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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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bey denen Protestirenden.
Beichte/ wie sie anjetzo aussiehet/ erst in dem XIII. Seculo
aufgekommen. Unter denen Catholicken wird also diesel-
be darum beybehalten/ weil der Römische Papst/ der nicht
irren kan/ dieselbe aufgebracht/ und die Concilia solche be-
stättiget. Dieses aber nahme mich wunder/ daß bey der
Reformation solche in unsern Kirchen nicht ausgemertzet
worden. Denn da dieselbe weder in göttlicher Schrifft an-
geordnet und befohlen/ noch auch in der ersten Christlichen
Kirche gewesen/ sondern in dem gröbsten Papstthum erst
aufgebracht ist/ so dachte ich/ hätten die Reformatores sol-
che billig bey der Reformation ausmustern sollen. Sie
schafften ja verschiedene abergläubische Gebräuche ab/ und
also hätten sie auf die Beichte auch ihre Sorgfalt wenden
mögen. Allein da ich der Sache weiter nachdachte/ befan-
de ich/ daß man denen Reformatoribus dieses nicht vor übel
halten dürffte. Jch erwoge/ daß sie so viel Sauerteig vor
sich gehabt/ den sie ohnmöglich auf einmahl ausfegen kön-
nen. Es bliebe also ein ziemlicher Hauffen abergläubischer
Dinge unberühret/ und ist biß auf diese Zeit noch nicht an
alles gedacht worden/ was einer Aenderung bedürffte a).
Denn man hält noch immer dafür/ man dürffte nicht wei-
ter gehen/ als die Vorfahren gegangen.

§. II.
a) Zur Zeit der Reformation ware in der Kirche ein so erbärmlicherEinige Ursa-
chen der Uber-
bleibsel von
dem Papst-
thum.

Zustand, daß man ohnmöglich die Jrrthümer auf einmahl einse-
hen kunte. Dahero kame es, daß viele Dinge, so einer Aenderung
allerdings bedürfftig, beybehalten worden. Viele Päpstliche
Ceremonien hatten einen Schein einer besondern Andacht, da sol-
che doch in der That abergläubisch waren. Die Reformatores
waren nicht von solcher penetration, daß sie in alle Geheimnüsse
und politische Absichten des Papstthums auf einmahl einsehen
können. Die rechte und unverfälschte Philosophie fienge damahls
an, das Haupt nur ein klein wenig wiederum empor zu heben.
Sie
(Recht der Beicht-Stühle.) r

bey denen Proteſtirenden.
Beichte/ wie ſie anjetzo ausſiehet/ erſt in dem XIII. Seculo
aufgekommen. Unter denen Catholicken wird alſo dieſel-
be darum beybehalten/ weil der Roͤmiſche Papſt/ der nicht
irren kan/ dieſelbe aufgebracht/ und die Concilia ſolche be-
ſtaͤttiget. Dieſes aber nahme mich wunder/ daß bey der
Reformation ſolche in unſern Kirchen nicht ausgemertzet
worden. Denn da dieſelbe weder in goͤttlicher Schrifft an-
geordnet und befohlen/ noch auch in der erſten Chriſtlichen
Kirche geweſen/ ſondern in dem groͤbſten Papſtthum erſt
aufgebracht iſt/ ſo dachte ich/ haͤtten die Reformatores ſol-
che billig bey der Reformation ausmuſtern ſollen. Sie
ſchafften ja verſchiedene aberglaͤubiſche Gebraͤuche ab/ und
alſo haͤtten ſie auf die Beichte auch ihre Sorgfalt wenden
moͤgen. Allein da ich der Sache weiter nachdachte/ befan-
de ich/ daß man denen Reformatoribus dieſes nicht vor uͤbel
halten duͤrffte. Jch erwoge/ daß ſie ſo viel Sauerteig vor
ſich gehabt/ den ſie ohnmoͤglich auf einmahl ausfegen koͤn-
nen. Es bliebe alſo ein ziemlicher Hauffen aberglaͤubiſcher
Dinge unberuͤhret/ und iſt biß auf dieſe Zeit noch nicht an
alles gedacht worden/ was einer Aenderung beduͤrffte a).
Denn man haͤlt noch immer dafuͤr/ man duͤrffte nicht wei-
ter gehen/ als die Vorfahren gegangen.

