Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

machen nicht mehr anstehen darf, dem ich nun
gewiß entgegensehe, dem Lande vielleicht durch
einen Sohn ihres geliebten verstorbnen Fürsten
jede Veränderung zu ersparen. Wenigstens
darf man vor der Entscheidung der Zeit keine
fremde Einmischung dulden." Gaspard, über
das Erwartete erzürnt, versetzte darauf bloß
ein unendlich-freches Wort -- weil er leichter
Geschlecht als Stand zu vergessen und zu
verletzen vermochte -- und nahm darauf von
ihr seinen höflichen Abschied mit der Versiche¬
rung, daß er gewiß sey, die Bestätigung die¬
ser sonst so angenehmen Nachricht, wo er auch
seyn werde, zu erhalten und daß es ihm dann
Leid thun würde, ihr aus Liebe zur Wahrheit
öffentlich einige seltsame -- gerichtliche Papiere
entgegen setzen zu müssen, die er ungern in
Umlauf bringe. "Sie sind ein wahrer Teu¬
fel" sagte die Fürstin außer sich. "Vis-a-vis
d'un Ange
? Mais pourquoi non?" versetzt'
er und schied mit den alten Zeremonien.

Albano, dessen Herz in allen diesen Tiefen
und Abgründen die nackten verletzten Wurzeln
und Fibern hatte, konnte nichts sagen. Aber

machen nicht mehr anſtehen darf, dem ich nun
gewiß entgegenſehe, dem Lande vielleicht durch
einen Sohn ihres geliebten verſtorbnen Fürſten
jede Veränderung zu erſparen. Wenigſtens
darf man vor der Entſcheidung der Zeit keine
fremde Einmiſchung dulden.“ Gaſpard, über
das Erwartete erzürnt, verſetzte darauf bloß
ein unendlich-freches Wort — weil er leichter
Geſchlecht als Stand zu vergeſſen und zu
verletzen vermochte — und nahm darauf von
ihr ſeinen höflichen Abſchied mit der Verſiche¬
rung, daß er gewiß ſey, die Beſtätigung die¬
ſer ſonſt ſo angenehmen Nachricht, wo er auch
ſeyn werde, zu erhalten und daß es ihm dann
Leid thun würde, ihr aus Liebe zur Wahrheit
öffentlich einige ſeltſame — gerichtliche Papiere
entgegen ſetzen zu müſſen, die er ungern in
Umlauf bringe. „Sie ſind ein wahrer Teu¬
fel“ ſagte die Fürſtin außer ſich. „Vis-à-vis
d'un Ange
? Mais pourquoi non?“ verſetzt'
er und ſchied mit den alten Zeremonien.

Albano, deſſen Herz in allen dieſen Tiefen
und Abgründen die nackten verletzten Wurzeln
und Fibern hatte, konnte nichts ſagen. Aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0560" n="548"/>
machen nicht mehr an&#x017F;tehen darf, dem ich nun<lb/>
gewiß entgegen&#x017F;ehe, dem Lande vielleicht durch<lb/>
einen Sohn ihres geliebten ver&#x017F;torbnen Für&#x017F;ten<lb/>
jede Veränderung zu er&#x017F;paren. Wenig&#x017F;tens<lb/>
darf man vor der Ent&#x017F;cheidung der Zeit keine<lb/>
fremde Einmi&#x017F;chung dulden.&#x201C; Ga&#x017F;pard, über<lb/>
das Erwartete erzürnt, ver&#x017F;etzte darauf bloß<lb/>
ein unendlich-freches Wort &#x2014; weil er leichter<lb/><hi rendition="#g">Ge&#x017F;chlecht</hi> als <hi rendition="#g">Stand</hi> zu verge&#x017F;&#x017F;en und zu<lb/>
verletzen vermochte &#x2014; und nahm darauf von<lb/>
ihr &#x017F;einen höflichen Ab&#x017F;chied mit der Ver&#x017F;iche¬<lb/>
rung, daß er gewiß &#x017F;ey, die Be&#x017F;tätigung die¬<lb/>
&#x017F;er &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o angenehmen Nachricht, wo er auch<lb/>
&#x017F;eyn werde, zu erhalten und daß es ihm dann<lb/>
Leid thun würde, ihr aus Liebe zur Wahrheit<lb/>
öffentlich einige &#x017F;elt&#x017F;ame &#x2014; gerichtliche Papiere<lb/>
entgegen &#x017F;etzen zu mü&#x017F;&#x017F;en, die er ungern in<lb/>
Umlauf bringe. &#x201E;Sie &#x017F;ind ein wahrer Teu¬<lb/>
fel&#x201C; &#x017F;agte die Für&#x017F;tin außer &#x017F;ich. &#x201E;<hi rendition="#aq">Vis-à-vis<lb/>
d'un Ange</hi>? <hi rendition="#aq">Mais pourquoi non</hi>?&#x201C; ver&#x017F;etzt'<lb/>
er und &#x017F;chied mit den alten Zeremonien.</p><lb/>
          <p>Albano, de&#x017F;&#x017F;en Herz in allen die&#x017F;en Tiefen<lb/>
und Abgründen die nackten verletzten Wurzeln<lb/>
und Fibern hatte, konnte nichts &#x017F;agen. Aber<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[548/0560] machen nicht mehr anſtehen darf, dem ich nun gewiß entgegenſehe, dem Lande vielleicht durch einen Sohn ihres geliebten verſtorbnen Fürſten jede Veränderung zu erſparen. Wenigſtens darf man vor der Entſcheidung der Zeit keine fremde Einmiſchung dulden.“ Gaſpard, über das Erwartete erzürnt, verſetzte darauf bloß ein unendlich-freches Wort — weil er leichter Geſchlecht als Stand zu vergeſſen und zu verletzen vermochte — und nahm darauf von ihr ſeinen höflichen Abſchied mit der Verſiche¬ rung, daß er gewiß ſey, die Beſtätigung die¬ ſer ſonſt ſo angenehmen Nachricht, wo er auch ſeyn werde, zu erhalten und daß es ihm dann Leid thun würde, ihr aus Liebe zur Wahrheit öffentlich einige ſeltſame — gerichtliche Papiere entgegen ſetzen zu müſſen, die er ungern in Umlauf bringe. „Sie ſind ein wahrer Teu¬ fel“ ſagte die Fürſtin außer ſich. „Vis-à-vis d'un Ange? Mais pourquoi non?“ verſetzt' er und ſchied mit den alten Zeremonien. Albano, deſſen Herz in allen dieſen Tiefen und Abgründen die nackten verletzten Wurzeln und Fibern hatte, konnte nichts ſagen. Aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/560
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/560>, abgerufen am 23.11.2024.