Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung
Ob man
den Beicht-
Vater we-
gen Feind-
schafft ver-
lassen kan?

§. XII. Diese sind damit zufrieden/ wenn ich bey dem
ordentlichen Pfarrer nur jährlich einmahl meine Beichte
ablege. Die übrigen mahle kan man sich hinwenden/ wo
man will. Hat man von seinem Pfarrer um Erlaubnüß
angehalten/ einem andern beichten zu können/ und der-
selbe will nicht einwilligen/ so darff man ihn verlas-
sen/ und einen andern erwehlen. Wie machen es aber
die unsrigen? Diese wollen/ daß der Beicht-Vater und das
Beicht-Kind beysammen bleiben/ wenn auch zwischen ih-
Ob es ge-
schehen, kan
nen Feindschafft ist. Muß nicht das ein trostreiches Beich-
ten und absoluiren seyn a). Wir gehen noch weiter und sa-

gen:
Ansehen solcher Bücher reden, indem gewiß vieles dawieder kan
eingewendet werden, sondern nur dieses gedencken, daß, wenn es
auch schiene, einer lehrete diesen Büchern zuwieder, so wird es
doch demselben an distinctionibus nicht fehlen, dadurch er alle im-
putir
te Jrrthümer ableinen kan. Uber dieses so müste ja der Zu-
hörer erst einen Proceß mit seinem Pfarrer anfangen, und ihn ü-
berweisen, daß er wieder die Orthodoxie lehre. Dieses wird a-
ber schwer fallen, indem unsere Theologi in wichtigen Dingen
selbst nicht einig sind. Also ist es allerdings an dem, daß Ger-
hardi
Meinung also beschaffen, daß nach derselben man eines
Beicht-Vaters niemahls loß werden könne.
a) Meine Mei-
nung von der
Veränderung
wegen Feind-
schafft.
Es ist allerdings an dem, daß ein rechtschaffener Christe, gar
keine Feindschafft
wider seinen Neben-Christen hegen soll. Vor-
nehmlich aber soll aller Haß und Groll bey seite gesetzet seyn, wenn
ich zur Beichte gehen, und nach der absolution des HERRN
Nachtmahl geniessen will. Es ist dasselbe ein Liebes-Mahl. Al-
so soll man vor allen Dingen auf die Versöhnung bedacht seyn.
Jst aber diese erfolget, so muß denen Leuten dennoch frey stehen,
ob sie bey ihrem Pfarrer beichten wollen oder nicht. Denn es
geschiehet zuweilen, daß durch die entstandene Feindschafft alles
Vertrauen,
so man vormahls auf den Beicht-Vater gesetzet,
dahin ist, der eingegangene Vertrag hebet zwar die Feindschafft
auf, er macht aber das Vertrauen nicht wieder lebendig. Biß-
wei-
II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung
Ob man
den Beicht-
Vater we-
gen Feind-
ſchafft ver-
laſſen kan?

§. XII. Dieſe ſind damit zufrieden/ wenn ich bey dem
ordentlichen Pfarrer nur jaͤhrlich einmahl meine Beichte
ablege. Die uͤbrigen mahle kan man ſich hinwenden/ wo
man will. Hat man von ſeinem Pfarrer um Erlaubnuͤß
angehalten/ einem andern beichten zu koͤnnen/ und der-
ſelbe will nicht einwilligen/ ſo darff man ihn verlaſ-
ſen/ und einen andern erwehlen. Wie machen es aber
die unſrigen? Dieſe wollen/ daß der Beicht-Vater und das
Beicht-Kind beyſammen bleiben/ wenn auch zwiſchen ih-
Ob es ge-
ſchehen, kan
nen Feindſchafft iſt. Muß nicht das ein troſtreiches Beich-
ten und abſoluiren ſeyn a). Wir gehen noch weiter und ſa-

gen:
Anſehen ſolcher Buͤcher reden, indem gewiß vieles dawieder kan
eingewendet werden, ſondern nur dieſes gedencken, daß, wenn es
auch ſchiene, einer lehrete dieſen Buͤchern zuwieder, ſo wird es
doch demſelben an diſtinctionibus nicht fehlen, dadurch er alle im-
putir
te Jrrthuͤmer ableinen kan. Uber dieſes ſo muͤſte ja der Zu-
hoͤrer erſt einen Proceß mit ſeinem Pfarrer anfangen, und ihn uͤ-
berweiſen, daß er wieder die Orthodoxie lehre. Dieſes wird a-
ber ſchwer fallen, indem unſere Theologi in wichtigen Dingen
ſelbſt nicht einig ſind. Alſo iſt es allerdings an dem, daß Ger-
hardi
Meinung alſo beſchaffen, daß nach derſelben man eines
Beicht-Vaters niemahls loß werden koͤnne.
a) Meine Mei-
nung von der
Veraͤnderung
wegen Feind-
ſchafft.
