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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Liane in flaches Land hatte leiten und seichter
machen wollen, schwoll davon wie unter Zau¬
berhand auf, weil Roquairols Lüge ihres Hin¬
opferns dabei so nahe lag.

"Du fürchtest Dich" sagte der erbitterte Ro¬
quairol und nahm doch zwei Degen von der
Wand. "Ich achte Dich nicht -- und schlage
mich nicht" -- sagte Albano, ihn und sich mehr
reizend, da er doch sich bezwingen wollte.

Da trat Schoppe herein; "er fürchtet sich"
wiederholte jener gewaffnet. Albano gab er¬
röthend mit drei brennenden Worten die Ge¬
schichte. "Ein Wenig müsset Ihr Euch vor mir
schlagen!" rief der Bibliothekar voll alten Haß
gegen Roquairols poetisches Blend- und Gau¬
kel-Herz. Albano lechzend nach kaltem Stahl,
griff unwillkührlich darnach. Der Kampf be¬
gann. Albano fiel nicht an, aber immer wü¬
thender wehrt' er sich; und wie er so den zor¬
nigen Affen des vorigen Freundes, mit dem
Dolch in der Hand sah, der aus den blühen¬
den Beeten der schönsten Tage ausgeackert war
und in welchen er mit seinen Wunden getreten;
und wie der Hauptmann mit wachsendem Stur¬

Liane in flaches Land hatte leiten und ſeichter
machen wollen, ſchwoll davon wie unter Zau¬
berhand auf, weil Roquairols Lüge ihres Hin¬
opferns dabei ſo nahe lag.

„Du fürchteſt Dich“ ſagte der erbitterte Ro¬
quairol und nahm doch zwei Degen von der
Wand. „Ich achte Dich nicht — und ſchlage
mich nicht“ — ſagte Albano, ihn und ſich mehr
reizend, da er doch ſich bezwingen wollte.

Da trat Schoppe herein; „er fürchtet ſich“
wiederholte jener gewaffnet. Albano gab er¬
röthend mit drei brennenden Worten die Ge¬
ſchichte. „Ein Wenig müſſet Ihr Euch vor mir
ſchlagen!“ rief der Bibliothekar voll alten Haß
gegen Roquairols poetiſches Blend- und Gau¬
kel-Herz. Albano lechzend nach kaltem Stahl,
griff unwillkührlich darnach. Der Kampf be¬
gann. Albano fiel nicht an, aber immer wü¬
thender wehrt' er ſich; und wie er ſo den zor¬
nigen Affen des vorigen Freundes, mit dem
Dolch in der Hand ſah, der aus den blühen¬
den Beeten der ſchönſten Tage ausgeackert war
und in welchen er mit ſeinen Wunden getreten;
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[295/0307] Liane in flaches Land hatte leiten und ſeichter machen wollen, ſchwoll davon wie unter Zau¬ berhand auf, weil Roquairols Lüge ihres Hin¬ opferns dabei ſo nahe lag. „Du fürchteſt Dich“ ſagte der erbitterte Ro¬ quairol und nahm doch zwei Degen von der Wand. „Ich achte Dich nicht — und ſchlage mich nicht“ — ſagte Albano, ihn und ſich mehr reizend, da er doch ſich bezwingen wollte. Da trat Schoppe herein; „er fürchtet ſich“ wiederholte jener gewaffnet. Albano gab er¬ röthend mit drei brennenden Worten die Ge¬ ſchichte. „Ein Wenig müſſet Ihr Euch vor mir ſchlagen!“ rief der Bibliothekar voll alten Haß gegen Roquairols poetiſches Blend- und Gau¬ kel-Herz. Albano lechzend nach kaltem Stahl, griff unwillkührlich darnach. Der Kampf be¬ gann. Albano fiel nicht an, aber immer wü¬ thender wehrt' er ſich; und wie er ſo den zor¬ nigen Affen des vorigen Freundes, mit dem Dolch in der Hand ſah, der aus den blühen¬ den Beeten der ſchönſten Tage ausgeackert war und in welchen er mit ſeinen Wunden getreten; und wie der Hauptmann mit wachſendem Stur¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/307>, abgerufen am 05.07.2024.