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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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deren ich mich nachher schäme und doch nicht
erwehre." Albano wurde von manchen un¬
erwarteten Herzens-Ausbrüchen des kran¬
ken Mannes bis zur wärmsten Liebe be¬
wegt. Wenn die Ruinen eines Tempels weh¬
müthig begeistern, dacht' er, warum sollen es
mich nicht noch mehr die Ruinen einer großen
Seele? Es giebt Menschen, voll kolossalischer
Überreste, gleich der Erde selber; in ihrem tie¬
fen schon erkalteten Herzen liegen versteinerte
Blumenbilder einer schönern Zeit; sie gleichen
nordischen Steinen, auf welchen Abdrücke in¬
discher Blumen stehen. --

Die Krankheit grub unter sich. Gaspard
blieb ohne Theilnahme an sich selber; nur seine
Geschäfte, nicht sein Ende, bekümmerten ihn.
Mit seinem Schwiegervater Lauria hielt er ge¬
heime Unterredungen, um auf sein Leben das
schwarze Gerichtssiegel schließend zu drücken.
Ein Eilbote mußte fertig stehen, um nach sei¬
nem Todesaugenblick mit einem Brief zu Linda
zu fliegen, sein Sohn sollte einen selber erbre¬
chen und einen versiegelten an die Fürstinn
übergeben. Sehr hart und gebietend benahm

deren ich mich nachher ſchäme und doch nicht
erwehre.“ Albano wurde von manchen un¬
erwarteten Herzens-Ausbrüchen des kran¬
ken Mannes bis zur wärmſten Liebe be¬
wegt. Wenn die Ruinen eines Tempels weh¬
müthig begeiſtern, dacht' er, warum ſollen es
mich nicht noch mehr die Ruinen einer großen
Seele? Es giebt Menſchen, voll koloſſaliſcher
Überreſte, gleich der Erde ſelber; in ihrem tie¬
fen ſchon erkalteten Herzen liegen verſteinerte
Blumenbilder einer ſchönern Zeit; ſie gleichen
nordiſchen Steinen, auf welchen Abdrücke in¬
diſcher Blumen ſtehen. —

Die Krankheit grub unter ſich. Gaſpard
blieb ohne Theilnahme an ſich ſelber; nur ſeine
Geſchäfte, nicht ſein Ende, bekümmerten ihn.
Mit ſeinem Schwiegervater Lauria hielt er ge¬
heime Unterredungen, um auf ſein Leben das
ſchwarze Gerichtsſiegel ſchließend zu drücken.
Ein Eilbote mußte fertig ſtehen, um nach ſei¬
nem Todesaugenblick mit einem Brief zu Linda
zu fliegen, ſein Sohn ſollte einen ſelber erbre¬
chen und einen verſiegelten an die Fürſtinn
übergeben. Sehr hart und gebietend benahm

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[74/0086] deren ich mich nachher ſchäme und doch nicht erwehre.“ Albano wurde von manchen un¬ erwarteten Herzens-Ausbrüchen des kran¬ ken Mannes bis zur wärmſten Liebe be¬ wegt. Wenn die Ruinen eines Tempels weh¬ müthig begeiſtern, dacht' er, warum ſollen es mich nicht noch mehr die Ruinen einer großen Seele? Es giebt Menſchen, voll koloſſaliſcher Überreſte, gleich der Erde ſelber; in ihrem tie¬ fen ſchon erkalteten Herzen liegen verſteinerte Blumenbilder einer ſchönern Zeit; ſie gleichen nordiſchen Steinen, auf welchen Abdrücke in¬ diſcher Blumen ſtehen. — Die Krankheit grub unter ſich. Gaſpard blieb ohne Theilnahme an ſich ſelber; nur ſeine Geſchäfte, nicht ſein Ende, bekümmerten ihn. Mit ſeinem Schwiegervater Lauria hielt er ge¬ heime Unterredungen, um auf ſein Leben das ſchwarze Gerichtsſiegel ſchließend zu drücken. Ein Eilbote mußte fertig ſtehen, um nach ſei¬ nem Todesaugenblick mit einem Brief zu Linda zu fliegen, ſein Sohn ſollte einen ſelber erbre¬ chen und einen verſiegelten an die Fürſtinn übergeben. Sehr hart und gebietend benahm

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/86>, abgerufen am 07.05.2024.