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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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versetzte sie und blickt' ihm mit neuen Augen
in das neue Angesicht. Denn die überirdische
Erleuchtung durch das Zenith des Himmels, --
nicht durch einen dunstigen Horizont -- ver¬
klärte ihr das schöne bewegte Gesicht des Jüng¬
lings; und sie setzte voraus, der Heiligenschein
der Kuppel hebe auch ihre Gestalt. Da er ihr
antwortete: "sehr gut! Aber in Shakespear
steckt auch Sophokles, aber in Sophokles nicht
Shakespear -- und auf der Peterskirche steht
Angelo's Rotonda!" so gieng plötzlich das hohe
Gewölk, wie durch den Schlag einer Hand aus
dem Äther, entzwei und die entrückte Sonne
schauete, wie das Auge der durch den alten
Himmel ziehenden Venus, die sonst auch hier
stand, aus hoher Tiefe mild herein -- da füllte
ein heiliger Glanz den Tempel und brannte
auf dem Porphyr des Bodens und Albano sah
betroffen und entzückt umher und sagte mit lei¬
ser Stimme: "wie ist jetzt alles so verklärt an
dieser heiligen Stelle! Raphael's Geist geht in
der Mittagsstunde aus seinem Grabe und al¬
les, was sein Wiederschein berührt, erglänzt
göttlich!" Die Fürstinn sah ihn zärtlich an

verſetzte ſie und blickt' ihm mit neuen Augen
in das neue Angeſicht. Denn die überirdiſche
Erleuchtung durch das Zenith des Himmels, —
nicht durch einen dunſtigen Horizont — ver¬
klärte ihr das ſchöne bewegte Geſicht des Jüng¬
lings; und ſie ſetzte voraus, der Heiligenſchein
der Kuppel hebe auch ihre Geſtalt. Da er ihr
antwortete: „ſehr gut! Aber in Shakeſpear
ſteckt auch Sophokles, aber in Sophokles nicht
Shakeſpear — und auf der Peterskirche ſteht
Angelo's Rotonda!“ ſo gieng plötzlich das hohe
Gewölk, wie durch den Schlag einer Hand aus
dem Äther, entzwei und die entrückte Sonne
ſchauete, wie das Auge der durch den alten
Himmel ziehenden Venus, die ſonſt auch hier
ſtand, aus hoher Tiefe mild herein — da füllte
ein heiliger Glanz den Tempel und brannte
auf dem Porphyr des Bodens und Albano ſah
betroffen und entzückt umher und ſagte mit lei¬
ſer Stimme: „wie iſt jetzt alles ſo verklärt an
dieſer heiligen Stelle! Raphael's Geiſt geht in
der Mittagsſtunde aus ſeinem Grabe und al¬
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göttlich!“ Die Fürſtinn ſah ihn zärtlich an

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[42/0054] verſetzte ſie und blickt' ihm mit neuen Augen in das neue Angeſicht. Denn die überirdiſche Erleuchtung durch das Zenith des Himmels, — nicht durch einen dunſtigen Horizont — ver¬ klärte ihr das ſchöne bewegte Geſicht des Jüng¬ lings; und ſie ſetzte voraus, der Heiligenſchein der Kuppel hebe auch ihre Geſtalt. Da er ihr antwortete: „ſehr gut! Aber in Shakeſpear ſteckt auch Sophokles, aber in Sophokles nicht Shakeſpear — und auf der Peterskirche ſteht Angelo's Rotonda!“ ſo gieng plötzlich das hohe Gewölk, wie durch den Schlag einer Hand aus dem Äther, entzwei und die entrückte Sonne ſchauete, wie das Auge der durch den alten Himmel ziehenden Venus, die ſonſt auch hier ſtand, aus hoher Tiefe mild herein — da füllte ein heiliger Glanz den Tempel und brannte auf dem Porphyr des Bodens und Albano ſah betroffen und entzückt umher und ſagte mit lei¬ ſer Stimme: „wie iſt jetzt alles ſo verklärt an dieſer heiligen Stelle! Raphael's Geiſt geht in der Mittagsſtunde aus ſeinem Grabe und al¬ les, was ſein Wiederſchein berührt, erglänzt göttlich!“ Die Fürſtinn ſah ihn zärtlich an

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/54>, abgerufen am 07.05.2024.