Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stühle,
Tage nicht davon abstehen/ und die Sache wiederum auf
den alten Fuß setzen? Es würde dadurch viel Aergerniß ver-
mieden werden. Allein dieses ist vielmehr zu wünschen/ als
zu erlangen. Man darff auch nicht viel davon schreiben.
Denn es ist nunmehro dahin gekommen/ daß man dasjeni-
ge vor ärgerlich/ lästerlich/ ketzerisch u. s. f. ausschreyet/ was
dem Nutzen oder Ansehen der Geistlichen nur im geringsten
zuwieder ist. Es sind einige auf die Gedancken gerathen/

daß
in deinem Zorn etc. und andere mehr. Kurtz: Die Beichte und
absolution bestunde aus folgenden Ceremonien. Erstlich hörete
man den Bußfertigen an. Hernach befragte man ihn wegen sei-
nes Glaubens, der vergangenen Sünden, und der jetzigen Be-
schaffenheit seines Gemüthes. Hierauf legte man ihm die Busse
oder Genugthuung auf, setzte derselben Art und Weise, inglei-
chen auch die Zeit, endlich betete man mit ihm zu GOTT. Es
ware noch nicht gewöhnlich, daß die Priester wie Praetores und
Richter ein Urtheil gefället, und die Sünden vor sich erlassen.
Sie suchten solche mit Gebet von GOTT zu erlangen. Dieser
Gebrauch ware absonderlich bey denen Christen in Occident.
Aus des Thomae opusc. 22. ersiehet man, daß ein Doctor mit
ihm gestritten und behauptet, die Art der absolution bestünde
bloß in Bitten und Gebet. Es wären noch nicht dreyßig Jah-
re, daß nur diese Formul aufgekommen: GOTT verzeihe
und vergebe dir deine Sünde.
Die Patres zu Challons, de-
ren Worte wir im vorhergehenden angeführet, haben ebenfalls
dafür gehalten, die absolution bestünde bloß in Gebet und Für-
bitte.
Denn da sie gesaget: die Beichte, die dem Priester ge-
schiehet, unterrichtete, auf was Weise die Sünden getilget wür-
den; so geben sie gar deutlich zu verstehen, daß man darum
gebeichtet, damit man unterwiesen worden, durch was vor eine
Reue, und mit was vor Gebeten, man von GOTT Vergebung
erhalten müste. Auf diese Weise also, hat man vor diesem nicht
bey dem Priester, sondern bey GOTT allein Vergebung
gesu-

I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,
Tage nicht davon abſtehen/ und die Sache wiederum auf
den alten Fuß ſetzen? Es wuͤrde dadurch viel Aergerniß ver-
mieden werden. Allein dieſes iſt vielmehr zu wuͤnſchen/ als
zu erlangen. Man darff auch nicht viel davon ſchreiben.
Denn es iſt nunmehro dahin gekommen/ daß man dasjeni-
ge vor aͤrgerlich/ laͤſterlich/ ketzeriſch u. ſ. f. ausſchreyet/ was
dem Nutzen oder Anſehen der Geiſtlichen nur im geringſten
zuwieder iſt. Es ſind einige auf die Gedancken gerathen/

daß
in deinem Zorn ꝛc. und andere mehr. Kurtz: Die Beichte und
abſolution beſtunde aus folgenden Ceremonien. Erſtlich hoͤrete
man den Bußfertigen an. Hernach befragte man ihn wegen ſei-
nes Glaubens, der vergangenen Suͤnden, und der jetzigen Be-
ſchaffenheit ſeines Gemuͤthes. Hierauf legte man ihm die Buſſe
oder Genugthuung auf, ſetzte derſelben Art und Weiſe, inglei-
chen auch die Zeit, endlich betete man mit ihm zu GOTT. Es
ware noch nicht gewoͤhnlich, daß die Prieſter wie Prætores und
Richter ein Urtheil gefaͤllet, und die Suͤnden vor ſich erlaſſen.
Sie ſuchten ſolche mit Gebet von GOTT zu erlangen. Dieſer
Gebrauch ware abſonderlich bey denen Chriſten in Occident.
Aus des Thomæ opuſc. 22. erſiehet man, daß ein Doctor mit
ihm geſtritten und behauptet, die Art der abſolution beſtuͤnde
bloß in Bitten und Gebet. Es waͤren noch nicht dreyßig Jah-
re, daß nur dieſe Formul aufgekommen: GOTT verzeihe
und vergebe dir deine Suͤnde.
Die Patres zu Challons, de-
ren Worte wir im vorhergehenden angefuͤhret, haben ebenfalls
dafuͤr gehalten, die abſolution beſtuͤnde bloß in Gebet und Fuͤr-
bitte.
Denn da ſie geſaget: die Beichte, die dem Prieſter ge-
ſchiehet, unterrichtete, auf was Weiſe die Suͤnden getilget wuͤr-
den; ſo geben ſie gar deutlich zu verſtehen, daß man darum
gebeichtet, damit man unterwieſen worden, durch was vor eine
Reue, und mit was vor Gebeten, man von GOTT Vergebung
erhalten muͤſte. Auf dieſe Weiſe alſo, hat man vor dieſem nicht
bey dem Prieſter, ſondern bey GOTT allein Vergebung
geſu-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0199" n="180"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stu&#x0364;hle,</hi></fw><lb/>
Tage nicht davon ab&#x017F;tehen/ und die Sache wiederum auf<lb/>
den alten Fuß &#x017F;etzen? Es wu&#x0364;rde dadurch viel Aergerniß ver-<lb/>
mieden werden. Allein die&#x017F;es i&#x017F;t vielmehr zu wu&#x0364;n&#x017F;chen/ als<lb/>
zu erlangen. Man darff auch nicht viel davon &#x017F;chreiben.<lb/>
Denn es i&#x017F;t nunmehro dahin gekommen/ daß man dasjeni-<lb/>
ge vor a&#x0364;rgerlich/ la&#x0364;&#x017F;terlich/ ketzeri&#x017F;ch u. &#x017F;. f. aus&#x017F;chreyet/ was<lb/>
dem Nutzen oder An&#x017F;ehen der Gei&#x017F;tlichen nur im gering&#x017F;ten<lb/>
zuwieder i&#x017F;t. Es &#x017F;ind einige auf die Gedancken gerathen/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/><note next="#g73" xml:id="g72" prev="#g71" place="foot" n="(b)"><hi rendition="#fr">in deinem Zorn &#xA75B;c.</hi> und andere mehr. Kurtz: Die Beichte und<lb/><hi rendition="#aq">ab&#x017F;olution</hi> be&#x017F;tunde aus folgenden Ceremonien. Er&#x017F;tlich ho&#x0364;rete<lb/>
man den Bußfertigen an. Hernach befragte man ihn wegen &#x017F;ei-<lb/>
nes Glaubens, der vergangenen Su&#x0364;nden, und der jetzigen Be-<lb/>
&#x017F;chaffenheit &#x017F;eines Gemu&#x0364;thes. Hierauf legte man ihm die Bu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
oder Genugthuung auf, &#x017F;etzte der&#x017F;elben Art und Wei&#x017F;e, inglei-<lb/>
chen auch die Zeit, endlich betete man mit ihm zu GOTT. Es<lb/>
ware noch nicht gewo&#x0364;hnlich, daß die Prie&#x017F;ter wie <hi rendition="#aq">Prætores</hi> und<lb/>
Richter ein Urtheil gefa&#x0364;llet, und die Su&#x0364;nden vor &#x017F;ich erla&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Sie &#x017F;uchten &#x017F;olche mit Gebet von GOTT zu erlangen. Die&#x017F;er<lb/>
Gebrauch ware ab&#x017F;onderlich bey denen Chri&#x017F;ten in <hi rendition="#aq">Occident.</hi><lb/>
Aus des <hi rendition="#aq">Thomæ <hi rendition="#i">opu&#x017F;c. 22.</hi></hi> er&#x017F;iehet man, daß ein <hi rendition="#aq">Doctor</hi> mit<lb/>
ihm ge&#x017F;tritten und behauptet, die Art der <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olution</hi> be&#x017F;tu&#x0364;nde<lb/>
bloß in <hi rendition="#fr">Bitten und Gebet.</hi> Es wa&#x0364;ren noch nicht dreyßig Jah-<lb/>
re, daß nur die&#x017F;e Formul aufgekommen: <hi rendition="#fr">GOTT verzeihe<lb/>
und vergebe dir deine Su&#x0364;nde.</hi> Die <hi rendition="#aq">Patres</hi> zu <hi rendition="#aq">Challons,</hi> de-<lb/>
ren Worte wir im vorhergehenden angefu&#x0364;hret, haben ebenfalls<lb/>
dafu&#x0364;r gehalten, die <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olution</hi> be&#x017F;tu&#x0364;nde bloß in <hi rendition="#fr">Gebet und Fu&#x0364;r-<lb/>
bitte.</hi> Denn da &#x017F;ie ge&#x017F;aget: die Beichte, die dem Prie&#x017F;ter ge-<lb/>
&#x017F;chiehet, unterrichtete, auf was Wei&#x017F;e die Su&#x0364;nden getilget wu&#x0364;r-<lb/>
den; &#x017F;o geben &#x017F;ie gar deutlich zu ver&#x017F;tehen, daß man darum<lb/>
gebeichtet, damit man unterwie&#x017F;en worden, durch was vor eine<lb/>
Reue, und mit was vor Gebeten, man von GOTT Vergebung<lb/>
erhalten mu&#x0364;&#x017F;te. Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e al&#x017F;o, hat man vor die&#x017F;em nicht<lb/>
bey dem Prie&#x017F;ter, &#x017F;ondern <hi rendition="#fr">bey GOTT allein</hi> Vergebung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ge&#x017F;u-</fw></note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0199] I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle, Tage nicht davon abſtehen/ und die Sache wiederum auf den alten Fuß ſetzen? Es wuͤrde dadurch viel Aergerniß ver- mieden werden. Allein dieſes iſt vielmehr zu wuͤnſchen/ als zu erlangen. Man darff auch nicht viel davon ſchreiben. Denn es iſt nunmehro dahin gekommen/ daß man dasjeni- ge vor aͤrgerlich/ laͤſterlich/ ketzeriſch u. ſ. f. ausſchreyet/ was dem Nutzen oder Anſehen der Geiſtlichen nur im geringſten zuwieder iſt. Es ſind einige auf die Gedancken gerathen/ daß (b) (b) in deinem Zorn ꝛc. und andere mehr. Kurtz: Die Beichte und abſolution beſtunde aus folgenden Ceremonien. Erſtlich hoͤrete man den Bußfertigen an. Hernach befragte man ihn wegen ſei- nes Glaubens, der vergangenen Suͤnden, und der jetzigen Be- ſchaffenheit ſeines Gemuͤthes. Hierauf legte man ihm die Buſſe oder Genugthuung auf, ſetzte derſelben Art und Weiſe, inglei- chen auch die Zeit, endlich betete man mit ihm zu GOTT. Es ware noch nicht gewoͤhnlich, daß die Prieſter wie Prætores und Richter ein Urtheil gefaͤllet, und die Suͤnden vor ſich erlaſſen. Sie ſuchten ſolche mit Gebet von GOTT zu erlangen. Dieſer Gebrauch ware abſonderlich bey denen Chriſten in Occident. Aus des Thomæ opuſc. 22. erſiehet man, daß ein Doctor mit ihm geſtritten und behauptet, die Art der abſolution beſtuͤnde bloß in Bitten und Gebet. Es waͤren noch nicht dreyßig Jah- re, daß nur dieſe Formul aufgekommen: GOTT verzeihe und vergebe dir deine Suͤnde. Die Patres zu Challons, de- ren Worte wir im vorhergehenden angefuͤhret, haben ebenfalls dafuͤr gehalten, die abſolution beſtuͤnde bloß in Gebet und Fuͤr- bitte. Denn da ſie geſaget: die Beichte, die dem Prieſter ge- ſchiehet, unterrichtete, auf was Weiſe die Suͤnden getilget wuͤr- den; ſo geben ſie gar deutlich zu verſtehen, daß man darum gebeichtet, damit man unterwieſen worden, durch was vor eine Reue, und mit was vor Gebeten, man von GOTT Vergebung erhalten muͤſte. Auf dieſe Weiſe alſo, hat man vor dieſem nicht bey dem Prieſter, ſondern bey GOTT allein Vergebung geſu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/199
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/199>, abgerufen am 21.11.2024.