Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Euch nichts" sagte Albano. "Jetzt darf ich alle
Wahrheit sagen, denn der Finstere thut mir
nichts, ich denke, Cousin (versetzte der Spa¬
nier) -- ist der da (setzt' er leise mit einem
scheuen Blick auf Siebenkäs dazu) nicht der
Finstere, Cousin?" Albano wollte nichts wis¬
sen und hören. Siebenkäs fragt' ihn, wer der
Finstere sey. "Es sey der unendliche Mann,
(begann er,) sehr schwarz und finster, und sey
zum erstenmal vor ihn geschritten über das
Meer her, als er an der Küste stand vor einem
Nebel -- Nachts hab' er ihn oft rufen hö¬
ren und zuweilen hab' er seine Bauchreden wie¬
derholt -- er sey ihm sogleich erschienen mit
einer Hand voll Drohungen, sobald er nach
Sonnenuntergang viele Wahrheiten gesagt, da¬
her hab' er sich in der Kreuzkapelle vor dem
gegenwärtigen Herrn sehr gefürchtet -- aber jetzt,
seitdem er sich ohne allen Schaden in der Ka¬
pelle bekehret habe, sag' er den ganzen Tag
Wahrheiten und im Karthäuser-Kloster gedenk'
ers noch mehr."

"In Klöstern wohnen sie sonst eben nicht,
daher wird glaub' ich eben das Gelübde des

Euch nichts“ ſagte Albano. „Jetzt darf ich alle
Wahrheit ſagen, denn der Finſtere thut mir
nichts, ich denke, Cousin (verſetzte der Spa¬
nier) — iſt der da (ſetzt' er leiſe mit einem
ſcheuen Blick auf Siebenkäs dazu) nicht der
Finſtere, Cousin?“ Albano wollte nichts wis¬
ſen und hören. Siebenkäs fragt' ihn, wer der
Finſtere ſey. „Es ſey der unendliche Mann,
(begann er,) ſehr ſchwarz und finſter, und ſey
zum erſtenmal vor ihn geſchritten über das
Meer her, als er an der Küſte ſtand vor einem
Nebel — Nachts hab' er ihn oft rufen hö¬
ren und zuweilen hab' er ſeine Bauchreden wie¬
derholt — er ſey ihm ſogleich erſchienen mit
einer Hand voll Drohungen, ſobald er nach
Sonnenuntergang viele Wahrheiten geſagt, da¬
her hab' er ſich in der Kreuzkapelle vor dem
gegenwärtigen Herrn ſehr gefürchtet — aber jetzt,
ſeitdem er ſich ohne allen Schaden in der Ka¬
pelle bekehret habe, ſag' er den ganzen Tag
Wahrheiten und im Karthäuſer-Kloſter gedenk'
ers noch mehr.“

„In Klöſtern wohnen ſie ſonſt eben nicht,
daher wird glaub' ich eben das Gelübde des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0530" n="518"/>
Euch nichts&#x201C; &#x017F;agte Albano. &#x201E;Jetzt darf ich alle<lb/>
Wahrheit &#x017F;agen, denn der Fin&#x017F;tere thut mir<lb/>
nichts, ich denke, <hi rendition="#aq">Cousin</hi> (ver&#x017F;etzte der Spa¬<lb/>
nier) &#x2014; i&#x017F;t der da (&#x017F;etzt' er lei&#x017F;e mit einem<lb/>
&#x017F;cheuen Blick auf Siebenkäs dazu) nicht der<lb/>
Fin&#x017F;tere, <hi rendition="#aq">Cousin</hi>?&#x201C; Albano wollte nichts wis¬<lb/>
&#x017F;en und hören. Siebenkäs fragt' ihn, wer der<lb/>
Fin&#x017F;tere &#x017F;ey. &#x201E;Es &#x017F;ey der unendliche Mann,<lb/>
(begann er,) &#x017F;ehr &#x017F;chwarz und fin&#x017F;ter, und &#x017F;ey<lb/>
zum er&#x017F;tenmal vor ihn ge&#x017F;chritten über das<lb/>
Meer her, als er an der Kü&#x017F;te &#x017F;tand vor einem<lb/>
Nebel &#x2014; Nachts hab' er ihn oft rufen hö¬<lb/>
ren und zuweilen hab' er &#x017F;eine Bauchreden wie¬<lb/>
derholt &#x2014; er &#x017F;ey ihm &#x017F;ogleich er&#x017F;chienen mit<lb/>
einer Hand voll Drohungen, &#x017F;obald er nach<lb/>
Sonnenuntergang viele Wahrheiten ge&#x017F;agt, da¬<lb/>
her hab' er &#x017F;ich in der Kreuzkapelle vor dem<lb/>
gegenwärtigen Herrn &#x017F;ehr gefürchtet &#x2014; aber jetzt,<lb/>
&#x017F;eitdem er &#x017F;ich ohne allen Schaden in der Ka¬<lb/>
pelle bekehret habe, &#x017F;ag' er den ganzen Tag<lb/>
Wahrheiten und im Karthäu&#x017F;er-Klo&#x017F;ter gedenk'<lb/>
ers noch mehr.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;In Klö&#x017F;tern wohnen &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t eben nicht,<lb/>
daher wird glaub' ich eben das Gelübde des<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[518/0530] Euch nichts“ ſagte Albano. „Jetzt darf ich alle Wahrheit ſagen, denn der Finſtere thut mir nichts, ich denke, Cousin (verſetzte der Spa¬ nier) — iſt der da (ſetzt' er leiſe mit einem ſcheuen Blick auf Siebenkäs dazu) nicht der Finſtere, Cousin?“ Albano wollte nichts wis¬ ſen und hören. Siebenkäs fragt' ihn, wer der Finſtere ſey. „Es ſey der unendliche Mann, (begann er,) ſehr ſchwarz und finſter, und ſey zum erſtenmal vor ihn geſchritten über das Meer her, als er an der Küſte ſtand vor einem Nebel — Nachts hab' er ihn oft rufen hö¬ ren und zuweilen hab' er ſeine Bauchreden wie¬ derholt — er ſey ihm ſogleich erſchienen mit einer Hand voll Drohungen, ſobald er nach Sonnenuntergang viele Wahrheiten geſagt, da¬ her hab' er ſich in der Kreuzkapelle vor dem gegenwärtigen Herrn ſehr gefürchtet — aber jetzt, ſeitdem er ſich ohne allen Schaden in der Ka¬ pelle bekehret habe, ſag' er den ganzen Tag Wahrheiten und im Karthäuſer-Kloſter gedenk' ers noch mehr.“ „In Klöſtern wohnen ſie ſonſt eben nicht, daher wird glaub' ich eben das Gelübde des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/530
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/530>, abgerufen am 09.11.2024.