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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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der verborgenen Sünden.
te es auch nicht fehlen/ daß die Kirchen-Sachen mehr ver-
hunzet worden. Die Geheime Offenbahrung und Beichte
der Sünden wurde immer gebräuchlicher/ und die öffent-
liche Busse wurde nach und nach in eine Geheime verwan-
delt b). Dieses reizete die abergläubischen Leute an/ daß sie

desto
wenn sich auch ein guter Kopf gefunden, der etwas zu erlernen Lust
getragen, er keinen Lehrmeister finden können. Er beruffet sich
auf Lupum Ferrariensem, der zu solcher Zeit gelebet. Carl der
Grosse thate zwar sein äusserstes, daß er die Wissenschafften wie-
der empor brächte, es daurete aber nicht lange, und wurden sol-
che so zu sagen aufs neue mit ihm begraben. Man kan nicht
anders sagen, als daß die guten Wissenschafften, vornehmlich die
Historie und eine reine Philosophie dazumahl recht verbannet ge-
wesen. Alle Weißheit ware bey der Geistlichkeit, und auch die
verstunde öffters nicht vielmehr als der gemeine Mann. Die andern
waren durch die superstition also verblendet, daß sie fast ihres
Verstandes beraubet schienen. Denn wenn dieses nicht gewesen
wäre, so hätten nimmermehr so viel Dinge, die der gesunden
Vernunfft schnurstracks zuwieder lauffen, eingeführet werden
können. So aber nahme man solche als göttliche Wahrheiten
an, und thate sein äuserstes, daß solche beybehalten und auf die
Nachkommen fortgepflantzet werden möchten.
b) Vor diesem ware keine andere als die öffentliche Busse, und soOeffentliche
und geheime
Busse.

offt dieses Wort vorkame, verstunde man nichts anders darun-
ter. Zuweilen wurde zwar auch in denen alten Zeiten die Sache
in etwas geändert, wenn etwa der schuldige durch öffentliche Be-
käntniß und Busse in Gefahr des Lebens gerathen möchte, wie et-
wa aus Basilii Epist. ad Amphil. can. 22. Augustini Serm. 16. de verb.
Dom. c. 8.
abzunehmen; aber dieses ware was ausserordentliches.
Diejenigen hiessen aber sonst Bußfertige (poenitentes) welche
öffentliche Busse (exomologesin) thaten. Zu Anfang des neun-
ten Seculi aber und der folgenden Zeiten wurde es anders. Denn
da wird in denen canonibus die öffentliche Busse von der ge-
heimen
gar fleißig unterschieden, welches bey denen ältern Zei-
ten ungewöhnlich war. Der andere Synodus zu Rheims, so im
Jahr
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der verborgenen Suͤnden.
te es auch nicht fehlen/ daß die Kirchen-Sachen mehr ver-
hunzet worden. Die Geheime Offenbahrung und Beichte
der Suͤnden wurde immer gebraͤuchlicher/ und die oͤffent-
liche Buſſe wurde nach und nach in eine Geheime verwan-
delt b). Dieſes reizete die aberglaͤubiſchen Leute an/ daß ſie

deſto
wenn ſich auch ein guter Kopf gefunden, der etwas zu erlernen Luſt
getragen, er keinen Lehrmeiſter finden koͤnnen. Er beruffet ſich
auf Lupum Ferrarienſem, der zu ſolcher Zeit gelebet. Carl der
Groſſe thate zwar ſein aͤuſſerſtes, daß er die Wiſſenſchafften wie-
der empor braͤchte, es daurete aber nicht lange, und wurden ſol-
che ſo zu ſagen aufs neue mit ihm begraben. Man kan nicht
anders ſagen, als daß die guten Wiſſenſchafften, vornehmlich die
Hiſtorie und eine reine Philoſophie dazumahl recht verbannet ge-
weſen. Alle Weißheit ware bey der Geiſtlichkeit, und auch die
verſtunde oͤffters nicht vielmehr als der gemeine Mann. Die andern
waren durch die ſuperſtition alſo verblendet, daß ſie faſt ihres
Verſtandes beraubet ſchienen. Denn wenn dieſes nicht geweſen
waͤre, ſo haͤtten nimmermehr ſo viel Dinge, die der geſunden
Vernunfft ſchnurſtracks zuwieder lauffen, eingefuͤhret werden
koͤnnen. So aber nahme man ſolche als goͤttliche Wahrheiten
an, und thate ſein aͤuſerſtes, daß ſolche beybehalten und auf die
Nachkommen fortgepflantzet werden moͤchten.
b) Vor dieſem ware keine andere als die oͤffentliche Buſſe, und ſoOeffentliche
und geheime
Buſſe.