Es iſt allerdings an dem, daß ein rechtſchaffener Chriſte, gar
keine Feindſchafft
wider ſeinen Neben-Chriſten hegen ſoll. Vor-
nehmlich aber ſoll aller Haß und Groll bey ſeite geſetzet ſeyn, wenn
ich zur Beichte gehen, und nach der abſolution des HERRN
Nachtmahl genieſſen will. Es iſt daſſelbe ein Liebes-Mahl. Al-
ſo ſoll man vor allen Dingen auf die Verſoͤhnung bedacht ſeyn.
Jſt aber dieſe erfolget, ſo muß denen Leuten dennoch frey ſtehen,
ob ſie bey ihrem Pfarrer beichten wollen oder nicht. Denn es
geſchiehet zuweilen, daß durch die entſtandene Feindſchafft alles
Vertrauen,
ſo man vormahls auf den Beicht-Vater geſetzet,
dahin iſt, der eingegangene Vertrag hebet zwar die Feindſchafft
auf, er macht aber das Vertrauen nicht wieder lebendig. Biß-
wei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0221" n="202"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">I.</hi> Cap. Von Erwehlung</hi> </fw><lb/>
            <note place="left">Ob man<lb/>
den Beicht-<lb/>
Vater we-<lb/>
gen Feind-<lb/>
&#x017F;chafft ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en kan?</note>
            <p>§. <hi rendition="#aq">XII.</hi> Die&#x017F;e &#x017F;ind damit zufrieden/ wenn ich bey dem<lb/>
ordentlichen Pfarrer nur ja&#x0364;hrlich einmahl meine Beichte<lb/>
ablege. Die u&#x0364;brigen mahle kan man &#x017F;ich hinwenden/ wo<lb/>
man will. Hat man von &#x017F;einem Pfarrer um Erlaubnu&#x0364;ß<lb/>
angehalten/ einem andern beichten zu ko&#x0364;nnen/ und der-<lb/>
&#x017F;elbe will nicht einwilligen/ &#x017F;o darff man ihn verla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ und einen andern erwehlen. Wie machen es aber<lb/>
die un&#x017F;rigen? Die&#x017F;e wollen/ daß der Beicht-Vater und das<lb/>
Beicht-Kind bey&#x017F;ammen bleiben/ wenn auch zwi&#x017F;chen ih-<lb/><note place="left">Ob es ge-<lb/>
&#x017F;chehen, kan</note>nen <hi rendition="#fr">Feind&#x017F;chafft</hi> i&#x017F;t. Muß nicht das ein tro&#x017F;treiches Beich-<lb/>
ten und <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olui</hi>ren &#x017F;eyn <note xml:id="h01" next="#h02" place="foot" n="a)"><note place="left">Meine Mei-<lb/>
nung von der<lb/>
Vera&#x0364;nderung<lb/>
wegen Feind-<lb/>
&#x017F;chafft.</note>Es i&#x017F;t allerdings an dem, daß ein recht&#x017F;chaffener Chri&#x017F;te, <hi rendition="#fr">gar<lb/>
keine Feind&#x017F;chafft</hi> wider &#x017F;einen Neben-Chri&#x017F;ten hegen &#x017F;oll. Vor-<lb/>
nehmlich aber &#x017F;oll aller Haß und Groll bey &#x017F;eite ge&#x017F;etzet &#x017F;eyn, wenn<lb/>
ich zur Beichte gehen, und nach der <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olution</hi> des HERRN<lb/>
Nachtmahl genie&#x017F;&#x017F;en will. Es i&#x017F;t da&#x017F;&#x017F;elbe ein Liebes-Mahl. Al-<lb/>
&#x017F;o &#x017F;oll man vor allen Dingen auf die Ver&#x017F;o&#x0364;hnung bedacht &#x017F;eyn.<lb/>
J&#x017F;t aber die&#x017F;e erfolget, &#x017F;o muß denen Leuten dennoch frey &#x017F;tehen,<lb/>
ob &#x017F;ie bey ihrem Pfarrer beichten wollen oder nicht. Denn es<lb/>
ge&#x017F;chiehet zuweilen, daß durch die ent&#x017F;tandene Feind&#x017F;chafft <hi rendition="#fr">alles<lb/>
Vertrauen,</hi> &#x017F;o man vormahls auf den Beicht-Vater ge&#x017F;etzet,<lb/>
dahin i&#x017F;t, der eingegangene Vertrag hebet zwar die Feind&#x017F;chafft<lb/>
auf, er macht aber das Vertrauen nicht wieder lebendig. Biß-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wei-</fw></note>. Wir gehen noch weiter und &#x017F;a-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen:</fw><lb/><note xml:id="g98" prev="#g97" place="foot" n="(b)">An&#x017F;ehen &#x017F;olcher Bu&#x0364;cher reden, indem gewiß vieles dawieder kan<lb/>
