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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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Aber der ruhigere Alte fuhr fort und sagte,
dieser neue Irrthum veranlasse ihn, jetzt ernst¬
lich bei Linda auf ein Ja zur schnellen Verbin¬
dung zu dringen, weil der Vater derselben,
vielleicht der geheime bisherige Wunderthäter,
seine Erscheinung durchaus an einen Hochzeit¬
tag gebunden. Noch einmal ließ er den Sohn
seinen Wunsch nach dem Wege merken, auf
welchem er zu jener Hypothese gekommen; aber
umsonst, die heilige Freundschaft konnte nicht
entheiligt oder verlassen werden, und seine
Brust schloß wie der dunkle Fels um den
hellen Krystall, sich mächtig um sein offnes
Herz.

So schied er warm und glücklich vom schwei¬
genden Vater. -- In der harten Stunde des
Briefs hatt' er nur eine künstliche Felsenpartie
des Lebens überstiegen, und die bunten Gärten
lagen wieder da bis an den Horizont; -- doch
der vergebliche mühvolle Irrthum seines Schop¬
pe und dessen von Hassen und Lieben verheer¬
ter Geist, der sich sogar im Ton des Briefes
niederzubeugen schien, und die Zukunft eines
Wahnsinns giengen wie ein fernes Leichenge¬

Aber der ruhigere Alte fuhr fort und ſagte,
dieſer neue Irrthum veranlaſſe ihn, jetzt ernſt¬
lich bei Linda auf ein Ja zur ſchnellen Verbin¬
dung zu dringen, weil der Vater derſelben,
vielleicht der geheime bisherige Wunderthäter,
ſeine Erſcheinung durchaus an einen Hochzeit¬
tag gebunden. Noch einmal ließ er den Sohn
ſeinen Wunſch nach dem Wege merken, auf
welchem er zu jener Hypotheſe gekommen; aber
umſonſt, die heilige Freundſchaft konnte nicht
entheiligt oder verlaſſen werden, und ſeine
Bruſt ſchloß wie der dunkle Fels um den
hellen Kryſtall, ſich mächtig um ſein offnes
Herz.

So ſchied er warm und glücklich vom ſchwei¬
genden Vater. — In der harten Stunde des
Briefs hatt' er nur eine künſtliche Felſenpartie
des Lebens überſtiegen, und die bunten Gärten
lagen wieder da bis an den Horizont; — doch
der vergebliche mühvolle Irrthum ſeines Schop¬
pe und deſſen von Haſſen und Lieben verheer¬
ter Geiſt, der ſich ſogar im Ton des Briefes
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[315/0327] Aber der ruhigere Alte fuhr fort und ſagte, dieſer neue Irrthum veranlaſſe ihn, jetzt ernſt¬ lich bei Linda auf ein Ja zur ſchnellen Verbin¬ dung zu dringen, weil der Vater derſelben, vielleicht der geheime bisherige Wunderthäter, ſeine Erſcheinung durchaus an einen Hochzeit¬ tag gebunden. Noch einmal ließ er den Sohn ſeinen Wunſch nach dem Wege merken, auf welchem er zu jener Hypotheſe gekommen; aber umſonſt, die heilige Freundſchaft konnte nicht entheiligt oder verlaſſen werden, und ſeine Bruſt ſchloß wie der dunkle Fels um den hellen Kryſtall, ſich mächtig um ſein offnes Herz. So ſchied er warm und glücklich vom ſchwei¬ genden Vater. — In der harten Stunde des Briefs hatt' er nur eine künſtliche Felſenpartie des Lebens überſtiegen, und die bunten Gärten lagen wieder da bis an den Horizont; — doch der vergebliche mühvolle Irrthum ſeines Schop¬ pe und deſſen von Haſſen und Lieben verheer¬ ter Geiſt, der ſich ſogar im Ton des Briefes niederzubeugen ſchien, und die Zukunft eines Wahnſinns giengen wie ein fernes Leichenge¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/327>, abgerufen am 23.11.2024.