ter -- und kindliche Liebe gegen ihn ist Dir nie zu verdenken; -- aber wenn ich zu Dir sagen wollte, er sey kein Bär, kein Nashorn, kein Währ- und anderer Wolf, so thät ichs mehr aus seltener Politesse. Er schnaubte mir einen guten Abend zu, ich ihm. Viele Menschen glei¬ chen dem Glas, glatt und geschliffen und stumpf so lange als man sie nicht zerbricht, dann ver¬ flucht schneidend und jeder Splitter sticht. Die Sache würd' ihm vorgehalten und das mitge¬ brachte Gesichtsstück. Wärst Du weitläuftiger mit ihm verwandt, so ließ' ich mich heraus. Denn sein Gesicht wurde vom Nordschein des Grimms überzogen, aus den Augen flogen mir gelbe Wespen zu, gerade Linien fuhren auf seiner Gewitterstirn wie elektrische Spieße auf, besonders zwei steilrechte Unglückslinien. Aber wie gesagt bist Du meines Wissens sein Sohn. ""Mein Freund, (donnert' er los,) mit welchem Rechte stehlet Ihr denn Gemähl¬ de?"" -- ""Das sollte mir (versetzt' ich sanft) schwer anzusagen fallen; aber ein Unvermö¬ gen hab' ich, einem ungerechten Truge zuzu schauen, ich fahre d'rein."" ""Gräfin, (sagt
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ter — und kindliche Liebe gegen ihn iſt Dir nie zu verdenken; — aber wenn ich zu Dir ſagen wollte, er ſey kein Bär, kein Nashorn, kein Währ- und anderer Wolf, ſo thät ichs mehr aus ſeltener Politeſſe. Er ſchnaubte mir einen guten Abend zu, ich ihm. Viele Menſchen glei¬ chen dem Glas, glatt und geſchliffen und ſtumpf ſo lange als man ſie nicht zerbricht, dann ver¬ flucht ſchneidend und jeder Splitter ſticht. Die Sache würd' ihm vorgehalten und das mitge¬ brachte Geſichtsſtück. Wärſt Du weitläuftiger mit ihm verwandt, ſo ließ' ich mich heraus. Denn ſein Geſicht wurde vom Nordſchein des Grimms überzogen, aus den Augen flogen mir gelbe Weſpen zu, gerade Linien fuhren auf ſeiner Gewitterſtirn wie elektriſche Spieße auf, beſonders zwei ſteilrechte Unglückslinien. Aber wie geſagt biſt Du meines Wiſſens ſein Sohn. „„Mein Freund, (donnert' er los,) mit welchem Rechte ſtehlet Ihr denn Gemähl¬ de?““ — „„Das ſollte mir (verſetzt' ich ſanft) ſchwer anzuſagen fallen; aber ein Unvermö¬ gen hab' ich, einem ungerechten Truge zuzu ſchauen, ich fahre d'rein.““ „„Gräfin, (ſagt
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ter — und kindliche Liebe gegen ihn iſt Dir
nie zu verdenken; — aber wenn ich zu Dir ſagen
wollte, er ſey kein Bär, kein Nashorn, kein
Währ- und anderer Wolf, ſo thät ichs mehr
aus ſeltener Politeſſe. Er ſchnaubte mir einen
guten Abend zu, ich ihm. Viele Menſchen glei¬
chen dem Glas, glatt und geſchliffen und ſtumpf
ſo lange als man ſie nicht zerbricht, dann ver¬
flucht ſchneidend und jeder Splitter ſticht. Die
Sache würd' ihm vorgehalten und das mitge¬
brachte Geſichtsſtück. Wärſt Du weitläuftiger
mit ihm verwandt, ſo ließ' ich mich heraus.
Denn ſein Geſicht wurde vom Nordſchein des
Grimms überzogen, aus den Augen flogen
mir gelbe Weſpen zu, gerade Linien fuhren
auf ſeiner Gewitterſtirn wie elektriſche Spieße
auf, beſonders zwei ſteilrechte Unglückslinien.
Aber wie geſagt biſt Du meines Wiſſens ſein
Sohn. „„Mein Freund, (donnert' er los,)
mit welchem Rechte ſtehlet Ihr denn Gemähl¬
de?““ — „„Das ſollte mir (verſetzt' ich ſanft)
ſchwer anzuſagen fallen; aber ein Unvermö¬
gen hab' ich, einem ungerechten Truge zuzu
ſchauen, ich fahre d'rein.““ „„Gräfin, (ſagt
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/477>, abgerufen am 22.11.2024.
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