Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

schleich' ich durch das Elysium, um zu sehen,
wo die Göttinn steht, der Himmel, die Sonne,
die Seeligkeit, Du.     Dein
Albano."

Wie durch einen Wetterstrahl des Himmels
war ihr ganzes Wesen geschmolzen zu weicher
seeliger Gluth; denn sie glaubte der Handschrift,
daß das Blatt von Albano sey -- so unerwar¬
tet ihr auch an ihm eine so schnelle Umkehrung
erschien --; ob es gleich von Roquairol ge¬
schrieben war. Lasset uns zurückgehen bis an
die finstere Quelle des reissenden Höllenflusses,
der seinen eiskalten Arm nach der Unschuld und
nach dem Himmel ausstreckt.

Roquairol war im Winter bei allen Fehl¬
schlagungen seiner unbändigen Wünsche ziemlich
glücklich und gut geblieben; der Abendstern der
Liebe, ob er wohl für ihn mehr ab- als zu¬
nahm, stand doch noch nicht unter dem Hori¬
zont, sondern nur unter Gewölke. Aber sobald
Linda mit Julienne abgereiset war -- und zwar,
wie er sogleich errieth und früh erfuhr -- nach
Italien: so bewegte sich ein neuer Sturm durch
sein Leben, der ihm die letzten Blüthen abriß

ſchleich' ich durch das Elyſium, um zu ſehen,
wo die Göttinn ſteht, der Himmel, die Sonne,
die Seeligkeit, Du.     Dein
Albano.“

Wie durch einen Wetterſtrahl des Himmels
war ihr ganzes Weſen geſchmolzen zu weicher
ſeeliger Gluth; denn ſie glaubte der Handſchrift,
daß das Blatt von Albano ſey — ſo unerwar¬
tet ihr auch an ihm eine ſo ſchnelle Umkehrung
erſchien —; ob es gleich von Roquairol ge¬
ſchrieben war. Laſſet uns zurückgehen bis an
die finſtere Quelle des reiſſenden Höllenfluſſes,
der ſeinen eiskalten Arm nach der Unſchuld und
nach dem Himmel ausſtreckt.

Roquairol war im Winter bei allen Fehl¬
ſchlagungen ſeiner unbändigen Wünſche ziemlich
glücklich und gut geblieben; der Abendſtern der
Liebe, ob er wohl für ihn mehr ab- als zu¬
nahm, ſtand doch noch nicht unter dem Hori¬
zont, ſondern nur unter Gewölke. Aber ſobald
Linda mit Julienne abgereiſet war — und zwar,
wie er ſogleich errieth und früh erfuhr — nach
Italien: ſo bewegte ſich ein neuer Sturm durch
ſein Leben, der ihm die letzten Blüthen abriß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0371" n="359"/>
&#x017F;chleich' ich durch das Ely&#x017F;ium, um zu &#x017F;ehen,<lb/>
wo die Göttinn &#x017F;teht, der Himmel, die Sonne,<lb/>
die Seeligkeit, Du. <space dim="horizontal"/> Dein<lb/><hi rendition="#g">Albano</hi>.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wie durch einen Wetter&#x017F;trahl des Himmels<lb/>
war ihr ganzes We&#x017F;en ge&#x017F;chmolzen zu weicher<lb/>
&#x017F;eeliger Gluth; denn &#x017F;ie glaubte der Hand&#x017F;chrift,<lb/>
daß das Blatt von Albano &#x017F;ey &#x2014; &#x017F;o unerwar¬<lb/>
tet ihr auch an ihm eine &#x017F;o &#x017F;chnelle Umkehrung<lb/>
er&#x017F;chien &#x2014;; ob es gleich von Roquairol ge¬<lb/>
&#x017F;chrieben war. La&#x017F;&#x017F;et uns zurückgehen bis an<lb/>
die fin&#x017F;tere Quelle des rei&#x017F;&#x017F;enden Höllenflu&#x017F;&#x017F;es,<lb/>
der &#x017F;einen eiskalten Arm nach der Un&#x017F;chuld und<lb/>
nach dem Himmel aus&#x017F;treckt.</p><lb/>
          <p>Roquairol war im Winter bei allen Fehl¬<lb/>
&#x017F;chlagungen &#x017F;einer unbändigen Wün&#x017F;che ziemlich<lb/>
glücklich und gut geblieben; der Abend&#x017F;tern der<lb/>
Liebe, ob er wohl für ihn mehr ab- als zu¬<lb/>
nahm, &#x017F;tand doch noch nicht unter dem Hori¬<lb/>
zont, &#x017F;ondern nur unter Gewölke. Aber &#x017F;obald<lb/>
Linda mit Julienne abgerei&#x017F;et war &#x2014; und zwar,<lb/>
wie er &#x017F;ogleich errieth und früh erfuhr &#x2014; nach<lb/>
Italien: &#x017F;o bewegte &#x017F;ich ein neuer Sturm durch<lb/>
&#x017F;ein Leben, der ihm die letzten Blüthen abriß<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0371] ſchleich' ich durch das Elyſium, um zu ſehen, wo die Göttinn ſteht, der Himmel, die Sonne, die Seeligkeit, Du. Dein Albano.“ Wie durch einen Wetterſtrahl des Himmels war ihr ganzes Weſen geſchmolzen zu weicher ſeeliger Gluth; denn ſie glaubte der Handſchrift, daß das Blatt von Albano ſey — ſo unerwar¬ tet ihr auch an ihm eine ſo ſchnelle Umkehrung erſchien —; ob es gleich von Roquairol ge¬ ſchrieben war. Laſſet uns zurückgehen bis an die finſtere Quelle des reiſſenden Höllenfluſſes, der ſeinen eiskalten Arm nach der Unſchuld und nach dem Himmel ausſtreckt. Roquairol war im Winter bei allen Fehl¬ ſchlagungen ſeiner unbändigen Wünſche ziemlich glücklich und gut geblieben; der Abendſtern der Liebe, ob er wohl für ihn mehr ab- als zu¬ nahm, ſtand doch noch nicht unter dem Hori¬ zont, ſondern nur unter Gewölke. Aber ſobald Linda mit Julienne abgereiſet war — und zwar, wie er ſogleich errieth und früh erfuhr — nach Italien: ſo bewegte ſich ein neuer Sturm durch ſein Leben, der ihm die letzten Blüthen abriß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/371
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/371>, abgerufen am 17.05.2024.