Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

ser-Farben schrieb und versteckte, können für
Dich ein Tetragrammaton, elf Sonntagsbuch¬
staben und Lesemütter (matres lectionis) Dei¬
nes Daseyns werden, falls ich glücklich nach
Spanien komme und in Valencia am Bildniß
die Färberei von meinen Buchstaben wegwi¬
schen und nun in dessen Herzen lesen kann:
Löwenskiold. So dänisch hieß ich damals.

Dann ist die Gräfinn Linda de Romeiro
ohne Gnade Deine Schwester Severina. Gott
schenke nur, daß Du sie nicht vor diesem Brief
etwan gesehen hast und geheirathet; sie soll,
wie ich gestern hörte, nach Italien abgerei¬
set seyn.

Denn als ich die Gräfinn Linda hier zum
erstenmale sah, war mir auf dem Pestizer
Markt-Viereck als ständ' ich oben auf der
Terrasse der Isola bella, und schauete die Al¬
pen. Deine Mutter, meine Jugend kaum drei
Schritte vor mir! Bei Gott, wie als wäre
aus der tiefen Ferne im Pfeilerspiegel der Zeit
auf einmal das weiße Rosenbild Deiner ver¬
hüllten Mutter heraufgerissen worden dicht ans
Glas heran und hienge davor nun rothblühend,

so

ſer-Farben ſchrieb und verſteckte, können für
Dich ein Tetragrammaton, elf Sonntagsbuch¬
ſtaben und Leſemütter (matres lectionis) Dei¬
nes Daſeyns werden, falls ich glücklich nach
Spanien komme und in Valencia am Bildniß
die Färberei von meinen Buchſtaben wegwi¬
ſchen und nun in deſſen Herzen leſen kann:
Löwenſkiold. So däniſch hieß ich damals.

Dann iſt die Gräfinn Linda de Romeiro
ohne Gnade Deine Schweſter Severina. Gott
ſchenke nur, daß Du ſie nicht vor dieſem Brief
etwan geſehen haſt und geheirathet; ſie ſoll,
wie ich geſtern hörte, nach Italien abgerei¬
ſet ſeyn.

Denn als ich die Gräfinn Linda hier zum
erſtenmale ſah, war mir auf dem Peſtizer
Markt-Viereck als ſtänd' ich oben auf der
Terraſſe der Isola bella, und ſchauete die Al¬
pen. Deine Mutter, meine Jugend kaum drei
Schritte vor mir! Bei Gott, wie als wäre
aus der tiefen Ferne im Pfeilerſpiegel der Zeit
auf einmal das weiße Roſenbild Deiner ver¬
hüllten Mutter heraufgeriſſen worden dicht ans
Glas heran und hienge davor nun rothblühend,

ſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0316" n="304"/>
&#x017F;er-Farben &#x017F;chrieb und ver&#x017F;teckte, können für<lb/>
Dich ein Tetragrammaton, elf Sonntagsbuch¬<lb/>
&#x017F;taben und Le&#x017F;emütter (<hi rendition="#aq">matres lectionis</hi>) Dei¬<lb/>
nes Da&#x017F;eyns werden, falls ich glücklich nach<lb/>
Spanien komme und in <hi rendition="#aq">Valencia</hi> am Bildniß<lb/>
die Färberei von meinen Buch&#x017F;taben wegwi¬<lb/>
&#x017F;chen und nun in de&#x017F;&#x017F;en Herzen le&#x017F;en kann:<lb/><hi rendition="#g">Löwen&#x017F;kiold</hi>. So däni&#x017F;ch hieß ich damals.</p><lb/>
          <p>Dann i&#x017F;t die Gräfinn Linda de Romeiro<lb/>
ohne Gnade Deine Schwe&#x017F;ter Severina. Gott<lb/>
&#x017F;chenke nur, daß Du &#x017F;ie nicht vor die&#x017F;em Brief<lb/>
etwan ge&#x017F;ehen ha&#x017F;t und geheirathet; &#x017F;ie &#x017F;oll,<lb/>
wie ich ge&#x017F;tern hörte, nach Italien abgerei¬<lb/>
&#x017F;et &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Denn als ich die Gräfinn Linda hier zum<lb/>
er&#x017F;tenmale &#x017F;ah, war mir auf dem Pe&#x017F;tizer<lb/>
Markt-Viereck als &#x017F;tänd' ich oben auf der<lb/>
Terra&#x017F;&#x017F;e der <hi rendition="#aq">Isola bella</hi>, und &#x017F;chauete die Al¬<lb/>
pen. Deine Mutter, meine Jugend kaum drei<lb/>
Schritte vor mir! Bei Gott, wie als wäre<lb/>
aus der tiefen Ferne im Pfeiler&#x017F;piegel der Zeit<lb/>
auf einmal das weiße Ro&#x017F;enbild Deiner ver¬<lb/>
hüllten Mutter heraufgeri&#x017F;&#x017F;en worden dicht ans<lb/>
Glas heran und hienge davor nun rothblühend,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0316] ſer-Farben ſchrieb und verſteckte, können für Dich ein Tetragrammaton, elf Sonntagsbuch¬ ſtaben und Leſemütter (matres lectionis) Dei¬ nes Daſeyns werden, falls ich glücklich nach Spanien komme und in Valencia am Bildniß die Färberei von meinen Buchſtaben wegwi¬ ſchen und nun in deſſen Herzen leſen kann: Löwenſkiold. So däniſch hieß ich damals. Dann iſt die Gräfinn Linda de Romeiro ohne Gnade Deine Schweſter Severina. Gott ſchenke nur, daß Du ſie nicht vor dieſem Brief etwan geſehen haſt und geheirathet; ſie ſoll, wie ich geſtern hörte, nach Italien abgerei¬ ſet ſeyn. Denn als ich die Gräfinn Linda hier zum erſtenmale ſah, war mir auf dem Peſtizer Markt-Viereck als ſtänd' ich oben auf der Terraſſe der Isola bella, und ſchauete die Al¬ pen. Deine Mutter, meine Jugend kaum drei Schritte vor mir! Bei Gott, wie als wäre aus der tiefen Ferne im Pfeilerſpiegel der Zeit auf einmal das weiße Roſenbild Deiner ver¬ hüllten Mutter heraufgeriſſen worden dicht ans Glas heran und hienge davor nun rothblühend, ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/316
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/316>, abgerufen am 17.05.2024.