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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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unsichtbares Geisterreich, langsam und groß in
die Lüfte.

"Diablesse!" rief darauf der Bruder des
Ritters zur Dohle und klatschte dabei zum Zei¬
chen in die Hände.

"Macht auf den Sarg (begann dumpf
das Thier, begleitet von einzelnen lugubern
Tönen des Orchesters) auf dem Gottesacker
und zeigt zum letztenmale die Leichenbrust und
Sein trocknes Augenlied und dann drückt ihn
zu auf immer."

Jetzt traten Lilia (Chariton) und Carlos
(Dian) heraus, zwei Liebende noch in der er¬
sten Zeit der ersten Liebe -- noch kein trüber
Thränenregen verschwemmte den goldnen Mor¬
genthau -- sie sind sich so treu. Lilia freuet
sich mit ihm, daß jetzt ihr Bruder Hiort von
seinen Reisen kommt und seinen Jugendfreund
Carlos als ihren ewigen findet. "Vielleicht ist
er auch recht glücklich" sagte Lilia. "O so ge¬
wiß, (sagte Carlos,) er ist ja sonst alles."
Zuweilen schwiegen beide im frohen Anblicken,
dann giengen Töne aus dem verhüllten Abend
der Insel und trugen die stumme Wonne in

unſichtbares Geiſterreich, langſam und groß in
die Lüfte.

Diablesse!“ rief darauf der Bruder des
Ritters zur Dohle und klatſchte dabei zum Zei¬
chen in die Hände.

„Macht auf den Sarg (begann dumpf
das Thier, begleitet von einzelnen lugubern
Tönen des Orcheſters) auf dem Gottesacker
und zeigt zum letztenmale die Leichenbruſt und
Sein trocknes Augenlied und dann drückt ihn
zu auf immer.“

Jetzt traten Lilia (Chariton) und Carlos
(Dian) heraus, zwei Liebende noch in der er¬
ſten Zeit der erſten Liebe — noch kein trüber
Thränenregen verſchwemmte den goldnen Mor¬
genthau — ſie ſind ſich ſo treu. Lilia freuet
ſich mit ihm, daß jetzt ihr Bruder Hiort von
ſeinen Reiſen kommt und ſeinen Jugendfreund
Carlos als ihren ewigen findet. „Vielleicht iſt
er auch recht glücklich“ ſagte Lilia. „O ſo ge¬
wiß, (ſagte Carlos,) er iſt ja ſonſt alles.“
Zuweilen ſchwiegen beide im frohen Anblicken,
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[393/0405] unſichtbares Geiſterreich, langſam und groß in die Lüfte. „Diablesse!“ rief darauf der Bruder des Ritters zur Dohle und klatſchte dabei zum Zei¬ chen in die Hände. „Macht auf den Sarg (begann dumpf das Thier, begleitet von einzelnen lugubern Tönen des Orcheſters) auf dem Gottesacker und zeigt zum letztenmale die Leichenbruſt und Sein trocknes Augenlied und dann drückt ihn zu auf immer.“ Jetzt traten Lilia (Chariton) und Carlos (Dian) heraus, zwei Liebende noch in der er¬ ſten Zeit der erſten Liebe — noch kein trüber Thränenregen verſchwemmte den goldnen Mor¬ genthau — ſie ſind ſich ſo treu. Lilia freuet ſich mit ihm, daß jetzt ihr Bruder Hiort von ſeinen Reiſen kommt und ſeinen Jugendfreund Carlos als ihren ewigen findet. „Vielleicht iſt er auch recht glücklich“ ſagte Lilia. „O ſo ge¬ wiß, (ſagte Carlos,) er iſt ja ſonſt alles.“ Zuweilen ſchwiegen beide im frohen Anblicken, dann giengen Töne aus dem verhüllten Abend der Inſel und trugen die ſtumme Wonne in

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/405>, abgerufen am 17.05.2024.