Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.Der Bruder des Ritters rief zur Dohle: "Erscheine blasser Mann (sprach das Thier), Hiort trat blaß geschminkt hervor mit off¬ Der Bruder des Ritters rief zur Dohle: „Erſcheine blaſſer Mann (ſprach das Thier), Hiort trat blaß geſchminkt hervor mit off¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0407" n="395"/> <p>Der Bruder des Ritters rief zur Dohle:<lb/> „<hi rendition="#aq">Diablesse</hi>!“ und ſcharrte zum Zeichen mit dem<lb/> Fuße.</p><lb/> <p>„Erſcheine blaſſer Mann (ſprach das Thier),<lb/> die Uhr wiegt die Zeit, Menſch des Jammers,<lb/> lande auf der ſtillen Inſel an!“</p><lb/> <p>Hiort trat blaß geſchminkt hervor mit off¬<lb/> ner Bruſt, blickte das Grabmahl an und ſagte<lb/> aus innerſter Seele: „endlich!“ Die Muſik<lb/> ſpielte einen Tanz. „Ja wohl Schlummerinſel<lb/> — unſer Tag endigt mit Schlaf,“ ſetzt' er da¬<lb/> zu. Jetzt kam ſein Carlos: „Hiort biſt Du<lb/> todt?“ rief er im Schrecken über die Leiche.<lb/> „Ich bin nur bleich,“ ſagt' er. „O wie kommſt<lb/> Du ſo aus der ſchönen bunten Erde zurück!“<lb/> ſagte Carlos. „Ausgeſchöpft Karl — mit todt¬<lb/> gebohrnen Hoffnungen — meine Gegenwart iſt<lb/> von der Vergangenheit enterbt — das Sin¬<lb/> nenlaub iſt gefallen — nicht einmal die ſchöne<lb/> Natur mag ich mehr und Wolken wie Gebür¬<lb/> ge ſind mir lieber als wahre Gebürge — ich<lb/> habe das bittere Unkraut auf dem Leben recht<lb/> abgeerndtet — Und doch muß ich in dieſer lee¬<lb/> ren Bruſt einen Würgengel herumtragen, der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [395/0407]
Der Bruder des Ritters rief zur Dohle:
„Diablesse!“ und ſcharrte zum Zeichen mit dem
Fuße.
„Erſcheine blaſſer Mann (ſprach das Thier),
die Uhr wiegt die Zeit, Menſch des Jammers,
lande auf der ſtillen Inſel an!“
Hiort trat blaß geſchminkt hervor mit off¬
ner Bruſt, blickte das Grabmahl an und ſagte
aus innerſter Seele: „endlich!“ Die Muſik
ſpielte einen Tanz. „Ja wohl Schlummerinſel
— unſer Tag endigt mit Schlaf,“ ſetzt' er da¬
zu. Jetzt kam ſein Carlos: „Hiort biſt Du
todt?“ rief er im Schrecken über die Leiche.
„Ich bin nur bleich,“ ſagt' er. „O wie kommſt
Du ſo aus der ſchönen bunten Erde zurück!“
ſagte Carlos. „Ausgeſchöpft Karl — mit todt¬
gebohrnen Hoffnungen — meine Gegenwart iſt
von der Vergangenheit enterbt — das Sin¬
nenlaub iſt gefallen — nicht einmal die ſchöne
Natur mag ich mehr und Wolken wie Gebür¬
ge ſind mir lieber als wahre Gebürge — ich
habe das bittere Unkraut auf dem Leben recht
abgeerndtet — Und doch muß ich in dieſer lee¬
ren Bruſt einen Würgengel herumtragen, der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |