Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung. kann über die Anthropophagie der Botocuden kein Zweifel aufkommen.Weit zahlreicher sind jedoch die Fälle, dass wir die grauenhafte Ge- wohnheit gerade bei Völkern und Völkergruppen antreffen, die sich durch Begabung und reifere gesellschaftliche Zustände vor ihren Nachbarn auszeichnen, wie die Altmexicaner, deren schon gedacht wurde. So sind auch sämmtliche Papuanen, also die Bewohner Neu-Guineas mit seinem Zubehör an Inseln, der Salomonen, der neuen Hebriden, Neu-Caledoniens und der Fidschigruppe Men- schenfresser aus Lüsternheit und doch müssen wir sie als Race geistig so hoch oder höher stellen als die Polynesier. Unter den asiatischen Malayen sehen wir die Batta auf Sumatra so hoch ge- stiegen, dass sie sich ein eignes Alphabet, wenn auch nach indi- schen Mustern, erschufen 1). Was ein holländischer Statthalter von Padang dem Reisenden Bickmore 2) über den angeblich späten Ursprung des empörenden Lasters mittheilte, ist eine selbsterfundene Sage der Batta, denn sie waren Anthropophagen bereits zu Nicolo Conti's 3), selbst schon zu Marco Polo's 4) Zeiten, ja wenn die Insel Ramni der alten arabischen Reiseberichte richtig als Sumatra er- kannt worden ist, so würden schon vor tausend Jahren die Batta die Würde des Menschengeschlechtes durch ihr Laster geschändet haben 5). Im äquatorialen Afrika finden wir zwei eben so tief ge- sunkene Stämme, nämlich an der Westküste die von Du Chaillu zuerst und später von Burton beschriebenen Fan, die sich durch ihre Eisenindustrie und einen höheren Grad von Intelligenz aus- zeichnen 6), so wie im Gebiete das Gazellen-Nils die beträchtlich über ihre Nachbarn an Cultur hervorragenden Niamniam oder Sandeh, deren Anthropophagie uns nacheinander von Petherick und Piaggia bestätigt worden ist. Endlich hat Georg Schweinfurth 1) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 114. 2) Reisen im ostindischen Archipel. Jena 1869. S. 340. 3) Seine Worte lauten nach dem einzig richtigen Texte des Poggio den Fr. Kunstmann neu herausgegeben hat (Indien im 15. Jahrhundert. München 1863. S. 40) In ejus insulae (nämlich Sumatra), quam dicunt Bathech parte anthropophagi habitant. 4) lib. III, cap. 11. 5) Peschel, Gesch. d. Erdkunde. S. 107. 6) Winwood Reade (Savage Africa. London 1863. p. 161) nennt die
Fan "einen äusserst höflichen und liebenswürdigen Menschenstamm." Nach Zucchelli (Missione di Congo XI, 1. Venezia 1712. p. 198) gehören auch die Congoneger unter die Menschenfresser. Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung. kann über die Anthropophagie der Botocuden kein Zweifel aufkommen.Weit zahlreicher sind jedoch die Fälle, dass wir die grauenhafte Ge- wohnheit gerade bei Völkern und Völkergruppen antreffen, die sich durch Begabung und reifere gesellschaftliche Zustände vor ihren Nachbarn auszeichnen, wie die Altmexicaner, deren schon gedacht wurde. So sind auch sämmtliche Papuanen, also die Bewohner Neu-Guineas mit seinem Zubehör an Inseln, der Salomonen, der neuen Hebriden, Neu-Caledoniens und der Fidschigruppe Men- schenfresser aus Lüsternheit und doch müssen wir sie als Race geistig so hoch oder höher stellen als die Polynesier. Unter den asiatischen Malayen sehen wir die Batta auf Sumatra so hoch ge- stiegen, dass sie sich ein eignes Alphabet, wenn auch nach indi- schen Mustern, erschufen 1). Was ein holländischer Statthalter von Padang dem Reisenden Bickmore 2) über den angeblich späten Ursprung des empörenden Lasters mittheilte, ist eine selbsterfundene Sage der Batta, denn sie waren Anthropophagen bereits zu Nicolo Conti’s 3), selbst schon zu Marco Polo’s 4) Zeiten, ja wenn die Insel Ramni der alten arabischen Reiseberichte richtig als Sumatra er- kannt worden ist, so würden schon vor tausend Jahren die Batta die Würde des Menschengeschlechtes durch ihr Laster geschändet haben 5). Im äquatorialen Afrika finden wir zwei eben so tief ge- sunkene Stämme, nämlich an der Westküste die von Du Chaillu zuerst und später von Burton beschriebenen Fan, die sich durch ihre Eisenindustrie und einen höheren Grad von Intelligenz aus- zeichnen 6), so wie im Gebiete das Gazellen-Nils die beträchtlich über ihre Nachbarn an Cultur hervorragenden Niamniam oder Sandeh, deren Anthropophagie uns nacheinander von Petherick und Piaggia bestätigt worden ist. Endlich hat Georg Schweinfurth 1) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 114. 