§. II.
a) Zur Zeit der Reformation ware in der Kirche ein ſo erbaͤrmlicherEinige Urſa-
chen der Uber-
bleibſel von
dem Papſt-
thum.

Zuſtand, daß man ohnmoͤglich die Jrrthuͤmer auf einmahl einſe-
hen kunte. Dahero kame es, daß viele Dinge, ſo einer Aenderung
allerdings beduͤrfftig, beybehalten worden. Viele Paͤpſtliche
Ceremonien hatten einen Schein einer beſondern Andacht, da ſol-
che doch in der That aberglaͤubiſch waren. Die Reformatores
waren nicht von ſolcher penetration, daß ſie in alle Geheimnuͤſſe
und politiſche Abſichten des Papſtthums auf einmahl einſehen
koͤnnen. Die rechte und unverfaͤlſchte Philoſophie fienge damahls
an, das Haupt nur ein klein wenig wiederum empor zu heben.
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(Recht der Beicht-Stuͤhle.) r
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[129/0148] bey denen Proteſtirenden. Beichte/ wie ſie anjetzo ausſiehet/ erſt in dem XIII. Seculo aufgekommen. Unter denen Catholicken wird alſo dieſel- be darum beybehalten/ weil der Roͤmiſche Papſt/ der nicht irren kan/ dieſelbe aufgebracht/ und die Concilia ſolche be- ſtaͤttiget. Dieſes aber nahme mich wunder/ daß bey der Reformation ſolche in unſern Kirchen nicht ausgemertzet worden. Denn da dieſelbe weder in goͤttlicher Schrifft an- geordnet und befohlen/ noch auch in der erſten Chriſtlichen Kirche geweſen/ ſondern in dem groͤbſten Papſtthum erſt aufgebracht iſt/ ſo dachte ich/ haͤtten die Reformatores ſol- che billig bey der Reformation ausmuſtern ſollen. Sie ſchafften ja verſchiedene aberglaͤubiſche Gebraͤuche ab/ und alſo haͤtten ſie auf die Beichte auch ihre Sorgfalt wenden moͤgen. Allein da ich der Sache weiter nachdachte/ befan- de ich/ daß man denen Reformatoribus dieſes nicht vor uͤbel halten duͤrffte. Jch erwoge/ daß ſie ſo viel Sauerteig vor ſich gehabt/ den ſie ohnmoͤglich auf einmahl ausfegen koͤn- nen. Es bliebe alſo ein ziemlicher Hauffen aberglaͤubiſcher Dinge unberuͤhret/ und iſt biß auf dieſe Zeit noch nicht an alles gedacht worden/ was einer Aenderung beduͤrffte a). Denn man haͤlt noch immer dafuͤr/ man duͤrffte nicht wei- ter gehen/ als die Vorfahren gegangen. §. II. a) Zur Zeit der Reformation ware in der Kirche ein ſo erbaͤrmlicher Zuſtand, daß man ohnmoͤglich die Jrrthuͤmer auf einmahl einſe- hen kunte. Dahero kame es, daß viele Dinge, ſo einer Aenderung allerdings beduͤrfftig, beybehalten worden. Viele Paͤpſtliche Ceremonien hatten einen Schein einer beſondern Andacht, da ſol- che doch in der That aberglaͤubiſch waren. Die Reformatores waren nicht von ſolcher penetration, daß ſie in alle Geheimnuͤſſe und politiſche Abſichten des Papſtthums auf einmahl einſehen koͤnnen. Die rechte und unverfaͤlſchte Philoſophie fienge damahls an, das Haupt nur ein klein wenig wiederum empor zu heben. Sie (Recht der Beicht-Stuͤhle.) r

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/148>, abgerufen am 28.04.2024.