Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

anderer beym Beicht-Wesen vorkommender Sachen.
daß man jemand zu einem Jrrthum zwingen soll, aber wohl
zur Wahrheit. Dieses aber macht die Beschaffenheit der
Wahrheit nicht besser: Denn der Jrrthum, der offt den Ti-
tul der Wahrheit braucht, wird sich auch allezeit des Zwang-
Rechts bedienen, und wird solches recht in der That ausü-
ben; und GOtt kan dieses auf keine andere Weise hindern, als
das er denen irrenden in der Religion entweder den Jrr-
thum, dadurch sie betrogen werden, benimt, oder die Macht,
zu zwingen aufhebt; daß er aber keines von beyden thut,
bezeuget die Erfahrung durch alle
Secula. Sodann wenn
man dergleichen ausnimt, so wird zum voraus gesetzet, es sey
in der Welt schon ausgemacht, wer unter denen
dissentiren-
den Religionen recht glaubet, und wer irret? Jch gestehe,
daß dergleichen
decision in meinem Gewissen sey; und wie ich
davor halte, ist es recht, so daß ich ohne Anstand bey dem
Ausspruch meines Gewissens verbleibe. Aber dieses ist noch
nicht in der gantzen Welt aus gemacht; der Streit zwischen
mir und denen, die anderer Meinung sind, welche das Gericht
meines Gewissens nicht annehmen, ist dadurch nicht gestillet
und gäntzlich aufgehoben. Es fraget sich also, wie es GOtt

ha-
aliter impedire non potest, nisi errantibus in religione aut exi-
mat errorem, quo deluduntur, aut adimat facultatem cogendi;
quorum neutrum eum facere, experientia omnium seculorum
testatur. Deinde cum hoc excipitur, supponitur, jam in orbe
decisum esse, quis inter dissidentes in religione recte sentiat, quis
erret? Fateor, hoc decisum esse in mea conscientia; & recte,
vt persuasus sum, decisum, ita vt sine vlla haesitatione in judicio
conscientiae meae acquiescam. Sed hoc nondum decisum est in
toto orbe, lis inter me & dissidentes, qui conscientiae meae tri-
bunal non agnoscunt, composita est & penitus sublata. Quaeritur
igitur, quomodo Deus velit, vt huiusmodi lites in orbe com-
ponantur? Si voluit, vt omni vi remota, diiudicentur solis
argumentis, vicit veritas aut tandem vincet. Sin jussit, vt vis
litem decidat, manifeste Deus sententiam pronuntiauit in faue-
rem erroris, quod sine impietate de eo cogitari non potest.

c) Wo
b b b 3

anderer beym Beicht-Weſen vorkommender Sachen.
daß man jemand zu einem Jrrthum zwingen ſoll, aber wohl
zur Wahrheit. Dieſes aber macht die Beſchaffenheit der
Wahrheit nicht beſſer: Denn der Jrrthum, der offt den Ti-
tul der Wahrheit braucht, wird ſich auch allezeit des Zwang-
Rechts bedienen, und wird ſolches recht in der That ausuͤ-
ben; und GOtt kan dieſes auf keine andere Weiſe hindern, als
das er denen irrenden in der Religion entweder den Jrr-
thum, dadurch ſie betrogen werden, benimt, oder die Macht,
zu zwingen aufhebt; daß er aber keines von beyden thut,
bezeuget die Erfahrung durch alle
Secula. Sodann wenn
man dergleichen ausnimt, ſo wird zum voraus geſetzet, es ſey
in der Welt ſchon ausgemacht, wer unter denen
diſſentiren-
den Religionen recht glaubet, und wer irret? Jch geſtehe,
daß dergleichen
deciſion in meinem Gewiſſen ſey; und wie ich
davor halte, iſt es recht, ſo daß ich ohne Anſtand bey dem
Ausſpruch meines Gewiſſens verbleibe. Aber dieſes iſt noch
nicht in der gantzen Welt aus gemacht; der Streit zwiſchen
mir und denen, die anderer Meinung ſind, welche das Gericht
meines Gewiſſens nicht annehmen, iſt dadurch nicht geſtillet
und gaͤntzlich aufgehoben. Es fraget ſich alſo, wie es GOtt

