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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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weiche kühle Luft -- die Myrten- und die Oran¬
gendüfte -- einzelne Glanzwolken am warmen
Himmel -- der Zauberrauch der Küsten -- die
goldne Sonne am Morgen und am Abend --
und die Liebe und die Jugend schmückten und
krönten die einzige Zeit. Hoch brannte auf der
blühenden Erde die Opferflamme der Liebe in
den blauen stillen Himmel. Wie zwei Spiegel
vor einander stehen und der eine den andern
und sich und die Welt abmahlt und der andere
alles dies und auch die Gemählde und den
Mahler: so ruhten Albano und Linda vor ein¬
ander, Seele in Seele ziehend und mahlend.
Wie der Montblanc herrlich sich im stillen Che¬
dersee hinabspiegelt in einen blassern Himmel:
so stand Albano's ganzer fester lichter Geist in
Linda's ihrem. Sie sagte: er sey ein Redlicher
und Edler zugleich und habe, was so selten sey,
einen ganzen Willen; nur woll' er, wie oft
die Männer, noch mehr lieben als er liebe,
und daher merk' er seine stille Erbsünde vor
Selbstsucht nicht genug. Gegen nichts sträubt'
er sich zorniger und aufgebrachter, als gegen
den letztern Tadel und er vergab ihn niemand

weiche kühle Luft — die Myrten- und die Oran¬
gendüfte — einzelne Glanzwolken am warmen
Himmel — der Zauberrauch der Küſten — die
goldne Sonne am Morgen und am Abend —
und die Liebe und die Jugend ſchmückten und
krönten die einzige Zeit. Hoch brannte auf der
blühenden Erde die Opferflamme der Liebe in
den blauen ſtillen Himmel. Wie zwei Spiegel
vor einander ſtehen und der eine den andern
und ſich und die Welt abmahlt und der andere
alles dies und auch die Gemählde und den
Mahler: ſo ruhten Albano und Linda vor ein¬
ander, Seele in Seele ziehend und mahlend.
Wie der Montblanc herrlich ſich im ſtillen Che¬
derſee hinabſpiegelt in einen blaſſern Himmel:
ſo ſtand Albano's ganzer feſter lichter Geiſt in
Linda's ihrem. Sie ſagte: er ſey ein Redlicher
und Edler zugleich und habe, was ſo ſelten ſey,
einen ganzen Willen; nur woll' er, wie oft
die Männer, noch mehr lieben als er liebe,
und daher merk' er ſeine ſtille Erbſünde vor
Selbſtſucht nicht genug. Gegen nichts ſträubt'
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den letztern Tadel und er vergab ihn niemand

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[202/0214] weiche kühle Luft — die Myrten- und die Oran¬ gendüfte — einzelne Glanzwolken am warmen Himmel — der Zauberrauch der Küſten — die goldne Sonne am Morgen und am Abend — und die Liebe und die Jugend ſchmückten und krönten die einzige Zeit. Hoch brannte auf der blühenden Erde die Opferflamme der Liebe in den blauen ſtillen Himmel. Wie zwei Spiegel vor einander ſtehen und der eine den andern und ſich und die Welt abmahlt und der andere alles dies und auch die Gemählde und den Mahler: ſo ruhten Albano und Linda vor ein¬ ander, Seele in Seele ziehend und mahlend. Wie der Montblanc herrlich ſich im ſtillen Che¬ derſee hinabſpiegelt in einen blaſſern Himmel: ſo ſtand Albano's ganzer feſter lichter Geiſt in Linda's ihrem. Sie ſagte: er ſey ein Redlicher und Edler zugleich und habe, was ſo ſelten ſey, einen ganzen Willen; nur woll' er, wie oft die Männer, noch mehr lieben als er liebe, und daher merk' er ſeine ſtille Erbſünde vor Selbſtſucht nicht genug. Gegen nichts ſträubt' er ſich zorniger und aufgebrachter, als gegen den letztern Tadel und er vergab ihn niemand

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/214>, abgerufen am 24.11.2024.