Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Abth. II. Cap. Von der Beichte
die Sünden zu vergeben und zu behalten/ den Anfang der
Beichte herleiten. Sie sagen ferner/ die Gläubigen hätten sich
solcher Beichte zum öfftern bedienet/ wären zu denen Apo-
steln gekommen/ hätten ihre Sünden in gewissen Formuln be-
kennet/ und wären von ihnen wiederum absoluiret worden.
Nicht anders/ als wie es heute zu Tage gebräuchlich ist b).
a)

Damit
b) Bellarmini.Hieher gehöret Bellarminus, der vier Stellen aus dem Neuen Te-
stament anführet, dadurch er seine Lehre zu behaupten suchet. Er
beruffet sich zum ersten auf der Apostel Geschichte, Cap. XIX, 18. 19.
Ferner will er aus denen Worten Pauli II. Cor. V, 19. 20. seine
Meinung erhärten. Die Epistel Jacobi Cap. V, 16. soll ihm zum
dritten Beweiß-Grund dienen, und endlich gedencket er seine Mei-
Estii.nung aus I. Joh. 1, 9. zu erweisen. Allein Estius Lib. IV. sent. d.
17.
§. 5. hat von dergleichen Beweißthümern gar wohl geurthei-
let, daß wenn man aus dergleichen Stellen gleich etwas wahr-
scheinliches heraus bringen könte, zum Beweiß der Beichte, so
denen Geistlichen geschehen solte; So wäre es doch an dem, daß
dieselben mit nicht minderer Wahrscheinligkeit auf eine andere
Weise erkläret werden könten. Aus einem mystischen Verstand
sey kein gewisser Beweiß zu nehmen. Seine eigene Worte sind
diese: Vt detur, ex his Scripturis probabiliter aliquid colligi, pro
confessione sacerdoti facienda, quae tamen a plerisque non minus
forte probabiliter, in alium sensum accipiuntur, & ex mystico sensu,
non ducitur certum argumentum.
Es hat auch der offt belobte
Dallaeus,
a) Vasquii Lehre.Dieses ist die Meinung des Gabr. Vasque, und behauptet er,
daß alle und jede Christen, diese Beichte zu beobachten, gehal-
ten wären. Auf eine andere Art und Weise könten sie die Ver-
gebung ihrer Sünden keines weges erhalten. Vasque würde a-
ber wohl gethan haben, wenn er zugleich deutlich gewiesen, wo
der Beichte von Christo eine solche Krafft beygeleget worden. Al-
lein hiervon ist bey ihm nichts zu ersehen. Dallaeus cit. l. Lib. I.
cap. 9. pag. 54 seq.
ist hierinn weit gescheider, und beweiset wider
Vasquium, daß Christus dergleichen Beichte nicht einmahl gera-
then, viel weniger also befohlen hätte.

I. Abth. II. Cap. Von der Beichte
die Suͤnden zu vergeben und zu behalten/ den Anfang der
Beichte herleiten. Sie ſagen ferner/ die Glaͤubigen haͤtten ſich
ſolcher Beichte zum oͤfftern bedienet/ waͤren zu denen Apo-
ſteln gekommen/ haͤtten ihre Suͤnden in gewiſſen Formuln be-
kennet/ und waͤren von ihnen wiederum abſoluiret worden.
Nicht anders/ als wie es heute zu Tage gebraͤuchlich iſt b).
a)

Damit
b) Bellarmini.Hieher gehoͤret Bellarminus, der vier Stellen aus dem Neuen Te-
ſtament anfuͤhret, dadurch er ſeine Lehre zu behaupten ſuchet. Er
beruffet ſich zum erſten auf der Apoſtel Geſchichte, Cap. XIX, 18. 19.
Ferner will er aus denen Worten Pauli II. Cor. V, 19. 20. ſeine
Meinung erhaͤrten. Die Epiſtel Jacobi Cap. V, 16. ſoll ihm zum
dritten Beweiß-Grund dienen, und endlich gedencket er ſeine Mei-
Eſtii.nung aus I. Joh. 1, 9. zu erweiſen. Allein Eſtius Lib. IV. ſent. d.
17.
§. 5. hat von dergleichen Beweißthuͤmern gar wohl geurthei-
let, daß wenn man aus dergleichen Stellen gleich etwas wahr-
ſcheinliches heraus bringen koͤnte, zum Beweiß der Beichte, ſo
denen Geiſtlichen geſchehen ſolte; So waͤre es doch an dem, daß
dieſelben mit nicht minderer Wahrſcheinligkeit auf eine andere
Weiſe erklaͤret werden koͤnten. Aus einem myſtiſchen Verſtand
ſey kein gewiſſer Beweiß zu nehmen. Seine eigene Worte ſind
dieſe: Vt detur, ex his Scripturis probabiliter aliquid colligi, pro
confesſione ſacerdoti facienda, quæ tamen a plerisque non minus
forte probabiliter, in alium ſenſum accipiuntur, & ex myſtico ſenſu,
non ducitur certum argumentum.
