her. Er rüstete sich zum Reisen, das am be¬ sten seinen eigensinnigen Körper auf- und nachbauete. Die Fürstinn verschob das ihrige von Tag zu Tag, bloß in der festen, feurigen Erwartung, Albano werde ihr das schönste Endwort ihres ganzen Lebens mitgeben auf den Weg. In Albano war die Sehnsucht nach -- Spanien aufgewacht im blühenden Land, und Neapel, hofft' er, werde sie stillen. Der Frühling dämmerte schon in Rom und gieng auf in Neapel -- die Nächte durchsang die Nachtigal und der Mensch -- und die Man¬ delbäume blühten überall. Aber es schien als ob die drei Menschen mit dem Reisen auf ein¬ ander warteten. Konnte die Fürstinn von dem Herzen eilen, auf welchem ihr Daseyn blühte und wurzelte, sie gleich einem abgerissenen Ros¬ marienzweige, dessen Wurzeln zugleich mit de¬ nen eines keimenden Waizenkorns doppelt in die Erde greifen? -- Auch Albano wollte nicht die Stunde beschleunigen, die ihn zugleich von dem Vater und der Freundinn in ferne Erd-Ecken warf, jene in den Nachwinter, ihn in den Vor- und Nachfrühling; -- gerade jetzt am wenig¬
her. Er rüſtete ſich zum Reiſen, das am be¬ ſten ſeinen eigenſinnigen Körper auf- und nachbauete. Die Fürſtinn verſchob das ihrige von Tag zu Tag, bloß in der feſten, feurigen Erwartung, Albano werde ihr das ſchönſte Endwort ihres ganzen Lebens mitgeben auf den Weg. In Albano war die Sehnſucht nach — Spanien aufgewacht im blühenden Land, und Neapel, hofft' er, werde ſie ſtillen. Der Frühling dämmerte ſchon in Rom und gieng auf in Neapel — die Nächte durchſang die Nachtigal und der Menſch — und die Man¬ delbäume blühten überall. Aber es ſchien als ob die drei Menſchen mit dem Reiſen auf ein¬ ander warteten. Konnte die Fürſtinn von dem Herzen eilen, auf welchem ihr Daſeyn blühte und wurzelte, ſie gleich einem abgeriſſenen Ros¬ marienzweige, deſſen Wurzeln zugleich mit de¬ nen eines keimenden Waizenkorns doppelt in die Erde greifen? — Auch Albano wollte nicht die Stunde beſchleunigen, die ihn zugleich von dem Vater und der Freundinn in ferne Erd-Ecken warf, jene in den Nachwinter, ihn in den Vor- und Nachfrühling; — gerade jetzt am wenig¬
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her. Er rüſtete ſich zum Reiſen, das am be¬
ſten ſeinen eigenſinnigen Körper auf- und
nachbauete. Die Fürſtinn verſchob das ihrige
von Tag zu Tag, bloß in der feſten, feurigen
Erwartung, Albano werde ihr das ſchönſte
Endwort ihres ganzen Lebens mitgeben auf
den Weg. In Albano war die Sehnſucht nach
— Spanien aufgewacht im blühenden Land,
und Neapel, hofft' er, werde ſie ſtillen. Der
Frühling dämmerte ſchon in Rom und gieng
auf in Neapel — die Nächte durchſang die
Nachtigal und der Menſch — und die Man¬
delbäume blühten überall. Aber es ſchien als
ob die drei Menſchen mit dem Reiſen auf ein¬
ander warteten. Konnte die Fürſtinn von dem
Herzen eilen, auf welchem ihr Daſeyn blühte
und wurzelte, ſie gleich einem abgeriſſenen Ros¬
marienzweige, deſſen Wurzeln zugleich mit de¬
nen eines keimenden Waizenkorns doppelt in
die Erde greifen? — Auch Albano wollte nicht die
Stunde beſchleunigen, die ihn zugleich von dem
Vater und der Freundinn in ferne Erd-Ecken
warf, jene in den Nachwinter, ihn in den Vor-
und Nachfrühling; — gerade jetzt am wenig¬
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/94>, abgerufen am 25.11.2024.
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