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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.
bis zum Jahre 841 zurück. Schon beim Auftreten der dritten Dy-
nastie schwanken aber die Zeitangaben um 11 Jahre, nämlich entweder
müssen wir diese Begebenheit in das J. 1122 oder 1111 v. Chr. ver-
setzen. Die Zeiten der ersten Dynastie endlich, sowie der Regie-
rungen Yao's oder Schün's können die Sinologen genauer nicht
befestigen, als dass die letzteren in das 19. oder das 20. Jahrhun-
dert 1) v. Chr. gehören. Jahreszahlen also, die noch in das dritte
Jahrtausend zurückgehen, sind kritisch zu verwerfen.

Das chinesische Reich hat gleichwohl eine Dauer von beinahe
4000 Jahren genossen, innerhalb welcher Zeit eine Art Entwicklungs-
krankheit genau wie sie das deutsche Reich im Mittelalter erlitt,
nämlich ein Zerfall der kaiserlichen Gewalt und das Emporkommen
von kleinen Sonder- und Raubstaaten überstanden werden musste,
bis unter den Thsin die königliche Gewalt stärker denn je wieder
aufgerichtet wurde. Neben dieser Zeitdauer erscheinen die Staats-
schöpfungen der mittelländischen Racen, erscheint das Chaldäerreich,
die Herrschaft der Assyrier, das neue Babylon und die Monarchie der
Achaemeniden, erscheint selbst das römische Reich als eine vergäng-
liche Gestaltung, nur Aegypten allein mit seinen bis ins 39. Jahr-
hundert v. Chr. noch zu verfolgenden Königsgeschlechtern gewährt
uns noch einen würdigeren Gegenstand für unsere Ehrfurcht. Wie
aber im Nilthale vor Menes schon Völker in gesellschaftlicher
Ordnung lange Zeiträume hindurch gelebt haben müssen, so beginnt
auch die chinesische Reichschronik mit geordneten Zuständen.
Unter Yü, dem Stifter der ersten Dynastie werden bereits Canäle
ausgestochen, im Rathe der Krone geniesst der Minister der
öffentlichen Arbeiten eine bevorzugte Stellung und das Ackerland
wird nach Bonitätsklassen besteuert 2). Es gab im alten China
schon eine geschäftige Polizei, Passwesen und Thorschreiber, Jagd-
verbote zur Brut- oder Werfezeit, Schutz der Eier im Neste der

1) Legge, Chinese classics. Part III. Prologomena p. 102. John Chalmers
hat gezeigt, dass für China in der Zeit von 2154 bis 1718 v. Chr. nicht
weniger als 16 Verfinsterungen der Sonne in dem Zeichen des Scorpions
sichtbar waren, und es ist daher ganz willkürlich, welche von diesen Verfin-
sterungen als diejenige gelten soll die sich zur Regierungszeit von Tschung-kang
zutrug.
2) J. H. Plath, Verfassung und Verwaltung Chinas unter den drei
ersten Dynastien. München 1865. S. 32. S. 37. ff.

Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.
bis zum Jahre 841 zurück. Schon beim Auftreten der dritten Dy-
nastie schwanken aber die Zeitangaben um 11 Jahre, nämlich entweder
müssen wir diese Begebenheit in das J. 1122 oder 1111 v. Chr. ver-
setzen. Die Zeiten der ersten Dynastie endlich, sowie der Regie-
rungen Yao’s oder Schün’s können die Sinologen genauer nicht
befestigen, als dass die letzteren in das 19. oder das 20. Jahrhun-
dert 1) v. Chr. gehören. Jahreszahlen also, die noch in das dritte
Jahrtausend zurückgehen, sind kritisch zu verwerfen.