ha-
aliter impedire non poteſt, niſi errantibus in religione aut exi-
mat errorem, quo deluduntur, aut adimat facultatem cogendi;
quorum neutrum eum facere, experientia omnium ſeculorum
teſtatur. Deinde cum hoc excipitur, ſupponitur, jam in orbe
deciſum eſſe, quis inter diſſidentes in religione recte ſentiat, quis
erret? Fateor, hoc deciſum eſſe in mea conſcientia; & recte,
vt perſuaſus ſum, deciſum, ita vt ſine vlla hæſitatione in judicio
conſcientiæ meæ acquieſcam. Sed hoc nondum deciſum eſt in
toto orbe, lis inter me & diſſidentes, qui conſcientiæ meæ tri-
bunal non agnoſcunt, compoſita eſt & penitus ſublata. Quæritur
igitur, quomodo Deus velit, vt huiusmodi lites in orbe com-
ponantur? Si voluit, vt omni vi remota, diiudicentur ſolis
argumentis, vicit veritas aut tandem vincet. Sin jusſit, vt vis
litem decidat, manifeſte Deus ſententiam pronuntiauit in faue-
rem erroris, quod ſine impietate de eo cogitari non poteſt.

c) Wo
b b b 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0400" n="381"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">anderer beym Beicht-We&#x017F;en vorkommender Sachen.</hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">daß man jemand zu einem Jrrthum zwingen &#x017F;oll, aber wohl<lb/>
zur Wahrheit. Die&#x017F;es aber macht die Be&#x017F;chaffenheit der<lb/>
Wahrheit nicht be&#x017F;&#x017F;er: Denn der Jrrthum, der offt den Ti-<lb/>
tul der Wahrheit braucht, wird &#x017F;ich auch allezeit des Zwang-<lb/>
Rechts bedienen, und wird &#x017F;olches recht in der That ausu&#x0364;-<lb/>
ben; und GOtt kan die&#x017F;es auf keine andere Wei&#x017F;e hindern, als<lb/>
das er denen irrenden in der Religion entweder den Jrr-<lb/>
thum, dadurch &#x017F;ie betrogen werden, benimt, oder die Macht,<lb/>
zu zwingen aufhebt; daß er aber keines von beyden thut,<lb/>
bezeuget die Erfahrung durch alle</hi> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Secula.</hi> </hi> <hi rendition="#fr">Sodann wenn<lb/>
man dergleichen ausnimt, &#x017F;o wird zum voraus ge&#x017F;etzet, es &#x017F;ey<lb/>
in der Welt &#x017F;chon ausgemacht, wer unter denen</hi> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">di&#x017F;&#x017F;enti</hi> </hi> <hi rendition="#fr">ren-<lb/>
den Religionen recht glaubet, und wer irret? Jch ge&#x017F;tehe,<lb/>
daß dergleichen</hi> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">deci&#x017F;ion</hi> </hi> <hi rendition="#fr">in meinem Gewi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ey; und wie ich<lb/>
davor halte, i&#x017F;t es recht, &#x017F;o daß ich ohne An&#x017F;tand bey dem<lb/>
Aus&#x017F;pruch meines Gewi&#x017F;&#x017F;ens verbleibe. Aber die&#x017F;es i&#x017F;t noch<lb/>
nicht in der gantzen Welt aus gemacht; der Streit zwi&#x017F;chen<lb/>
mir und denen, die anderer Meinung &#x017F;ind, welche das Gericht<lb/>
meines Gewi&#x017F;&#x017F;ens nicht annehmen, i&#x017F;t dadurch nicht ge&#x017F;tillet<lb/>
und ga&#x0364;ntzlich aufgehoben. Es fraget &#x017F;ich al&#x017F;o, wie es GOtt</hi><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">ha-</hi> </fw><lb/>
              <note xml:id="i73" prev="#i72" place="foot" n="(b)"> <hi rendition="#aq">aliter impedire non pote&#x017F;t, ni&#x017F;i errantibus in religione aut exi-<lb/>
mat errorem, quo deluduntur, aut adimat facultatem cogendi;<lb/>
quorum neutrum eum facere, experientia omnium &#x017F;eculorum<lb/>
te&#x017F;tatur. Deinde cum hoc excipitur, &#x017F;upponitur, jam in orbe<lb/>
