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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Er konnte sie nun lieben als einen wehrenden
Engel vor dem Paradiese, wie viel mehr als
einen gebenden in ihm! -- Aber schwer ists ei¬
nem Manne, fühlte der Jüngling, im weibli¬
chen Herzen, zumal in diesem, Absicht von In¬
stinkt, Ideen von Gefühlen, rein zu sondern,
und an diesem dunkeln, vollen Himmel alle
Sterne zu zählen und zu reihen. -- Jede
Härte, jede unscheinbare Knospe gieng zuletzt
als Blume auf; und ihr Werth breitete sich
wie der Frühling stückweise aus; indeß ge¬
wöhnlich von andern Mädchen ein Reisender,
der sie besucht, sogleich beim ersten Abschiede
abends eine kleine vollständige Blumenlese al¬
ler ihrer Reize und Künste fortnimmt, wie ein
Brocken-Passagier im Wirthshause einen nied¬
lichen Straus überkommt, aus den Moosarten
gebunden, welche der Berg trägt.

Er glaubte, sie sey nun bei den Eltern,
und folgte nicht als zerrender Knabe, sondern
als einstimmiger Mann dem Riesen des Schick¬
sals nach. Im Garten herrschte Regenwetter,
die Aussaat jedes starken Gewitters, das immer
wie ein Krieg den Kriegsschauplatz verdirbt.

Er konnte ſie nun lieben als einen wehrenden
Engel vor dem Paradieſe, wie viel mehr als
einen gebenden in ihm! — Aber ſchwer iſts ei¬
nem Manne, fühlte der Jüngling, im weibli¬
chen Herzen, zumal in dieſem, Abſicht von In¬
ſtinkt, Ideen von Gefühlen, rein zu ſondern,
und an dieſem dunkeln, vollen Himmel alle
Sterne zu zählen und zu reihen. — Jede
Härte, jede unſcheinbare Knoſpe gieng zuletzt
als Blume auf; und ihr Werth breitete ſich
wie der Frühling ſtückweiſe aus; indeß ge¬
wöhnlich von andern Mädchen ein Reiſender,
der ſie beſucht, ſogleich beim erſten Abſchiede
abends eine kleine vollſtändige Blumenleſe al¬
ler ihrer Reize und Künſte fortnimmt, wie ein
Brocken-Paſſagier im Wirthshauſe einen nied¬
lichen Straus überkommt, aus den Moosarten
gebunden, welche der Berg trägt.

Er glaubte, ſie ſey nun bei den Eltern,
und folgte nicht als zerrender Knabe, ſondern
als einſtimmiger Mann dem Rieſen des Schick¬
ſals nach. Im Garten herrſchte Regenwetter,
die Ausſaat jedes ſtarken Gewitters, das immer
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[53/0065] Er konnte ſie nun lieben als einen wehrenden Engel vor dem Paradieſe, wie viel mehr als einen gebenden in ihm! — Aber ſchwer iſts ei¬ nem Manne, fühlte der Jüngling, im weibli¬ chen Herzen, zumal in dieſem, Abſicht von In¬ ſtinkt, Ideen von Gefühlen, rein zu ſondern, und an dieſem dunkeln, vollen Himmel alle Sterne zu zählen und zu reihen. — Jede Härte, jede unſcheinbare Knoſpe gieng zuletzt als Blume auf; und ihr Werth breitete ſich wie der Frühling ſtückweiſe aus; indeß ge¬ wöhnlich von andern Mädchen ein Reiſender, der ſie beſucht, ſogleich beim erſten Abſchiede abends eine kleine vollſtändige Blumenleſe al¬ ler ihrer Reize und Künſte fortnimmt, wie ein Brocken-Paſſagier im Wirthshauſe einen nied¬ lichen Straus überkommt, aus den Moosarten gebunden, welche der Berg trägt. Er glaubte, ſie ſey nun bei den Eltern, und folgte nicht als zerrender Knabe, ſondern als einſtimmiger Mann dem Rieſen des Schick¬ ſals nach. Im Garten herrſchte Regenwetter, die Ausſaat jedes ſtarken Gewitters, das immer wie ein Krieg den Kriegsſchauplatz verdirbt.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/65>, abgerufen am 24.11.2024.