Das chinesische Reich hat gleichwohl eine Dauer von beinahe
4000 Jahren genossen, innerhalb welcher Zeit eine Art Entwicklungs-
krankheit genau wie sie das deutsche Reich im Mittelalter erlitt,
nämlich ein Zerfall der kaiserlichen Gewalt und das Emporkommen
von kleinen Sonder- und Raubstaaten überstanden werden musste,
bis unter den Thsin die königliche Gewalt stärker denn je wieder
aufgerichtet wurde. Neben dieser Zeitdauer erscheinen die Staats-
schöpfungen der mittelländischen Racen, erscheint das Chaldäerreich,
die Herrschaft der Assyrier, das neue Babylon und die Monarchie der
Achaemeniden, erscheint selbst das römische Reich als eine vergäng-
liche Gestaltung, nur Aegypten allein mit seinen bis ins 39. Jahr-
hundert v. Chr. noch zu verfolgenden Königsgeschlechtern gewährt
uns noch einen würdigeren Gegenstand für unsere Ehrfurcht. Wie
aber im Nilthale vor Menes schon Völker in gesellschaftlicher
Ordnung lange Zeiträume hindurch gelebt haben müssen, so beginnt
auch die chinesische Reichschronik mit geordneten Zuständen.
Unter Yü, dem Stifter der ersten Dynastie werden bereits Canäle
ausgestochen, im Rathe der Krone geniesst der Minister der
öffentlichen Arbeiten eine bevorzugte Stellung und das Ackerland
wird nach Bonitätsklassen besteuert 2). Es gab im alten China
schon eine geschäftige Polizei, Passwesen und Thorschreiber, Jagd-
verbote zur Brut- oder Werfezeit, Schutz der Eier im Neste der

1) Legge, Chinese classics. Part III. Prologomena p. 102. John Chalmers
hat gezeigt, dass für China in der Zeit von 2154 bis 1718 v. Chr. nicht
weniger als 16 Verfinsterungen der Sonne in dem Zeichen des Scorpions
sichtbar waren, und es ist daher ganz willkürlich, welche von diesen Verfin-
sterungen als diejenige gelten soll die sich zur Regierungszeit von Tschung-kang
zutrug.
2) J. H. Plath, Verfassung und Verwaltung Chinas unter den drei
ersten Dynastien. München 1865. S. 32. S. 37. ff.
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[390/0408] Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen. bis zum Jahre 841 zurück. Schon beim Auftreten der dritten Dy- nastie schwanken aber die Zeitangaben um 11 Jahre, nämlich entweder müssen wir diese Begebenheit in das J. 1122 oder 1111 v. Chr. ver- setzen. Die Zeiten der ersten Dynastie endlich, sowie der Regie- rungen Yao’s oder Schün’s können die Sinologen genauer nicht befestigen, als dass die letzteren in das 19. oder das 20. Jahrhun- dert 1) v. Chr. gehören. Jahreszahlen also, die noch in das dritte Jahrtausend zurückgehen, sind kritisch zu verwerfen. Das chinesische Reich hat gleichwohl eine Dauer von beinahe 4000 Jahren genossen, innerhalb welcher Zeit eine Art Entwicklungs- krankheit genau wie sie das deutsche Reich im Mittelalter erlitt, nämlich ein Zerfall der kaiserlichen Gewalt und das Emporkommen von kleinen Sonder- und Raubstaaten überstanden werden musste, bis unter den Thsin die königliche Gewalt stärker denn je wieder aufgerichtet wurde. Neben dieser Zeitdauer erscheinen die Staats- schöpfungen der mittelländischen Racen, erscheint das Chaldäerreich, die Herrschaft der Assyrier, das neue Babylon und die Monarchie der Achaemeniden, erscheint selbst das römische Reich als eine vergäng- liche Gestaltung, nur Aegypten allein mit seinen bis ins 39. Jahr- hundert v. Chr. noch zu verfolgenden Königsgeschlechtern gewährt uns noch einen würdigeren Gegenstand für unsere Ehrfurcht. Wie aber im Nilthale vor Menes schon Völker in gesellschaftlicher Ordnung lange Zeiträume hindurch gelebt haben müssen, so beginnt auch die chinesische Reichschronik mit geordneten Zuständen. Unter Yü, dem Stifter der ersten Dynastie werden bereits Canäle ausgestochen, im Rathe der Krone geniesst der Minister der öffentlichen Arbeiten eine bevorzugte Stellung und das Ackerland wird nach Bonitätsklassen besteuert 2). Es gab im alten China schon eine geschäftige Polizei, Passwesen und Thorschreiber, Jagd- verbote zur Brut- oder Werfezeit, Schutz der Eier im Neste der 1) Legge, Chinese classics. Part III. Prologomena p. 102. John Chalmers hat gezeigt, dass für China in der Zeit von 2154 bis 1718 v. Chr. nicht weniger als 16 Verfinsterungen der Sonne in dem Zeichen des Scorpions sichtbar waren, und es ist daher ganz willkürlich, welche von diesen Verfin- sterungen als diejenige gelten soll die sich zur Regierungszeit von Tschung-kang zutrug. 2) J. H. Plath, Verfassung und Verwaltung Chinas unter den drei ersten Dynastien. München 1865. S. 32. S. 37. ff.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/408>, abgerufen am 28.04.2024.