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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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womit er sprach, wenn er nicht schrieb, und lä¬
chelte dabei, aber mit so vielen Linien, daß er
Albano ganz fremd erschien. Albano preßte
ihn heftig ans Herz und verwandelte die heis¬
sen Worte, die jener nicht liebte, in heisse Thrä¬
nen. Es war ein alter Stern aus dem Früh¬
lingsmorgen, wo seine Liane noch lebte und
liebte; er gieng ihm unter an einem Grabe in
jener Reise-Nacht; jetzt gieng er auf und Al¬
bano war wieder unglücklich.

Schoppe besah mit sichtbarem Wohlbeha¬
gen Albano's gereifte Gestalt und zog gleich¬
sam dessen schimmernde Flügel auseinander:
"Du hast Dich (sagt' er) recht gut gestreckt
und angefärbt -- hast Mai und August auf
Einem Ast, wie ein Pomeranzenbaum." Al¬
bano hatte keine Freude darüber: "erzähle mir
nur Dein Leben, mein Bruder," sagte er. --
"Ich dächte, Du erst Deines, ich bin müde bis
zur Dummheit" sagte Schoppe, indem er sich
setzte und seine Jagdtasche aufschnallte. "Künf¬
tig (versetzte Albano). Was Du brauchst, will
ich Dir sagen -- ich bekam Deine Briefe --
ich liebte wirklich die Bewußte -- ein Unglück

womit er ſprach, wenn er nicht ſchrieb, und lä¬
chelte dabei, aber mit ſo vielen Linien, daß er
Albano ganz fremd erſchien. Albano preßte
ihn heftig ans Herz und verwandelte die heis¬
ſen Worte, die jener nicht liebte, in heiſſe Thrä¬
nen. Es war ein alter Stern aus dem Früh¬
lingsmorgen, wo ſeine Liane noch lebte und
liebte; er gieng ihm unter an einem Grabe in
jener Reiſe-Nacht; jetzt gieng er auf und Al¬
bano war wieder unglücklich.

Schoppe beſah mit ſichtbarem Wohlbeha¬
gen Albano's gereifte Geſtalt und zog gleich¬
ſam deſſen ſchimmernde Flügel auseinander:
„Du haſt Dich (ſagt' er) recht gut geſtreckt
und angefärbt — haſt Mai und Auguſt auf
Einem Aſt, wie ein Pomeranzenbaum.“ Al¬
bano hatte keine Freude darüber: „erzähle mir
nur Dein Leben, mein Bruder,“ ſagte er. —
„Ich dächte, Du erſt Deines, ich bin müde bis
zur Dummheit“ ſagte Schoppe, indem er ſich
ſetzte und ſeine Jagdtaſche aufſchnallte. „Künf¬
tig (verſetzte Albano). Was Du brauchſt, will
ich Dir ſagen — ich bekam Deine Briefe —
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[427/0439] womit er ſprach, wenn er nicht ſchrieb, und lä¬ chelte dabei, aber mit ſo vielen Linien, daß er Albano ganz fremd erſchien. Albano preßte ihn heftig ans Herz und verwandelte die heis¬ ſen Worte, die jener nicht liebte, in heiſſe Thrä¬ nen. Es war ein alter Stern aus dem Früh¬ lingsmorgen, wo ſeine Liane noch lebte und liebte; er gieng ihm unter an einem Grabe in jener Reiſe-Nacht; jetzt gieng er auf und Al¬ bano war wieder unglücklich. Schoppe beſah mit ſichtbarem Wohlbeha¬ gen Albano's gereifte Geſtalt und zog gleich¬ ſam deſſen ſchimmernde Flügel auseinander: „Du haſt Dich (ſagt' er) recht gut geſtreckt und angefärbt — haſt Mai und Auguſt auf Einem Aſt, wie ein Pomeranzenbaum.“ Al¬ bano hatte keine Freude darüber: „erzähle mir nur Dein Leben, mein Bruder,“ ſagte er. — „Ich dächte, Du erſt Deines, ich bin müde bis zur Dummheit“ ſagte Schoppe, indem er ſich ſetzte und ſeine Jagdtaſche aufſchnallte. „Künf¬ tig (verſetzte Albano). Was Du brauchſt, will ich Dir ſagen — ich bekam Deine Briefe — ich liebte wirklich die Bewußte — ein Unglück

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/439>, abgerufen am 22.11.2024.