Genau das nämliche berichtet Theophilus Hahn von den Kafirn 1), die doch sehr trockne Erdstriche bewohnen. Bei seinen Streif- zügen im Himalaya bemerkte Hermann v. Schlagintweit zuerst bei den Leptscha ein solches Feuerzeug, welches nur darin etwas Be- sonderes zeigte, dass die Unterlage aus hartem, der Quirl aus weichem Holze bestand. Auch er fügt hinzu, dass die Arbeit stark ermüde und der Erfolg bei grösserer Sättigung der Luft mit Wasser- dampf unsicher sei 2).
Vergegenwärtigen wir uns, dass die Schwierigkeit, durch Rei- bung Feuer zu entzünden, so gross ist, dass selbst im trockenen Süd-Afrika in die rasch ermüdende Arbeit sich mehrere theilen, so setzt die künstliche Feuerbereitung eine Verständigung zwischen den Theilnehmern voraus, und es kann gegen die Strenge des Schlusses wohl nichts eingewendet werden, dass die menschliche Sprache vorhanden gewesen sein müsse, bevor ein Feuer künstlich bereitet werden konnte, dass somit die früher erwähnten Schwaben der Eiszeit im Genuss einer solchen Sprache sich befunden haben müssen, also damals bereits die psychische Kluft schon vorhanden war, die Mensch und Thier von einander trennt. Tief erregt werden wir gleichzeitig durch die Frage, ob die künstliche Ent- zündung des Feuers eine Erfindung oder nur eine Entdeckung ge- wesen sei. Würde sich etwa ein gewaltiger Denker der Vorzeit von der Vermuthung haben leiten lassen: durch Reibung werde Wärme erzeugt, sollte nicht auch das Feuer durch die höchste Steigerung der Reibungswärme gewonnen werden können? so hätte in ihm die Wahrheit gedämmert, dass die leuchtende Wärme sich durch nichts als ihre Quantität und ihre Wirkung auf den Seh- nerven von der dunklen Wärme unterscheide und sein darauf be- gründeter Entzündungsversuch durch Reibung wäre ein Ja der Natur auf eine richtig gestellte Frage gewesen. An Schärfe des Verstandes wäre ein solcher Prometheus der Eiszeit nicht hinter einem Kopernikus oder Kepler, einem Champollion oder Grote- fend, einem Kirchhoff oder Faraday zurückgeblieben und wir gewännen damit den Satz, dass das höchste Maass der Denkkraft, welches einzelnen auserwählten Menschen hin und wieder zu Theil wird, in unsern Tagen nicht grösser sei, als es bei den Völkern
1) Globus. Bd. 20. No. 10. Septbr. 1871. S. 148.
2) Reisen in Indien und Hochasien. Bd. 2. S. 201.
Die Urzustände des Menschengeschlechtes.
Genau das nämliche berichtet Theophilus Hahn von den Kafirn 1), die doch sehr trockne Erdstriche bewohnen. Bei seinen Streif- zügen im Himalaya bemerkte Hermann v. Schlagintweit zuerst bei den Leptscha ein solches Feuerzeug, welches nur darin etwas Be- sonderes zeigte, dass die Unterlage aus hartem, der Quirl aus weichem Holze bestand. Auch er fügt hinzu, dass die Arbeit stark ermüde und der Erfolg bei grösserer Sättigung der Luft mit Wasser- dampf unsicher sei 2).