2) Reisen im ostindischen Archipel. Jena 1869. S. 340. 3) Seine Worte lauten nach dem einzig richtigen Texte des Poggio den Fr. Kunstmann neu herausgegeben hat (Indien im 15. Jahrhundert. München 1863. S. 40) In ejus insulae (nämlich Sumatra), quam dicunt Bathech parte anthropophagi habitant. 4) lib. III, cap. 11. 5) Peschel, Gesch. d. Erdkunde. S. 107. 6) Winwood Reade (Savage Africa. London 1863. p. 161) nennt die
Fan „einen äusserst höflichen und liebenswürdigen Menschenstamm.“ Nach Zucchelli (Missione di Congo XI, 1. Venezia 1712. p. 198) gehören auch die Congoneger unter die Menschenfresser. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0185" n="167"/><fw place="top" type="header">Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung.</fw><lb/> kann über die Anthropophagie der Botocuden kein Zweifel aufkommen.<lb/> Weit zahlreicher sind jedoch die Fälle, dass wir die grauenhafte Ge-<lb/> wohnheit gerade bei Völkern und Völkergruppen antreffen, die sich<lb/> durch Begabung und reifere gesellschaftliche Zustände vor ihren<lb/> Nachbarn auszeichnen, wie die Altmexicaner, deren schon gedacht<lb/> wurde. So sind auch sämmtliche Papuanen, also die Bewohner<lb/> Neu-Guineas mit seinem Zubehör an Inseln, der Salomonen, der<lb/> neuen Hebriden, Neu-Caledoniens und der Fidschigruppe Men-<lb/> schenfresser aus Lüsternheit und doch müssen wir sie als Race<lb/> geistig so hoch oder höher stellen als die Polynesier. Unter den<lb/> asiatischen Malayen sehen wir die Batta auf Sumatra so hoch ge-<lb/> stiegen, dass sie sich ein eignes Alphabet, wenn auch nach indi-<lb/> schen Mustern, erschufen <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Waitz</hi>, Anthropologie. Bd. 5. S. 114.</note>. Was ein holländischer Statthalter von<lb/> Padang dem Reisenden Bickmore <note place="foot" n="2)">Reisen im ostindischen Archipel. Jena 1869. S. 340.</note> über den angeblich späten<lb/> Ursprung des empörenden Lasters mittheilte, ist eine selbsterfundene<lb/> Sage der Batta, denn sie waren Anthropophagen bereits zu Nicolo<lb/> Conti’s <note place="foot" n="3)">Seine Worte lauten nach dem einzig richtigen Texte des Poggio den<lb/> Fr. Kunstmann neu herausgegeben hat (Indien im 15. Jahrhundert. München<lb/> 1863. S. 40) <hi rendition="#i">In ejus insulae</hi> (nämlich Sumatra), <hi rendition="#i">quam dicunt Bathech parte<lb/> anthropophagi habitant</hi>.</note>, selbst schon zu Marco Polo’s <note place="foot" n="4)">lib. III, cap. 11.</note> Zeiten, ja wenn die Insel<lb/> Ramni der alten arabischen Reiseberichte richtig als Sumatra er-<lb/> kannt worden ist, so würden schon vor tausend Jahren die Batta<lb/> die Würde des Menschengeschlechtes durch ihr Laster geschändet<lb/> haben <note place="foot" n="5)"><hi rendition="#g">Peschel</hi>, Gesch. d. Erdkunde. S. 107.</note>. Im äquatorialen Afrika finden wir zwei eben so tief ge-<lb/> sunkene Stämme, nämlich an der Westküste die von Du Chaillu<lb/> zuerst und später von Burton beschriebenen Fan, die sich durch<lb/> ihre Eisenindustrie und einen höheren Grad von Intelligenz aus-<lb/> zeichnen <note place="foot" n="6)"><hi rendition="#g">Winwood Reade</hi> (Savage Africa. London 1863. p. 161) nennt die<lb/> Fan „einen äusserst höflichen und liebenswürdigen Menschenstamm.“ Nach<lb/><hi rendition="#g">Zucchelli</hi> (Missione di Congo XI, 1. Venezia 1712. p. 198) gehören<lb/> auch die Congoneger unter die Menschenfresser.</note>, so wie im Gebiete das Gazellen-Nils die beträchtlich<lb/> über ihre Nachbarn an Cultur hervorragenden Niamniam oder<lb/> Sandeh, deren Anthropophagie uns nacheinander von Petherick<lb/> und Piaggia bestätigt worden ist. Endlich hat Georg Schweinfurth<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [167/0185]
Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung.
