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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die amerikanische Urbevölkerung.
Stämmen beobachtet werden, dürfen als ein mongolisches Ahnen-
merkmal (Atavismus) gelten. Wenn sie auch nicht zu den
strengen Wahrzeichen aller nordasiatischen Völker gehören, so
sind sie doch nur innerhalb der mongolischen Race anzutreffen,
nachdem Fritsch überzeugend bewiesen hat, dass sie bei Hotten-
totten nicht vorkommen und ihr beschränktes örtliches Auftreten
in Australien einer Blutmischung mit Malayen zugeschrieben werden
darf1). Nur durch ein einziges Körpermerkmal entfernen sich
manche amerikanischen Stämme von den asiatischen Mongolen.
Diesen ist nämlich ein niedriger Nasensattel sowie eine kleine auf-
gestülpte Nase eigen. Bei den Jägerstämmen der Vereinigten
Staaten, namentlich bei Häuptlingen begegnen wir dagegen Nasen
mit hohem Rücken. Ferner ist es ja bekannt, dass die Mexicaner
und andre Culturvölker Mittelamerikas den Gesichtern ihrer Götzen
sehr stark vortretende Nasen verliehen, so dass also auch unter
ihnen hin und wieder Leute mit einer solchen bevorzugten Bildung
aufgetreten sein müssen. Auch in Südamerika bis unter hohe
Breiten kommt diese Abweichung von dem Mongolentypus vor,
denn sowohl unter den ausgestorbnen Abiponen wie unter den
gegenwärtigen Patagoniern gehörten und gehören sogenannte
Adlernasen nicht zu den Seltenheiten 2). Doch kann eine nur
örtlich auftretende Besonderheit nicht als Racenmerkmal gelten,
sonst müsste sie allen Eingebornen der neuen Welt zukommen.

Eine völlige Abtrennung der amerikanischen von den asiati-
schen Mongolen könnte sich höchstens auf die innere Verschieden-
heit der Sprachen stützen. Die grossen Abschnitte in unserm
Lehrgebäude sind jedoch nur auf Unterschiede der Körpermerk-
male begründet worden. Auch drängt es uns jetzt zu fragen, ob
nicht der Sprachtypus der Amerikaner gerade darauf hindeute,
dass sie vor ihrer Einwanderung in die neue Welt mit uralaltaischen
Völkern auf einer gemeinsamen Entwicklungsstufe gestanden sind.
Eigenthümlich ist den amerikanischen Sprachen wie wir sahen 3),
dass bei ihnen die Satzbildung in der Wortgestalt aufgeht, wes-

1) S. oben S. 339.
2) Dobrizhoffer, Geschichte der Abiponer. Bd. 2. S. 24. Musters,
Unter den Patagoniern. Leipzig 1873. S. 172.
3) S. oben S. 127.
Peschel, Völkerkunde. 28

Die amerikanische Urbevölkerung.
Stämmen beobachtet werden, dürfen als ein mongolisches Ahnen-
merkmal (Atavismus) gelten. Wenn sie auch nicht zu den
strengen Wahrzeichen aller nordasiatischen Völker gehören, so
sind sie doch nur innerhalb der mongolischen Race anzutreffen,
nachdem Fritsch überzeugend bewiesen hat, dass sie bei Hotten-
totten nicht vorkommen und ihr beschränktes örtliches Auftreten
in Australien einer Blutmischung mit Malayen zugeschrieben werden
darf1). Nur durch ein einziges Körpermerkmal entfernen sich
manche amerikanischen Stämme von den asiatischen Mongolen.
Diesen ist nämlich ein niedriger Nasensattel sowie eine kleine auf-
gestülpte Nase eigen. Bei den Jägerstämmen der Vereinigten
Staaten, namentlich bei Häuptlingen begegnen wir dagegen Nasen
mit hohem Rücken. Ferner ist es ja bekannt, dass die Mexicaner
und andre Culturvölker Mittelamerikas den Gesichtern ihrer Götzen
sehr stark vortretende Nasen verliehen, so dass also auch unter
ihnen hin und wieder Leute mit einer solchen bevorzugten Bildung
aufgetreten sein müssen. Auch in Südamerika bis unter hohe
Breiten kommt diese Abweichung von dem Mongolentypus vor,
denn sowohl unter den ausgestorbnen Abiponen wie unter den
gegenwärtigen Patagoniern gehörten und gehören sogenannte
Adlernasen nicht zu den Seltenheiten 2). Doch kann eine nur
örtlich auftretende Besonderheit nicht als Racenmerkmal gelten,
sonst müsste sie allen Eingebornen der neuen Welt zukommen.