Vergegenwärtigen wir uns, dass die Schwierigkeit, durch Rei- bung Feuer zu entzünden, so gross ist, dass selbst im trockenen Süd-Afrika in die rasch ermüdende Arbeit sich mehrere theilen, so setzt die künstliche Feuerbereitung eine Verständigung zwischen den Theilnehmern voraus, und es kann gegen die Strenge des Schlusses wohl nichts eingewendet werden, dass die menschliche Sprache vorhanden gewesen sein müsse, bevor ein Feuer künstlich bereitet werden konnte, dass somit die früher erwähnten Schwaben der Eiszeit im Genuss einer solchen Sprache sich befunden haben müssen, also damals bereits die psychische Kluft schon vorhanden war, die Mensch und Thier von einander trennt. Tief erregt werden wir gleichzeitig durch die Frage, ob die künstliche Ent- zündung des Feuers eine Erfindung oder nur eine Entdeckung ge- wesen sei. Würde sich etwa ein gewaltiger Denker der Vorzeit von der Vermuthung haben leiten lassen: durch Reibung werde Wärme erzeugt, sollte nicht auch das Feuer durch die höchste Steigerung der Reibungswärme gewonnen werden können? so hätte in ihm die Wahrheit gedämmert, dass die leuchtende Wärme sich durch nichts als ihre Quantität und ihre Wirkung auf den Seh- nerven von der dunklen Wärme unterscheide und sein darauf be- gründeter Entzündungsversuch durch Reibung wäre ein Ja der Natur auf eine richtig gestellte Frage gewesen. An Schärfe des Verstandes wäre ein solcher Prometheus der Eiszeit nicht hinter einem Kopernikus oder Kepler, einem Champollion oder Grote- fend, einem Kirchhoff oder Faraday zurückgeblieben und wir gewännen damit den Satz, dass das höchste Maass der Denkkraft, welches einzelnen auserwählten Menschen hin und wieder zu Theil wird, in unsern Tagen nicht grösser sei, als es bei den Völkern
1) Globus. Bd. 20. No. 10. Septbr. 1871. S. 148.
2) Reisen in Indien und Hochasien. Bd. 2. S. 201.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0162"n="144"/><fwplace="top"type="header">Die Urzustände des Menschengeschlechtes.</fw><lb/>
Genau das nämliche berichtet Theophilus Hahn von den Kafirn <noteplace="foot"n="1)">Globus. Bd. 20. No. 10. Septbr. 1871. S. 148.</note>,<lb/>
die doch sehr trockne Erdstriche bewohnen. Bei seinen Streif-<lb/>
zügen im Himalaya bemerkte Hermann v. Schlagintweit zuerst bei<lb/>
den Leptscha ein solches Feuerzeug, welches nur darin etwas Be-<lb/>
sonderes zeigte, dass die Unterlage aus hartem, der Quirl aus<lb/>
weichem Holze bestand. Auch er fügt hinzu, dass die Arbeit stark<lb/>
ermüde und der Erfolg bei grösserer Sättigung der Luft mit Wasser-<lb/>
dampf unsicher sei <noteplace="foot"n="2)">Reisen in Indien und Hochasien. Bd. 2. S. 201.</note>.</p><lb/><p>Vergegenwärtigen wir uns, dass die Schwierigkeit, durch Rei-<lb/>
bung Feuer zu entzünden, so gross ist, dass selbst im trockenen<lb/>
Süd-Afrika in die rasch ermüdende Arbeit sich mehrere theilen,<lb/>
so setzt die künstliche Feuerbereitung eine Verständigung zwischen<lb/>
den Theilnehmern voraus, und es kann gegen die Strenge des<lb/>
Schlusses wohl nichts eingewendet werden, dass die menschliche<lb/>
Sprache vorhanden gewesen sein müsse, bevor ein Feuer künstlich<lb/>
bereitet werden konnte, dass somit die früher erwähnten Schwaben<lb/>
der Eiszeit im Genuss einer solchen Sprache sich befunden haben<lb/>
müssen, also damals bereits die psychische Kluft schon vorhanden<lb/>
war, die Mensch und Thier von einander trennt. Tief erregt<lb/>
werden wir gleichzeitig durch die Frage, ob die künstliche Ent-<lb/>
zündung des Feuers eine Erfindung oder nur eine Entdeckung ge-<lb/>
wesen sei. Würde sich etwa ein gewaltiger Denker der Vorzeit<lb/>
von der Vermuthung haben leiten lassen: durch Reibung werde<lb/>
Wärme erzeugt, sollte nicht auch das Feuer durch die höchste<lb/>
Steigerung der Reibungswärme gewonnen werden können? so hätte<lb/>
in ihm die Wahrheit gedämmert, dass die leuchtende Wärme sich<lb/>
durch nichts als ihre Quantität und ihre Wirkung auf den Seh-<lb/>
nerven von der dunklen Wärme unterscheide und sein darauf be-<lb/>
gründeter Entzündungsversuch durch Reibung wäre ein Ja der<lb/>
Natur auf eine richtig gestellte Frage gewesen. An Schärfe des<lb/>
Verstandes wäre ein solcher Prometheus der Eiszeit nicht hinter<lb/>
einem Kopernikus oder Kepler, einem Champollion oder Grote-<lb/>
fend, einem Kirchhoff oder Faraday zurückgeblieben und wir<lb/>
gewännen damit den Satz, dass das höchste Maass der Denkkraft,<lb/>
welches einzelnen auserwählten Menschen hin und wieder zu Theil<lb/>
wird, in unsern Tagen nicht grösser sei, als es bei den Völkern<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[144/0162]
Die Urzustände des Menschengeschlechtes.