kann über die Anthropophagie der Botocuden kein Zweifel aufkommen.
Weit zahlreicher sind jedoch die Fälle, dass wir die grauenhafte Ge-
wohnheit gerade bei Völkern und Völkergruppen antreffen, die sich
durch Begabung und reifere gesellschaftliche Zustände vor ihren
Nachbarn auszeichnen, wie die Altmexicaner, deren schon gedacht
wurde. So sind auch sämmtliche Papuanen, also die Bewohner
Neu-Guineas mit seinem Zubehör an Inseln, der Salomonen, der
neuen Hebriden, Neu-Caledoniens und der Fidschigruppe Men-
schenfresser aus Lüsternheit und doch müssen wir sie als Race
geistig so hoch oder höher stellen als die Polynesier. Unter den
asiatischen Malayen sehen wir die Batta auf Sumatra so hoch ge-
stiegen, dass sie sich ein eignes Alphabet, wenn auch nach indi-
schen Mustern, erschufen 1). Was ein holländischer Statthalter von
Padang dem Reisenden Bickmore 2) über den angeblich späten
Ursprung des empörenden Lasters mittheilte, ist eine selbsterfundene
Sage der Batta, denn sie waren Anthropophagen bereits zu Nicolo
Conti’s 3), selbst schon zu Marco Polo’s 4) Zeiten, ja wenn die Insel
Ramni der alten arabischen Reiseberichte richtig als Sumatra er-
kannt worden ist, so würden schon vor tausend Jahren die Batta
die Würde des Menschengeschlechtes durch ihr Laster geschändet
haben 5). Im äquatorialen Afrika finden wir zwei eben so tief ge-
sunkene Stämme, nämlich an der Westküste die von Du Chaillu
zuerst und später von Burton beschriebenen Fan, die sich durch
ihre Eisenindustrie und einen höheren Grad von Intelligenz aus-
zeichnen 6), so wie im Gebiete das Gazellen-Nils die beträchtlich
über ihre Nachbarn an Cultur hervorragenden Niamniam oder
Sandeh, deren Anthropophagie uns nacheinander von Petherick
und Piaggia bestätigt worden ist. Endlich hat Georg Schweinfurth
1) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 114.
2) Reisen im ostindischen Archipel. Jena 1869. S. 340.
3) Seine Worte lauten nach dem einzig richtigen Texte des Poggio den
Fr. Kunstmann neu herausgegeben hat (Indien im 15. Jahrhundert. München
1863. S. 40) In ejus insulae (nämlich Sumatra), quam dicunt Bathech parte
anthropophagi habitant.
4) lib. III, cap. 11.
5) Peschel, Gesch. d. Erdkunde. S. 107.
6) Winwood Reade (Savage Africa. London 1863. p. 161) nennt die
Fan „einen äusserst höflichen und liebenswürdigen Menschenstamm.“ Nach
Zucchelli (Missione di Congo XI, 1. Venezia 1712. p. 198) gehören
auch die Congoneger unter die Menschenfresser.
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