deci&#x017F;um e&#x017F;&#x017F;e, quis inter di&#x017F;&#x017F;identes in religione recte &#x017F;entiat, quis<lb/>
erret? Fateor, hoc deci&#x017F;um e&#x017F;&#x017F;e in mea con&#x017F;cientia; &amp; recte,<lb/>
vt per&#x017F;ua&#x017F;us &#x017F;um, deci&#x017F;um, ita vt &#x017F;ine vlla hæ&#x017F;itatione in judicio<lb/>
con&#x017F;cientiæ meæ acquie&#x017F;cam. Sed hoc nondum deci&#x017F;um e&#x017F;t in<lb/>
toto orbe, lis inter me &amp; di&#x017F;&#x017F;identes, qui con&#x017F;cientiæ meæ tri-<lb/>
bunal non agno&#x017F;cunt, compo&#x017F;ita e&#x017F;t &amp; penitus &#x017F;ublata. Quæritur<lb/>
igitur, quomodo Deus velit, vt huiusmodi lites in orbe com-<lb/>
ponantur? Si voluit, vt omni vi remota, diiudicentur &#x017F;olis<lb/>
argumentis, vicit veritas aut tandem vincet. Sin jus&#x017F;it, vt vis<lb/>
litem decidat, manife&#x017F;te Deus &#x017F;ententiam pronuntiauit in faue-<lb/>
rem erroris, quod &#x017F;ine impietate de eo cogitari non pote&#x017F;t.</hi><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">c)</hi> Wo</fw>
              </note><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">b b b 3</fw><lb/>
            </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[381/0400] anderer beym Beicht-Weſen vorkommender Sachen. daß man jemand zu einem Jrrthum zwingen ſoll, aber wohl zur Wahrheit. Dieſes aber macht die Beſchaffenheit der Wahrheit nicht beſſer: Denn der Jrrthum, der offt den Ti- tul der Wahrheit braucht, wird ſich auch allezeit des Zwang- Rechts bedienen, und wird ſolches recht in der That ausuͤ- ben; und GOtt kan dieſes auf keine andere Weiſe hindern, als das er denen irrenden in der Religion entweder den Jrr- thum, dadurch ſie betrogen werden, benimt, oder die Macht, zu zwingen aufhebt; daß er aber keines von beyden thut, bezeuget die Erfahrung durch alle Secula. Sodann wenn man dergleichen ausnimt, ſo wird zum voraus geſetzet, es ſey in der Welt ſchon ausgemacht, wer unter denen diſſentiren- den Religionen recht glaubet, und wer irret? Jch geſtehe, daß dergleichen deciſion in meinem Gewiſſen ſey; und wie ich davor halte, iſt es recht, ſo daß ich ohne Anſtand bey dem Ausſpruch meines Gewiſſens verbleibe. Aber dieſes iſt noch nicht in der gantzen Welt aus gemacht; der Streit zwiſchen mir und denen, die anderer Meinung ſind, welche das Gericht meines Gewiſſens nicht annehmen, iſt dadurch nicht geſtillet und gaͤntzlich aufgehoben. Es fraget ſich alſo, wie es GOtt ha- (b) (b) aliter impedire non poteſt, niſi errantibus in religione aut exi- mat errorem, quo deluduntur, aut adimat facultatem cogendi; quorum neutrum eum facere, experientia omnium ſeculorum teſtatur. Deinde cum hoc excipitur, ſupponitur, jam in orbe deciſum eſſe, quis inter diſſidentes in religione recte ſentiat, quis erret? Fateor, hoc deciſum eſſe in mea conſcientia; & recte, vt perſuaſus ſum, deciſum, ita vt ſine vlla hæſitatione in judicio conſcientiæ meæ acquieſcam. Sed hoc nondum deciſum eſt in toto orbe, lis inter me & diſſidentes, qui conſcientiæ meæ tri- bunal non agnoſcunt, compoſita eſt & penitus ſublata. Quæritur igitur, quomodo Deus velit, vt huiusmodi lites in orbe com- ponantur? Si voluit, vt omni vi remota, diiudicentur ſolis argumentis, vicit veritas aut tandem vincet. Sin jusſit, vt vis litem decidat, manifeſte Deus ſententiam pronuntiauit in faue- rem erroris, quod ſine impietate de eo cogitari non poteſt. c) Wo b b b 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/400
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/400>, abgerufen am 25.11.2024.