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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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man zur Beichte gehen soll.
cke/ viele werden dafür halten/ man könne mit denen Geg-
nern nicht besser fertig werden/ als durch einen mächtigen
Arm. Man bringet also indifferente Dinge der Obrig-
keit für und exaggeriret solche. Die Leute will man nach-
mahls überreden/ es gereiche zur Ehre GOttes/ da doch
der eigene Nutzen gesuchet/ und die Freyheit der Ge-
wissen beschnitten wird. Dieses leugne ich anbey nicht/ daß
viele wegen der Vor-Urtheile, damit sie eingenommen/ aus
guter Meinung eifern b).

§. IX.

Dieses muß ich ferner erinnern/ daß auch anBey Kran-
cken soll man
manchmahl
die Beichte
unterlassen.

denenjenigen Orten/ wo alle, ehe sie das Abendmahl ge-
niessen können/ beichten müssen/ man doch solches von de-
nenjenigen/ welche kranck, und wegen Mattigkeit kaum die
Lippen regen, nicht praetendiren soll. Vornehmlich aber ist
solches zu beobachten/ wenn die Persohnen vorhin ein ehr-
bahres Leben geführet. Zuweilen sind auch gewisse Per-
sonen solchen Anfechtungen unterworffen/ daß sie nichts
mehr wünschen/ als so gleich die himmlische Mahlzeit zu ge-
niessen. Diesem sehnlichen Verlangen soll man allerdings
sogleich ein Genügen thun/ wenn gleich die Beichte nicht
vorhergegangen. Denn man kan ja nicht leugnen/ daß
die Beichte kein nothwendiges Stück ist/ zu würdiger Ge-
niessung des Abendmahls. Man kan also dieselbe manch-
mahl gar füglich weglassen. Carpzov, der sonst gar viel auf

die
b) Wo diese bey einem Menschen herrschen, so darf man sich nichtWürckung der
Vor-Urtheile.

wundern, wenn er die gröbsten Jrrthümer mit allem Ernst ver-
theidiget. Ein solcher dencket noch dabey, er thue GOtt einen
Dienst daran. Es trifft von diesen Leuten ein, was Boethius
de consol, Philos. L. II. p. 29.
saget:
Nubila mens est,
Vinctaque fraenis
Haec vbi regnant.

a) Carp-
g g 2

man zur Beichte gehen ſoll.
cke/ viele werden dafuͤr halten/ man koͤnne mit denen Geg-
nern nicht beſſer fertig werden/ als durch einen maͤchtigen
Arm. Man bringet alſo indifferente Dinge der Obrig-
keit fuͤr und exaggeriret ſolche. Die Leute will man nach-
mahls uͤberreden/ es gereiche zur Ehre GOttes/ da doch
der eigene Nutzen geſuchet/ und die Freyheit der Ge-
wiſſen beſchnitten wird. Dieſes leugne ich anbey nicht/ daß
viele wegen der Vor-Urtheile, damit ſie eingenommen/ aus
guter Meinung eifern b).

§. IX.

Dieſes muß ich ferner erinnern/ daß auch anBey Kran-
ckẽ ſoll man
manchmahl
die Beichte
unterlaſſen.

denenjenigen Orten/ wo alle, ehe ſie das Abendmahl ge-
nieſſen koͤnnen/ beichten muͤſſen/ man doch ſolches von de-
nenjenigen/ welche kranck, und wegen Mattigkeit kaum die
Lippen regen, nicht prætendiren ſoll. Vornehmlich aber iſt
ſolches zu beobachten/ wenn die Perſohnen vorhin ein ehr-
bahres Leben gefuͤhret. Zuweilen ſind auch gewiſſe Per-
ſonen ſolchen Anfechtungen unterworffen/ daß ſie nichts
mehr wuͤnſchen/ als ſo gleich die himmliſche Mahlzeit zu ge-
nieſſen. Dieſem ſehnlichen Verlangen ſoll man allerdings
ſogleich ein Genuͤgen thun/ wenn gleich die Beichte nicht
vorhergegangen. Denn man kan ja nicht leugnen/ daß
die Beichte kein nothwendiges Stuͤck iſt/ zu wuͤrdiger Ge-
nieſſung des Abendmahls. Man kan alſo dieſelbe manch-
mahl gar fuͤglich weglaſſen. Carpzov, der ſonſt gar viel auf

die
b) Wo dieſe bey einem Menſchen herrſchen, ſo darf man ſich nichtWuͤrckung der
Vor-Urtheile.

wundern, wenn er die groͤbſten Jrrthuͤmer mit allem Ernſt ver-
theidiget. Ein ſolcher dencket noch dabey, er thue GOtt einen
Dienſt daran. Es trifft von dieſen Leuten ein, was Boëthius
de conſol, Philoſ. L. II. p. 29.
ſaget:
Nubila mens eſt,
Vinctaque frænis
Hæc vbi regnant.

a) Carp-
g g 2
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[235/0254] man zur Beichte gehen ſoll. cke/ viele werden dafuͤr halten/ man koͤnne mit denen Geg- nern nicht beſſer fertig werden/ als durch einen maͤchtigen Arm. Man bringet alſo indifferente Dinge der Obrig- keit fuͤr und exaggeriret ſolche. Die Leute will man nach- mahls uͤberreden/ es gereiche zur Ehre GOttes/ da doch der eigene Nutzen geſuchet/ und die Freyheit der Ge- wiſſen beſchnitten wird. Dieſes leugne ich anbey nicht/ daß viele wegen der Vor-Urtheile, damit ſie eingenommen/ aus guter Meinung eifern b). §. IX. Dieſes muß ich ferner erinnern/ daß auch an denenjenigen Orten/ wo alle, ehe ſie das Abendmahl ge- nieſſen koͤnnen/ beichten muͤſſen/ man doch ſolches von de- nenjenigen/ welche kranck, und wegen Mattigkeit kaum die Lippen regen, nicht prætendiren ſoll. Vornehmlich aber iſt ſolches zu beobachten/ wenn die Perſohnen vorhin ein ehr- bahres Leben gefuͤhret. Zuweilen ſind auch gewiſſe Per- ſonen ſolchen Anfechtungen unterworffen/ daß ſie nichts mehr wuͤnſchen/ als ſo gleich die himmliſche Mahlzeit zu ge- nieſſen. Dieſem ſehnlichen Verlangen ſoll man allerdings ſogleich ein Genuͤgen thun/ wenn gleich die Beichte nicht vorhergegangen. Denn man kan ja nicht leugnen/ daß die Beichte kein nothwendiges Stuͤck iſt/ zu wuͤrdiger Ge- nieſſung des Abendmahls. Man kan alſo dieſelbe manch- mahl gar fuͤglich weglaſſen. Carpzov, der ſonſt gar viel auf die Bey Kran- ckẽ ſoll man manchmahl die Beichte unterlaſſen. b) Wo dieſe bey einem Menſchen herrſchen, ſo darf man ſich nicht wundern, wenn er die groͤbſten Jrrthuͤmer mit allem Ernſt ver- theidiget. Ein ſolcher dencket noch dabey, er thue GOtt einen Dienſt daran. Es trifft von dieſen Leuten ein, was Boëthius de conſol, Philoſ. L. II. p. 29. ſaget: Nubila mens eſt, Vinctaque frænis Hæc vbi regnant. a) Carp- g g 2

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/254>, abgerufen am 22.11.2024.