offt dieſes Wort vorkame, verſtunde man nichts anders darun-
ter. Zuweilen wurde zwar auch in denen alten Zeiten die Sache
in etwas geaͤndert, wenn etwa der ſchuldige durch oͤffentliche Be-
kaͤntniß und Buſſe in Gefahr des Lebens gerathen moͤchte, wie et-
wa aus Baſilii Epiſt. ad Amphil. can. 22. Auguſtini Serm. 16. de verb.
Dom. c. 8.
abzunehmen; aber dieſes ware was auſſerordentliches.
Diejenigen hieſſen aber ſonſt Bußfertige (pœnitentes) welche
oͤffentliche Buſſe (exomologeſin) thaten. Zu Anfang des neun-
ten Seculi aber und der folgenden Zeiten wurde es anders. Denn
da wird in denen canonibus die oͤffentliche Buſſe von der ge-
heimen
gar fleißig unterſchieden, welches bey denen aͤltern Zei-
ten ungewoͤhnlich war. Der andere Synodus zu Rheims, ſo im
Jahr
m 3
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[93/0112] der verborgenen Suͤnden. te es auch nicht fehlen/ daß die Kirchen-Sachen mehr ver- hunzet worden. Die Geheime Offenbahrung und Beichte der Suͤnden wurde immer gebraͤuchlicher/ und die oͤffent- liche Buſſe wurde nach und nach in eine Geheime verwan- delt b). Dieſes reizete die aberglaͤubiſchen Leute an/ daß ſie deſto (a) b) Vor dieſem ware keine andere als die oͤffentliche Buſſe, und ſo offt dieſes Wort vorkame, verſtunde man nichts anders darun- ter. Zuweilen wurde zwar auch in denen alten Zeiten die Sache in etwas geaͤndert, wenn etwa der ſchuldige durch oͤffentliche Be- kaͤntniß und Buſſe in Gefahr des Lebens gerathen moͤchte, wie et- wa aus Baſilii Epiſt. ad Amphil. can. 22. Auguſtini Serm. 16. de verb. Dom. c. 8. abzunehmen; aber dieſes ware was auſſerordentliches. Diejenigen hieſſen aber ſonſt Bußfertige (pœnitentes) welche oͤffentliche Buſſe (exomologeſin) thaten. Zu Anfang des neun- ten Seculi aber und der folgenden Zeiten wurde es anders. Denn da wird in denen canonibus die oͤffentliche Buſſe von der ge- heimen gar fleißig unterſchieden, welches bey denen aͤltern Zei- ten ungewoͤhnlich war. Der andere Synodus zu Rheims, ſo im Jahr (a) wenn ſich auch ein guter Kopf gefunden, der etwas zu erlernen Luſt getragen, er keinen Lehrmeiſter finden koͤnnen. Er beruffet ſich auf Lupum Ferrarienſem, der zu ſolcher Zeit gelebet. Carl der Groſſe thate zwar ſein aͤuſſerſtes, daß er die Wiſſenſchafften wie- der empor braͤchte, es daurete aber nicht lange, und wurden ſol- che ſo zu ſagen aufs neue mit ihm begraben. Man kan nicht anders ſagen, als daß die guten Wiſſenſchafften, vornehmlich die Hiſtorie und eine reine Philoſophie dazumahl recht verbannet ge- weſen. Alle Weißheit ware bey der Geiſtlichkeit, und auch die verſtunde oͤffters nicht vielmehr als der gemeine Mann. Die andern waren durch die ſuperſtition alſo verblendet, daß ſie faſt ihres Verſtandes beraubet ſchienen. Denn wenn dieſes nicht geweſen waͤre, ſo haͤtten nimmermehr ſo viel Dinge, die der geſunden Vernunfft ſchnurſtracks zuwieder lauffen, eingefuͤhret werden koͤnnen. So aber nahme man ſolche als goͤttliche Wahrheiten an, und thate ſein aͤuſerſtes, daß ſolche beybehalten und auf die Nachkommen fortgepflantzet werden moͤchten. m 3

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/112>, abgerufen am 27.04.2024.