Eine völlige Abtrennung der amerikanischen von den asiati-
schen Mongolen könnte sich höchstens auf die innere Verschieden-
heit der Sprachen stützen. Die grossen Abschnitte in unserm
Lehrgebäude sind jedoch nur auf Unterschiede der Körpermerk-
male begründet worden. Auch drängt es uns jetzt zu fragen, ob
nicht der Sprachtypus der Amerikaner gerade darauf hindeute,
dass sie vor ihrer Einwanderung in die neue Welt mit uralaltaischen
Völkern auf einer gemeinsamen Entwicklungsstufe gestanden sind.
Eigenthümlich ist den amerikanischen Sprachen wie wir sahen 3),
dass bei ihnen die Satzbildung in der Wortgestalt aufgeht, wes-

1) S. oben S. 339.
2) Dobrizhoffer, Geschichte der Abiponer. Bd. 2. S. 24. Musters,
Unter den Patagoniern. Leipzig 1873. S. 172.
3) S. oben S. 127.
Peschel, Völkerkunde. 28
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[433/0451] Die amerikanische Urbevölkerung. Stämmen beobachtet werden, dürfen als ein mongolisches Ahnen- merkmal (Atavismus) gelten. Wenn sie auch nicht zu den strengen Wahrzeichen aller nordasiatischen Völker gehören, so sind sie doch nur innerhalb der mongolischen Race anzutreffen, nachdem Fritsch überzeugend bewiesen hat, dass sie bei Hotten- totten nicht vorkommen und ihr beschränktes örtliches Auftreten in Australien einer Blutmischung mit Malayen zugeschrieben werden darf 1). Nur durch ein einziges Körpermerkmal entfernen sich manche amerikanischen Stämme von den asiatischen Mongolen. Diesen ist nämlich ein niedriger Nasensattel sowie eine kleine auf- gestülpte Nase eigen. Bei den Jägerstämmen der Vereinigten Staaten, namentlich bei Häuptlingen begegnen wir dagegen Nasen mit hohem Rücken. Ferner ist es ja bekannt, dass die Mexicaner und andre Culturvölker Mittelamerikas den Gesichtern ihrer Götzen sehr stark vortretende Nasen verliehen, so dass also auch unter ihnen hin und wieder Leute mit einer solchen bevorzugten Bildung aufgetreten sein müssen. Auch in Südamerika bis unter hohe Breiten kommt diese Abweichung von dem Mongolentypus vor, denn sowohl unter den ausgestorbnen Abiponen wie unter den gegenwärtigen Patagoniern gehörten und gehören sogenannte Adlernasen nicht zu den Seltenheiten 2). Doch kann eine nur örtlich auftretende Besonderheit nicht als Racenmerkmal gelten, sonst müsste sie allen Eingebornen der neuen Welt zukommen. Eine völlige Abtrennung der amerikanischen von den asiati- schen Mongolen könnte sich höchstens auf die innere Verschieden- heit der Sprachen stützen. Die grossen Abschnitte in unserm Lehrgebäude sind jedoch nur auf Unterschiede der Körpermerk- male begründet worden. Auch drängt es uns jetzt zu fragen, ob nicht der Sprachtypus der Amerikaner gerade darauf hindeute, dass sie vor ihrer Einwanderung in die neue Welt mit uralaltaischen Völkern auf einer gemeinsamen Entwicklungsstufe gestanden sind. Eigenthümlich ist den amerikanischen Sprachen wie wir sahen 3), dass bei ihnen die Satzbildung in der Wortgestalt aufgeht, wes- 1) S. oben S. 339. 2) Dobrizhoffer, Geschichte der Abiponer. Bd. 2. S. 24. Musters, Unter den Patagoniern. Leipzig 1873. S. 172. 3) S. oben S. 127. Peschel, Völkerkunde. 28

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/451>, abgerufen am 04.05.2024.