eingewendet werden, &#x017F;ondern nur die&#x017F;es gedencken, daß, wenn es<lb/>
auch &#x017F;chiene, einer lehrete die&#x017F;en Bu&#x0364;chern zuwieder, &#x017F;o wird es<lb/>
doch dem&#x017F;elben an <hi rendition="#aq">di&#x017F;tinctionibus</hi> nicht fehlen, dadurch er alle <hi rendition="#aq">im-<lb/>
putir</hi>te Jrrthu&#x0364;mer ableinen kan. Uber die&#x017F;es &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;te ja der Zu-<lb/>
ho&#x0364;rer er&#x017F;t einen Proceß mit &#x017F;einem Pfarrer anfangen, und ihn u&#x0364;-<lb/>
berwei&#x017F;en, daß er wieder die <hi rendition="#aq">Orthodoxie</hi> lehre. Die&#x017F;es wird a-<lb/>
ber &#x017F;chwer fallen, indem un&#x017F;ere <hi rendition="#aq">Theologi</hi> in wichtigen Dingen<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nicht einig &#x017F;ind. Al&#x017F;o i&#x017F;t es allerdings an dem, daß <hi rendition="#aq">Ger-<lb/>
hardi</hi> Meinung al&#x017F;o be&#x017F;chaffen, daß nach der&#x017F;elben man eines<lb/>
Beicht-Vaters niemahls loß werden ko&#x0364;nne.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0221] II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung §. XII. Dieſe ſind damit zufrieden/ wenn ich bey dem ordentlichen Pfarrer nur jaͤhrlich einmahl meine Beichte ablege. Die uͤbrigen mahle kan man ſich hinwenden/ wo man will. Hat man von ſeinem Pfarrer um Erlaubnuͤß angehalten/ einem andern beichten zu koͤnnen/ und der- ſelbe will nicht einwilligen/ ſo darff man ihn verlaſ- ſen/ und einen andern erwehlen. Wie machen es aber die unſrigen? Dieſe wollen/ daß der Beicht-Vater und das Beicht-Kind beyſammen bleiben/ wenn auch zwiſchen ih- nen Feindſchafft iſt. Muß nicht das ein troſtreiches Beich- ten und abſoluiren ſeyn a). Wir gehen noch weiter und ſa- gen: (b) Ob es ge- ſchehen, kan a) Es iſt allerdings an dem, daß ein rechtſchaffener Chriſte, gar keine Feindſchafft wider ſeinen Neben-Chriſten hegen ſoll. Vor- nehmlich aber ſoll aller Haß und Groll bey ſeite geſetzet ſeyn, wenn ich zur Beichte gehen, und nach der abſolution des HERRN Nachtmahl genieſſen will. Es iſt daſſelbe ein Liebes-Mahl. Al- ſo ſoll man vor allen Dingen auf die Verſoͤhnung bedacht ſeyn. Jſt aber dieſe erfolget, ſo muß denen Leuten dennoch frey ſtehen, ob ſie bey ihrem Pfarrer beichten wollen oder nicht. Denn es geſchiehet zuweilen, daß durch die entſtandene Feindſchafft alles Vertrauen, ſo man vormahls auf den Beicht-Vater geſetzet, dahin iſt, der eingegangene Vertrag hebet zwar die Feindſchafft auf, er macht aber das Vertrauen nicht wieder lebendig. Biß- wei- (b) Anſehen ſolcher Buͤcher reden, indem gewiß vieles dawieder kan eingewendet werden, ſondern nur dieſes gedencken, daß, wenn es auch ſchiene, einer lehrete dieſen Buͤchern zuwieder, ſo wird es doch demſelben an diſtinctionibus nicht fehlen, dadurch er alle im- putirte Jrrthuͤmer ableinen kan. Uber dieſes ſo muͤſte ja der Zu- hoͤrer erſt einen Proceß mit ſeinem Pfarrer anfangen, und ihn uͤ- berweiſen, daß er wieder die Orthodoxie lehre. Dieſes wird a- ber ſchwer fallen, indem unſere Theologi in wichtigen Dingen ſelbſt nicht einig ſind. Alſo iſt es allerdings an dem, daß Ger- hardi Meinung alſo beſchaffen, daß nach derſelben man eines Beicht-Vaters niemahls loß werden koͤnne.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/221
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/221>, abgerufen am 11.05.2024.