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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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unter den Blüthen-Schatten eines langen
Gartens.

Endlich stand er vor dem Hause, wozu ihn
der Garten führte, vor der Lindenstadt; so
stand er auch im vorigen Jahre auf der Höhe
vor ihr, zum Wolkenzuge der Zukunft aufse¬
hend ohne zu errathen wozu das Gewölk' sich
bilde, ob zur Aurora, oder zum Abendgewitter.
Wie viele alle Schmerzen streiften jetzt gleich
Schatten von Wolken über die alte Gegend,
über die Blumenbühler Höhen und über die
Häuser hinüber, als er die bekannten zuweilen
mit Thränen bezeichneten Wege der Vergan¬
genheit überschauete! Er gieng jetzt, das be¬
dacht' er, seinem Vater mit der Nachricht sei¬
nes neuen Glücks entgegen -- seinem abtrünni¬
gen Freunde mit der geraubten Geliebten --
mit alter und neuer Liebe seinem wiederkehren¬
den Schoppe, dessen Herz und Schicksal ihm
jetzt zugleich so dunkel und so wichtig waren --
und der sonderbaren Zeit und Stunde, wo die
unterirdischen Wasser, deren Treiben und Rau¬
schen er bisher so oftmals erfahren, auf ein¬
mal aufgedeckt, und mit allen Krümmungen und

unter den Blüthen-Schatten eines langen
Gartens.

Endlich ſtand er vor dem Hauſe, wozu ihn
der Garten führte, vor der Lindenſtadt; ſo
ſtand er auch im vorigen Jahre auf der Höhe
vor ihr, zum Wolkenzuge der Zukunft aufſe¬
hend ohne zu errathen wozu das Gewölk' ſich
bilde, ob zur Aurora, oder zum Abendgewitter.
Wie viele alle Schmerzen ſtreiften jetzt gleich
Schatten von Wolken über die alte Gegend,
über die Blumenbühler Höhen und über die
Häuſer hinüber, als er die bekannten zuweilen
mit Thränen bezeichneten Wege der Vergan¬
genheit überſchauete! Er gieng jetzt, das be¬
dacht' er, ſeinem Vater mit der Nachricht ſei¬
nes neuen Glücks entgegen — ſeinem abtrünni¬
gen Freunde mit der geraubten Geliebten —
mit alter und neuer Liebe ſeinem wiederkehren¬
den Schoppe, deſſen Herz und Schickſal ihm
jetzt zugleich ſo dunkel und ſo wichtig waren —
und der ſonderbaren Zeit und Stunde, wo die
unterirdiſchen Waſſer, deren Treiben und Rau¬
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[254/0266] unter den Blüthen-Schatten eines langen Gartens. Endlich ſtand er vor dem Hauſe, wozu ihn der Garten führte, vor der Lindenſtadt; ſo ſtand er auch im vorigen Jahre auf der Höhe vor ihr, zum Wolkenzuge der Zukunft aufſe¬ hend ohne zu errathen wozu das Gewölk' ſich bilde, ob zur Aurora, oder zum Abendgewitter. Wie viele alle Schmerzen ſtreiften jetzt gleich Schatten von Wolken über die alte Gegend, über die Blumenbühler Höhen und über die Häuſer hinüber, als er die bekannten zuweilen mit Thränen bezeichneten Wege der Vergan¬ genheit überſchauete! Er gieng jetzt, das be¬ dacht' er, ſeinem Vater mit der Nachricht ſei¬ nes neuen Glücks entgegen — ſeinem abtrünni¬ gen Freunde mit der geraubten Geliebten — mit alter und neuer Liebe ſeinem wiederkehren¬ den Schoppe, deſſen Herz und Schickſal ihm jetzt zugleich ſo dunkel und ſo wichtig waren — und der ſonderbaren Zeit und Stunde, wo die unterirdiſchen Waſſer, deren Treiben und Rau¬ ſchen er bisher ſo oftmals erfahren, auf ein¬ mal aufgedeckt, und mit allen Krümmungen und

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/266>, abgerufen am 21.06.2024.