Es hat auch der offt belobte
Dallæus,
a) Vaſquii Lehre.Dieſes iſt die Meinung des Gabr. Vaſque, und behauptet er,
daß alle und jede Chriſten, dieſe Beichte zu beobachten, gehal-
ten waͤren. Auf eine andere Art und Weiſe koͤnten ſie die Ver-
gebung ihrer Suͤnden keines weges erhalten. Vaſque wuͤrde a-
ber wohl gethan haben, wenn er zugleich deutlich gewieſen, wo
der Beichte von Chriſto eine ſolche Krafft beygeleget worden. Al-
lein hiervon iſt bey ihm nichts zu erſehen. Dallæus cit. l. Lib. I.
cap. 9. pag. 54 ſeq.
iſt hierinn weit geſcheider, und beweiſet wider
Vaſquium, daß Chriſtus dergleichen Beichte nicht einmahl gera-
then, viel weniger alſo befohlen haͤtte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0091" n="72"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi> Cap. Von der Beichte</hi></fw><lb/>
die Su&#x0364;nden zu vergeben und zu behalten/ den Anfang der<lb/><hi rendition="#fr">Beichte</hi> herleiten. Sie &#x017F;agen ferner/ die Gla&#x0364;ubigen ha&#x0364;tten &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;olcher Beichte zum o&#x0364;fftern bedienet/ wa&#x0364;ren zu denen Apo-<lb/>
&#x017F;teln gekommen/ ha&#x0364;tten ihre Su&#x0364;nden in gewi&#x017F;&#x017F;en Formuln be-<lb/>
kennet/ und wa&#x0364;ren von ihnen wiederum <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olui</hi>ret worden.<lb/>
Nicht anders/ als wie es heute zu Tage gebra&#x0364;uchlich i&#x017F;t <note place="foot" n="b)"><note place="left"><hi rendition="#aq">Bellarmini.</hi></note>Hieher geho&#x0364;ret <hi rendition="#aq">Bellarminus,</hi> der vier Stellen aus dem Neuen Te-<lb/>
&#x017F;tament anfu&#x0364;hret, dadurch er &#x017F;eine Lehre zu behaupten &#x017F;uchet. Er<lb/>
beruffet &#x017F;ich zum er&#x017F;ten auf der Apo&#x017F;tel Ge&#x017F;chichte, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cap. XIX, 18. 19.</hi></hi><lb/>
Ferner will er aus denen Worten <hi rendition="#aq">Pauli <hi rendition="#i">II. Cor. V, 19. 20.</hi></hi> &#x017F;eine<lb/>
Meinung erha&#x0364;rten. Die Epi&#x017F;tel Jacobi <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cap. V, 16.</hi></hi> &#x017F;oll ihm zum<lb/>
dritten Beweiß-Grund dienen, und endlich gedencket er &#x017F;eine Mei-<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">E&#x017F;tii.</hi></note>nung aus <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">I. Joh. 1, 9.</hi></hi> zu erwei&#x017F;en. Allein <hi rendition="#aq">E&#x017F;tius <hi rendition="#i">Lib. IV. &#x017F;ent. d.<lb/>
17.</hi></hi> §. <hi rendition="#i">5.</hi> hat von dergleichen Beweißthu&#x0364;mern gar wohl geurthei-<lb/>
let, daß wenn man aus dergleichen Stellen gleich etwas wahr-<lb/>
&#x017F;cheinliches heraus bringen ko&#x0364;nte, zum Beweiß der Beichte, &#x017F;o<lb/>
denen Gei&#x017F;tlichen ge&#x017F;chehen &#x017F;olte; So wa&#x0364;re es doch an dem, daß<lb/>
die&#x017F;elben mit nicht minderer Wahr&#x017F;cheinligkeit auf eine andere<lb/>
Wei&#x017F;e erkla&#x0364;ret werden ko&#x0364;nten. Aus einem my&#x017F;ti&#x017F;chen Ver&#x017F;tand<lb/>
&#x017F;ey kein gewi&#x017F;&#x017F;er Beweiß zu nehmen. Seine eigene Worte &#x017F;ind<lb/>
die&#x017F;e: <hi rendition="#aq">Vt detur, ex his Scripturis probabiliter aliquid colligi, pro<lb/>
confes&#x017F;ione &#x017F;acerdoti facienda, quæ tamen a plerisque non minus<lb/>
forte probabiliter, in alium &#x017F;en&#x017F;um accipiuntur, &amp; ex my&#x017F;tico &#x017F;en&#x017F;u,<lb/>