Genau das nämliche berichtet Theophilus Hahn von den Kafirn 1),
die doch sehr trockne Erdstriche bewohnen. Bei seinen Streif-
zügen im Himalaya bemerkte Hermann v. Schlagintweit zuerst bei
den Leptscha ein solches Feuerzeug, welches nur darin etwas Be-
sonderes zeigte, dass die Unterlage aus hartem, der Quirl aus
weichem Holze bestand. Auch er fügt hinzu, dass die Arbeit stark
ermüde und der Erfolg bei grösserer Sättigung der Luft mit Wasser-
dampf unsicher sei 2).
Vergegenwärtigen wir uns, dass die Schwierigkeit, durch Rei-
bung Feuer zu entzünden, so gross ist, dass selbst im trockenen
Süd-Afrika in die rasch ermüdende Arbeit sich mehrere theilen,
so setzt die künstliche Feuerbereitung eine Verständigung zwischen
den Theilnehmern voraus, und es kann gegen die Strenge des
Schlusses wohl nichts eingewendet werden, dass die menschliche
Sprache vorhanden gewesen sein müsse, bevor ein Feuer künstlich
bereitet werden konnte, dass somit die früher erwähnten Schwaben
der Eiszeit im Genuss einer solchen Sprache sich befunden haben
müssen, also damals bereits die psychische Kluft schon vorhanden
war, die Mensch und Thier von einander trennt. Tief erregt
werden wir gleichzeitig durch die Frage, ob die künstliche Ent-
zündung des Feuers eine Erfindung oder nur eine Entdeckung ge-
wesen sei. Würde sich etwa ein gewaltiger Denker der Vorzeit
von der Vermuthung haben leiten lassen: durch Reibung werde
Wärme erzeugt, sollte nicht auch das Feuer durch die höchste
Steigerung der Reibungswärme gewonnen werden können? so hätte
in ihm die Wahrheit gedämmert, dass die leuchtende Wärme sich
durch nichts als ihre Quantität und ihre Wirkung auf den Seh-
nerven von der dunklen Wärme unterscheide und sein darauf be-
gründeter Entzündungsversuch durch Reibung wäre ein Ja der
Natur auf eine richtig gestellte Frage gewesen. An Schärfe des
Verstandes wäre ein solcher Prometheus der Eiszeit nicht hinter
einem Kopernikus oder Kepler, einem Champollion oder Grote-
fend, einem Kirchhoff oder Faraday zurückgeblieben und wir
gewännen damit den Satz, dass das höchste Maass der Denkkraft,
welches einzelnen auserwählten Menschen hin und wieder zu Theil
wird, in unsern Tagen nicht grösser sei, als es bei den Völkern
1) Globus. Bd. 20. No. 10. Septbr. 1871. S. 148.
2) Reisen in Indien und Hochasien. Bd. 2. S. 201.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/162>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.