ihren Lauten, umrungen von fünf Donnern, mit weinenden Augen voll Liebe und Freude vor einander. Heilige Stelle, wo schon so viele tausend Herzen heilig brannten und seelig wein¬ ten und sagen mußten: das Leben ist groß! -- Heiter und fest glänzt in der Sonne oben die Stadt über dem Wasser-Krater dahin -- stolz schauet Vesta's zerrissener Tempel, mit Mandelblüthe bekränzt, von seinem Felsen auf die Strudel nieder, die an ihm graben -- und ihm gegenüber spielet der strudelnde Anio alles auf einmal vor, was Himmel und Erde Gros¬ ses hat, den Regenbogen, den ewigen Blitz und den Donner, Regen, Nebel und Erdbeben.
Sie gaben sich Zeichen zu gehen und das stillere Thal zu suchen. Wie klangen ihnen dar¬ in die Worte: Bruder, Schwester, Linda, wie neue Menschenlaute im Paradies! Hier, ehe sie den Hügel voll neuer Wasserstürze, Blitze und Farben bestiegen, suchten sie sich ihre Reisen und ihre Nachrichten einander zu erzählen. Ju¬ lienne berichtete die frohe, ihr Bruder, der Fürst, gebe wieder Hoffnung der Genesung, seitdem er wachend, wie er betheuere, seinen todten Vater ge¬
ihren Lauten, umrungen von fünf Donnern, mit weinenden Augen voll Liebe und Freude vor einander. Heilige Stelle, wo ſchon ſo viele tauſend Herzen heilig brannten und ſeelig wein¬ ten und ſagen mußten: das Leben iſt groß! — Heiter und feſt glänzt in der Sonne oben die Stadt über dem Waſſer-Krater dahin — ſtolz ſchauet Veſta's zerriſſener Tempel, mit Mandelblüthe bekränzt, von ſeinem Felſen auf die Strudel nieder, die an ihm graben — und ihm gegenüber ſpielet der ſtrudelnde Anio alles auf einmal vor, was Himmel und Erde Gros¬ ſes hat, den Regenbogen, den ewigen Blitz und den Donner, Regen, Nebel und Erdbeben.
Sie gaben ſich Zeichen zu gehen und das ſtillere Thal zu ſuchen. Wie klangen ihnen dar¬ in die Worte: Bruder, Schweſter, Linda, wie neue Menſchenlaute im Paradies! Hier, ehe ſie den Hügel voll neuer Waſſerſtürze, Blitze und Farben beſtiegen, ſuchten ſie ſich ihre Reiſen und ihre Nachrichten einander zu erzählen. Ju¬ lienne berichtete die frohe, ihr Bruder, der Fürſt, gebe wieder Hoffnung der Geneſung, ſeitdem er wachend, wie er betheuere, ſeinen todten Vater ge¬
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ihren Lauten, umrungen von fünf Donnern,
mit weinenden Augen voll Liebe und Freude
vor einander. Heilige Stelle, wo ſchon ſo viele
tauſend Herzen heilig brannten und ſeelig wein¬
ten und ſagen mußten: das Leben iſt groß!
— Heiter und feſt glänzt in der Sonne oben
die Stadt über dem Waſſer-Krater dahin —
ſtolz ſchauet Veſta's zerriſſener Tempel, mit
Mandelblüthe bekränzt, von ſeinem Felſen auf
die Strudel nieder, die an ihm graben — und
ihm gegenüber ſpielet der ſtrudelnde Anio alles
auf einmal vor, was Himmel und Erde Gros¬
ſes hat, den Regenbogen, den ewigen Blitz
und den Donner, Regen, Nebel und Erdbeben.
Sie gaben ſich Zeichen zu gehen und das
ſtillere Thal zu ſuchen. Wie klangen ihnen dar¬
in die Worte: Bruder, Schweſter, Linda, wie
neue Menſchenlaute im Paradies! Hier, ehe
ſie den Hügel voll neuer Waſſerſtürze, Blitze
und Farben beſtiegen, ſuchten ſie ſich ihre Reiſen
und ihre Nachrichten einander zu erzählen. Ju¬
lienne berichtete die frohe, ihr Bruder, der Fürſt,
gebe wieder Hoffnung der Geneſung, ſeitdem er
wachend, wie er betheuere, ſeinen todten Vater ge¬
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/226>, abgerufen am 24.11.2024.
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