non ducitur certum argumentum.</hi> Es hat auch der offt belobte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Dallæus,</hi></fw></note>.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Damit</fw><lb/><note xml:id="f58" next="#f59" place="foot" n="a)"><note place="left"><hi rendition="#aq">Va&#x017F;quii</hi> Lehre.</note>Die&#x017F;es i&#x017F;t die Meinung des <hi rendition="#aq">Gabr. Va&#x017F;que,</hi> und behauptet er,<lb/>
daß alle und jede Chri&#x017F;ten, die&#x017F;e Beichte zu beobachten, gehal-<lb/>
ten wa&#x0364;ren. Auf eine andere Art und Wei&#x017F;e ko&#x0364;nten &#x017F;ie die Ver-<lb/>
gebung ihrer Su&#x0364;nden keines weges erhalten. <hi rendition="#aq">Va&#x017F;que</hi> wu&#x0364;rde a-<lb/>
ber wohl gethan haben, wenn er zugleich deutlich gewie&#x017F;en, wo<lb/>
der Beichte von Chri&#x017F;to eine &#x017F;olche Krafft beygeleget worden. Al-<lb/>
lein hiervon i&#x017F;t bey ihm nichts zu er&#x017F;ehen. <hi rendition="#aq">Dallæus <hi rendition="#i">cit. l. Lib. I.<lb/>
cap. 9. pag. 54 &#x017F;eq.</hi></hi> i&#x017F;t hierinn weit ge&#x017F;cheider, und bewei&#x017F;et wider<lb/><hi rendition="#aq">Va&#x017F;quium,</hi> daß Chri&#x017F;tus dergleichen Beichte nicht einmahl gera-<lb/>
then, viel weniger al&#x017F;o befohlen ha&#x0364;tte.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0091] I. Abth. II. Cap. Von der Beichte die Suͤnden zu vergeben und zu behalten/ den Anfang der Beichte herleiten. Sie ſagen ferner/ die Glaͤubigen haͤtten ſich ſolcher Beichte zum oͤfftern bedienet/ waͤren zu denen Apo- ſteln gekommen/ haͤtten ihre Suͤnden in gewiſſen Formuln be- kennet/ und waͤren von ihnen wiederum abſoluiret worden. Nicht anders/ als wie es heute zu Tage gebraͤuchlich iſt b). Damit a) b) Hieher gehoͤret Bellarminus, der vier Stellen aus dem Neuen Te- ſtament anfuͤhret, dadurch er ſeine Lehre zu behaupten ſuchet. Er beruffet ſich zum erſten auf der Apoſtel Geſchichte, Cap. XIX, 18. 19. Ferner will er aus denen Worten Pauli II. Cor. V, 19. 20. ſeine Meinung erhaͤrten. Die Epiſtel Jacobi Cap. V, 16. ſoll ihm zum dritten Beweiß-Grund dienen, und endlich gedencket er ſeine Mei- nung aus I. Joh. 1, 9. zu erweiſen. Allein Eſtius Lib. IV. ſent. d. 17. §. 5. hat von dergleichen Beweißthuͤmern gar wohl geurthei- let, daß wenn man aus dergleichen Stellen gleich etwas wahr- ſcheinliches heraus bringen koͤnte, zum Beweiß der Beichte, ſo denen Geiſtlichen geſchehen ſolte; So waͤre es doch an dem, daß dieſelben mit nicht minderer Wahrſcheinligkeit auf eine andere Weiſe erklaͤret werden koͤnten. Aus einem myſtiſchen Verſtand ſey kein gewiſſer Beweiß zu nehmen. Seine eigene Worte ſind dieſe: Vt detur, ex his Scripturis probabiliter aliquid colligi, pro confesſione ſacerdoti facienda, quæ tamen a plerisque non minus forte probabiliter, in alium ſenſum accipiuntur, & ex myſtico ſenſu, non ducitur certum argumentum. Es hat auch der offt belobte Dallæus, a) Dieſes iſt die Meinung des Gabr. Vaſque, und behauptet er, daß alle und jede Chriſten, dieſe Beichte zu beobachten, gehal- ten waͤren. Auf eine andere Art und Weiſe koͤnten ſie die Ver- gebung ihrer Suͤnden keines weges erhalten. Vaſque wuͤrde a- ber wohl gethan haben, wenn er zugleich deutlich gewieſen, wo der Beichte von Chriſto eine ſolche Krafft beygeleget worden. Al- lein hiervon iſt bey ihm nichts zu erſehen. Dallæus cit. l. Lib. I. cap. 9. pag. 54 ſeq. iſt hierinn weit geſcheider, und beweiſet wider Vaſquium, daß Chriſtus dergleichen Beichte nicht einmahl gera- then, viel weniger alſo befohlen haͤtte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/91
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/91>, abgerufen am 03.05.2024.