Merkwürdigkeiten sind, zu welchen andere erst ziehen! --
Die Fürstin war die Freundin. Seit Gas¬ pards Briefen an sie und an ihn, seit der Hoff¬ nung einer längern und nähern Gegenwart, überwältigte sie alles Gewölke um sich her im¬ mer glücklicher, um den Freund nur aus einem blauen Himmel anzulachen und anzuleuchten. Sie allein am Hofe schien den barschen Jüng¬ ling, dessen stolze Offenheit so oft gegen den verdeckten Hof-Stolz und besonders gegen den offnen des Fürsten anrennte, mild und recht zu nehmen; sie allein schien -- da Nichts seltener in und von Zirkeln, errathen wird als schöne Empfindsamkeit, zumal von höfischen, zumal die männliche -- sanft die seinige auszuspähen und theilend fortzuwärmen. Sie allein ehrte ihn mit jener strengen, bedeutenden Achtung, die so selten die Menschen geben so wie fassen können, weil sie immer nur Liebe und Leiden¬ schaft nöthig haben, um -- Recht zu geben, unfähig, anders als bei Kometen-Licht, bei Kriegsflammen und bei Freudenfeuern die beste Hand zu lesen. Alles was er war, setzte sie
Merkwürdigkeiten ſind, zu welchen andere erſt ziehen! —
Die Fürſtin war die Freundin. Seit Gas¬ pards Briefen an ſie und an ihn, ſeit der Hoff¬ nung einer längern und nähern Gegenwart, überwältigte ſie alles Gewölke um ſich her im¬ mer glücklicher, um den Freund nur aus einem blauen Himmel anzulachen und anzuleuchten. Sie allein am Hofe ſchien den barſchen Jüng¬ ling, deſſen ſtolze Offenheit ſo oft gegen den verdeckten Hof-Stolz und beſonders gegen den offnen des Fürſten anrennte, mild und recht zu nehmen; ſie allein ſchien — da Nichts ſeltener in und von Zirkeln, errathen wird als ſchöne Empfindſamkeit, zumal von höfiſchen, zumal die männliche — ſanft die ſeinige auszuſpähen und theilend fortzuwärmen. Sie allein ehrte ihn mit jener ſtrengen, bedeutenden Achtung, die ſo ſelten die Menſchen geben ſo wie faſſen können, weil ſie immer nur Liebe und Leiden¬ ſchaft nöthig haben, um — Recht zu geben, unfähig, anders als bei Kometen-Licht, bei Kriegsflammen und bei Freudenfeuern die beſte Hand zu leſen. Alles was er war, ſetzte ſie
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Merkwürdigkeiten ſind, zu welchen andere erſt
ziehen! —
Die Fürſtin war die Freundin. Seit Gas¬
pards Briefen an ſie und an ihn, ſeit der Hoff¬
nung einer längern und nähern Gegenwart,
überwältigte ſie alles Gewölke um ſich her im¬
mer glücklicher, um den Freund nur aus einem
blauen Himmel anzulachen und anzuleuchten.
Sie allein am Hofe ſchien den barſchen Jüng¬
ling, deſſen ſtolze Offenheit ſo oft gegen den
verdeckten Hof-Stolz und beſonders gegen den
offnen des Fürſten anrennte, mild und recht zu
nehmen; ſie allein ſchien — da Nichts ſeltener
in und von Zirkeln, errathen wird als ſchöne
Empfindſamkeit, zumal von höfiſchen, zumal
die männliche — ſanft die ſeinige auszuſpähen
und theilend fortzuwärmen. Sie allein ehrte
ihn mit jener ſtrengen, bedeutenden Achtung,
die ſo ſelten die Menſchen geben ſo wie faſſen
können, weil ſie immer nur Liebe und Leiden¬
ſchaft nöthig haben, um — Recht zu geben,
unfähig, anders als bei Kometen-Licht, bei
Kriegsflammen und bei Freudenfeuern die beſte
Hand zu leſen. Alles was er war, ſetzte ſie
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/314>, abgerufen am 24.11.2024.
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