehrfurcht.
Haben sie ein solches Thier getödtet, so wird sein Kopf unter
Feierlichkeiten bemalt und dem Erlegten durch Absingen von
Lobliedern gehuldigt. In ganz Sibirien finden wir die Verehrung
des Bären so bei den Giljaken am Amur7), bei den Aino 8), bei

1) Adolf Erman, Reise um die Erde. Berlin 1833. Bd. 1. S. 675.
2) Ahlquist, l. c. p. 109.
3) Tylor, Urgeschichte. S. 443.
4) Steller, Kamtschatka. S. 274.
5) Tylor, Urgeschichte. S. 354.
6) Nouvelle France, tom. III, p. 300.
7) Petermann's Geograph. Mittheilungen. 1857. S. 305.
8) Fr. Müller, Allgemeine Ethnographie. S. 195.
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Die amerikanische Urbevölkerung.
legen, dass das Lederzelt auf beiden Festlanden wiederkehrt, weil
zu einer solchen Erfindung wenig Nachdenken gehört. Auch dass
der sibirische Schamane dem nordamerikanischen Medicinmann in
allen Zügen gleicht, hat wenig Gewicht, weil auch die Schamanen
andrer Welttheile ihnen ähnlich sind. Ernster stimmt uns schon
der Umstand, dass die Waffentänze und Schamanenbräuche der
Ostjaken sich bis auf die kleinsten Besonderheiten bei den Kolu-
schen wiederholen 1). An Märchen der alten Welt, die sich nach
der neuen verirrt haben ist kein Mangel. Unter andern tritt die
Erzählung von einem Abenteurer der an einem hohen Baum bis
in den Himmel klettert und sich wiederum bald an einem Riemen,
bald an einem Strohseil, bald an Haarflechten, wohl auch an der
Rauchsäule einer Hütte auf die Erde niederlässt, bei ugrischen
Volksstämmen2) und bei den athabaskischen Hundsrippen-Indianern
im äussersten Norden der neuen Welt auf3). Märchen werden
indessen wie geflügelte Samen oft über weite Strecken verweht
und zählen wenig wenn es sich um Beweise gemeinsamer Abkunft
handelt. Immerhin deuten sie auf einen alten Verkehr. Weit
weniger wahrscheinlich ist es aber, dass abergläubische Vorschriften
eingetauscht worden seien. Nun halten es die Itelmen Kamtschatkas
für eine grosse Sünde ein brennendes Holzscheit anders anzu-
fassen, als mit den Fingern, namentlich nicht mit der Messer-
spitze4) und ebenso ist den Sioux richtiger den Dacota verboten
glühende Brände oder Kohlen mit einer Ahle oder einem Messer
aus der Gluth zu nehmen5). Die Stämme an der Hudsonsbai,
berichtet Charlevoix6), erweisen den Bären grosse Ehrfurcht.
Haben sie ein solches Thier getödtet, so wird sein Kopf unter
Feierlichkeiten bemalt und dem Erlegten durch Absingen von
Lobliedern gehuldigt. In ganz Sibirien finden wir die Verehrung
des Bären so bei den Giljaken am Amur7), bei den Aino 8), bei

1) Adolf Erman, Reise um die Erde. Berlin 1833. Bd. 1. S. 675.
2) Ahlquist, l. c. p. 109.
3) Tylor, Urgeschichte. S. 443.
4) Steller, Kamtschatka. S. 274.
5) Tylor, Urgeschichte. S. 354.
6) Nouvelle France, tom. III, p. 300.
7) Petermann’s Geograph. Mittheilungen. 1857. S. 305.
8) Fr. Müller, Allgemeine Ethnographie. S. 195.
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[435/0453] Die amerikanische Urbevölkerung. legen, dass das Lederzelt auf beiden Festlanden wiederkehrt, weil zu einer solchen Erfindung wenig Nachdenken gehört. Auch dass der sibirische Schamane dem nordamerikanischen Medicinmann in allen Zügen gleicht, hat wenig Gewicht, weil auch die Schamanen andrer Welttheile ihnen ähnlich sind. Ernster stimmt uns schon der Umstand, dass die Waffentänze und Schamanenbräuche der Ostjaken sich bis auf die kleinsten Besonderheiten bei den Kolu- schen wiederholen 1). An Märchen der alten Welt, die sich nach der neuen verirrt haben ist kein Mangel. Unter andern tritt die Erzählung von einem Abenteurer der an einem hohen Baum bis in den Himmel klettert und sich wiederum bald an einem Riemen, bald an einem Strohseil, bald an Haarflechten, wohl auch an der Rauchsäule einer Hütte auf die Erde niederlässt, bei ugrischen Volksstämmen 2) und bei den athabaskischen Hundsrippen-Indianern im äussersten Norden der neuen Welt auf 3). Märchen werden indessen wie geflügelte Samen oft über weite Strecken verweht und zählen wenig wenn es sich um Beweise gemeinsamer Abkunft handelt. Immerhin deuten sie auf einen alten Verkehr. Weit weniger wahrscheinlich ist es aber, dass abergläubische Vorschriften eingetauscht worden seien. Nun halten es die Itelmen Kamtschatkas für eine grosse Sünde ein brennendes Holzscheit anders anzu- fassen, als mit den Fingern, namentlich nicht mit der Messer- spitze 4) und ebenso ist den Sioux richtiger den Dacota verboten glühende Brände oder Kohlen mit einer Ahle oder einem Messer aus der Gluth zu nehmen 5). Die Stämme an der Hudsonsbai, berichtet Charlevoix 6), erweisen den Bären grosse Ehrfurcht. Haben sie ein solches Thier getödtet, so wird sein Kopf unter Feierlichkeiten bemalt und dem Erlegten durch Absingen von Lobliedern gehuldigt. In ganz Sibirien finden wir die Verehrung des Bären so bei den Giljaken am Amur 7), bei den Aino 8), bei 1) Adolf Erman, Reise um die Erde. Berlin 1833. Bd. 1. S. 675. 2) Ahlquist, l. c. p. 109. 3) Tylor, Urgeschichte. S. 443. 4) Steller, Kamtschatka. S. 274. 5) Tylor, Urgeschichte. S. 354. 6) Nouvelle France, tom. III, p. 300. 7) Petermann’s Geograph. Mittheilungen. 1857. S. 305. 8) Fr. Müller, Allgemeine Ethnographie. S. 195. 28*

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/453>, abgerufen am 23.12.2024.